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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

zur Nachtzeit vorgenommen und entziehen sich daher den genauen Beobachtungen des Forschers, der diesen ungemein schüchternen Thieren gegenüber überhaupt nur mit der größten Vorsicht zu Werke gehen muß, wenn er ihnen etwas ablauschen will.

Das Innere der Hütten ist weit einfacher, als man zum Theil geglaubt hat, es besteht oft nur aus einer Kammer, die mit Holzspähnen, Rohr oder Kräutern ausgelegt ist und in der Mitte des Fußbodens, also vom Wasser her, ihren einzigen Zugang hat, der zugleich auch Ausgang ist, und wird in der Regel von vier alten und sechs bis acht jungen Bibern bewohnt. In andern Fällen zeigt die Seitenwand des Innenraumes noch zellenartige Aushöhlungen bei einem mittleren Zugange und, dann findet sich eine größere Einwohnerzahl. In noch andern Fällen sind Unterschiede im Innern, jedoch ohne Verbindung unter einander, jede Kammer mit ihrem besonderen Eingange, aber alle von gemeinsamem Dache bedeckt. Solche Wohnungen scheinen durch Anbau der einen an eine andere, zum Theil schon ältere zu entstehen, da es die Biber öfter vorziehen, jeden Herbst einen Neubau aufzurichten und zwar nicht selten unmittelbar neben dem alten. Sonach besteht also eine Biberwohnung aus 2 Stockwerken, dem oberen, backofenförmigen Hügel, der sich in angegebener Weise über die Erdoberfläche erhebt, und den hohlenartigen Räumen darunter, die zu ihrem größeren Theile unter dem Wasserspiegel liegen und wohin die Thiere wohl auch flüchten, wenn sie in den Hütten angegriffen werden. In der Nähe des Zuganges finden sich Reiser und ungeschälte Holzstücke als Wintervorräthe vor, mit den untern Enden in den Schlamm gesteckt, die jedoch nur erst dann angegriffen werden, wenn der Frost bedeutender geworden und der Ausgang durch das Eis versperrt ist.

Der Biber.

Die liebste Nahrung der europäischen und asiatischen Biber besteht aus der Schale der Pappeln, Birken und Weiden und den Wurzeln der Seerose. Die amerikanischen schälen überdies noch einige ihrer Heimath eigenthümliche Bäume, wie Magnolien, rundblätterige Esche u. a. m., ab. Krebse und Fische verspeisen sie nie.

Noch eines Bestandtheiles vieler Biberburgen, die aus mehreren eben beschriebenen Bauten bestehen, müssen wir gedenken, wenn wir ein vollständiges Bild einer größern Colonie haben wollen. Um nämlich den Wasserstand zu reguliren, besonders einen zu niedrigen in der trockenen Jahreszeit unmöglich werden zu lassen, bauen die Biber mit vereinten Kräften Dämme, durch die sie das Wasser entweder in eine große Bucht einsperren oder dadurch aufstauen, daß sie denselben quer durch den Fluß führen; in letzterem Falle soll ihnen eine Breite von selbst 100 Fuß nicht zu bedeutend erscheinen. Auch diese Dämme bestehen, wie die Hütten, aus einem Complex von Reisig. Knüppeln, Steinen und Schlamm, und sind nach Umständen roher oder künstlicher angelegt, je nachdem das Terrain ihre Anlage unterstützte oder erschwerte. Sie sind so fest, daß man sie als Stege benutzen kann, haben bisweilen oben Abzugslöcher für das wachsende Wasser und gehen auf der Stromseite schräg herab, wozu gewiß die Strömung des Wassers durch Anschwemmen das Ihrige beiträgt, während die entgegengesetzte Seite senkrecht abfällt; steht das Wasser ganz still, so findet man die Dämme auch durchweg von gleicher Dicke, also mit senkrechten Wänden. Du Pratz ließ einen Damm zerstören, um seine Construction kennen zu lernen, und fand als Grundlage kreuzweis gestellte Knüppel, in deren oberem Winkel, wie bei einem Sägebock, der Länge nach Verbindungshölzer lagen. Bilden leicht anwurzelnde Weiden oder Pappeln das Bauholz, so wachsen solche Dämme bisweilen stellenweise zu lebendigen Hecken aus, und die ganze Anlage dieser Thiere ist auf diese Weise im Stande, die natürliche Beschaffenheit der Gegend mehr und mehr umzuwandeln.

Bei hohem Wasserstande werden die Biber, die sonst nur nach Sonnenuntergang ihre Bauten zu verlassen pflegen, aus denselben vertrieben, liegen dann auf denselben oder werden auf Bäumen sitzend angetroffen, die aus dem Wasser hervorragen; besonders bringt sie im Frühjahre der Eisgang in solche Verlegenheiten. Haben sich dann die Wasser wieder verlaufen, so kehren die Weibchen zu den Hütten zurück und werfen Ende Frühlings zwei bis fünf blinde Junge, die erst im dritten Jahre ausgewachsen sind und als selbstständige Glieder der Colonie die elterliche Wohnung verlassen. Die Männchen schweifen dagegen den Sommer hindurch umher und kehren gegen Herbst zu ihren alten Wohnungen zurück, die sie ausbessern, hauptsächlich wieder mit Schlamm befahren, oder ganz neu bauen – wenn anders sie den Nachstellungen ihrer Feinde, zu denen der Mensch an erster Stelle zählt, glücklich entgangen sind.

Eben die Nachstellungen, denen der von Natur so scheue Biber des Castoriums (Bibergeils) und des Pelzwerkes wegen ausgesetzt ist, haben es verschuldet, daß er in vielen Gegenden nach und nach ganz verschwunden ist, und auch in den von ihm noch bewohnten immer weiter zurückgedrängt wird. Vor Zeiten war er viel weiter nach Süden verbreitet, als heut zu Tage. Daß er einst in Egypten und Indien gelebt haben müsse, ist mehr als wahrscheinlich, da die Egypter sein Bildniß unter den Hieroglyphen haben, und die Religion der Magier ihn zu tödten verbot. In ganz Europa scheint er verbreitet gewesen zu sein, wenigstens weiß man bestimmt, daß er Spanien, Frankreich, wenigstens das nördliche Italien, die Küsten des schwarzen Meeres bewohnte und an den kaukasischen Bergströmen, zwischen diesen und dem caspichen See noch jetzt angetroffen wird. In der Schweiz und am

Rhein, wo man, wie in manchen andern Gegenden, fossiale Ueberreste

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_068.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)