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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

bei Wallace gewesen und galt für einen geschickten jungen Kaufmann. Ich hatte mit ihm zu thun gehabt und ihn lieb gewonnen. Er war von zartem Wuchse, hübsch und besaß den Stolz seines Landes, der ihm Festigkeit und Würde verlieh, ohne ihn hochmüthig zu machen. Er war eine Waise, von französischer Abkunft und in New-Orleans geboren und erzogen.

Ich konnte ihn deutlich sehen. Er war bleich und schien viel zu leiden, sah aber nicht wie ein schuldiger Mann aus. Ich glaubte auch nicht, daß er einen Mord begangen habe; dazu war er zu brav und ehrenhaft.

Endlich fing das Gericht an. Die Zeugen machten ihre Aussagen, und mir sank das Herz, als ich hörte, wie viele Umstände gegen ihn sprachen. Es war erwiesen, daß er Landor Wallace’s Nichte zu heirathen beabsichtigte, und daß der Onkel sich dem widersetzt hatte. Daraus war ein Streit entstanden, und Demarton hatte den Dienst seines Herrn verlassen. Es war ferner erwiesen, daß er Wallace zum Duell herausgefordert, und der Letztere es nicht angenommen hatte, weil er sagte, er könne sich nicht mit Jemand schlagen, den er als seinen Sohn betrachte. Ferner wurde ausgesagt, daß Demarton darüber wüthend geworden, und fluchend geäußert hätte: „Mr. Wallace solle sich entweder mit ihm schlagen oder die Folgen erleiden, denn er sei entschlossen, sich Genugthuung zu verschaffen.“

Am Morgen der Ermordung ritt der Kaufmann nach Dantonville, eine halbe Stunde nachher nahm der Angeklagte ein Pferd und sagte: „er würde Mr. Wallace bald einholen.“ Dann fügte er hinzu, was drei Zeugen gehört hatten: „Ich kann meine Sache so gut auf der Straße nach Dantonville als anderswo abmachen.“ Das war um sechs Uhr Nachmittags. Um neun Uhr kam ein Mann, Namens Harold, des Weges, stieß auf Landor Wallace’s Leiche, und sah in demselben Augenblick Edward Demarton von der Stelle hinwegreiten. Im Mondschein erkannte er ihn deutlich. Er sprang vom Pferde, fand den Kaufmann besinnungslos, aus mehreren tiefen Wunden blutend, und dabei ein Bowiemesser mit Silbergriff, welches dem Angeklagten gehörte. Das Messer war mit Blut bedeckt, und die Aerzte erklärten, daß die Wunden von demselben herrührten. Auch sah man einen Schlag an dem Kopfe, der allein tödtlich war. Harold war ein wüster Gesell, groß, breitschulterig, gegen 40 Jahre alt, mit düstren, rauhen Zügen und sah ganz wie ein Schurke aus. Die Vertheidiger wiesen auch nach, daß Harold Zwistigkeiten mit dem Angeklagten gehabt, und diesem Rache geschworen habe. Dies kam jedoch wenig in Betracht.

Die Sache schien zu deutlich gegen den Angeklagten zu sprechen. Er hatte den Ermordeten herausgefordert und ihm Rache geschworen, war ihm gefolgt, man hatte ihn sagen hören, er wolle seine Sache mit ihm auf der Landstraße abmachen, sein blutiges Messer lag bei dem Ermordeten und seine Kleider und Hände waren voll Blut gefunden worden.

Endlich ließ man Edward Demarton zum Worte. Er war bleich, aber seine Stimme fest. Er rief zuerst Gott zum Zeugen, daß er die Wahrheit spreche. Dann sagte er, er habe den Nachmittag vor dem Mordtage mehrere Stunden bei Wallace zugebracht und der Streit zwischen ihnen sei beigelegt worden. Der Kaufmann habe ihm erklärt, weshalb er seine Einwilligung versagt habe. Sein Bruder habe ihm die Verpflichtung auferlegt, seine Tochter nicht vor ihrem zwanzigsten Jahre heirathen zu lassen. –

„Wir schlichteten Alles und Mr. Wallace fragte mich, ob ich in seinen Dienst zurückkehren wolle. Ehe ich daraus antworten konnte, trat Jemand ein, der Wallace zu sprechen hatte. Ich sagte ihm darauf, ich müsse nach Dantonville und werde nach meiner Rückkehr bei ihm vorkommen. Er erwiderte, auch er müsse dahin und bat mich, ihn dort aufzusuchen. Darauf hatte ich Geschäfte am See und als ich zurückkam, hörte ich, daß Wallace seit einer halben Stunde fort sei. Ich ließ sogleich mein Pferd satteln und sagte beim Aufsteigen die Worte, welche die Zeugen aussagten. Ich meinte sie scherzhaft, da unser Streit ja freundschaftlich ausgeglichen war. Ich ritt fort und fand nach etwa zehn Meilen Mr. Wallace’s Pferd am Wege stehen, weiter ab lag der Kaufmann in seinem Blute. Ich sprang herab und kniete neben ihm nieder. Ich richtete sein Gesicht auf, rief seinen Namen, er war noch warm, aber das Leben schien entflohen zu sein. Dadurch wurden meine Hände und Kleider voll Blut, aber daran dachte ich nicht. Ich hatte nur fortzusprengen und Hülfe zu holen. Man hat gefragt, warum ich nicht nach Dantonville ritt, das nur eine halbe Meile weit war. Daran dachte ich jedoch nicht, sondern mein Instinct trieb mich nach Hause. Nach vier Meilen schnellen Galopps fiel mein Pferd und gleich darauf wurde ich von Harold und einem anderen Manne wegen Mordes verhaftet. – Was das Messer betrifft – es gehörte mir allerdings, war mir aber an diesem Tage gestohlen worden.“

Nach dieser Rede setzte sich der Jüngling und der Richter schüttelte den Kopf.

„Jeder kann eine solche Geschichte erfinden, um die Geschworenen zu täuschen,“ sagte er, „aber Niemand wird sie glauben, wenn solche Umstände vorhanden sind.“

Kurz, es schien keine Hoffnung für den jungen Mann da zu sein. Obwohl die Zuhörer ihn bemitleideten, schüttelten sie die Köpfe, als er seine Unschuld betheuerte.

Der Richter hatte resumirt und die Zeugenaussage gegen den Gefangenen geschärft und die Geschworenen wollten sich eben zurückziehen, als eine Bewegung an der Thüre entstand und gleich darauf ein junges Mädchen mit flatterndem Haar in den Gerichtshof stürzte und mit flammenden Augen und wogendem Busen hereintrat. Es war Isabelle Wallace. Sie war ein schönes Mädchen, mit edlen regelmäßigen Zügen, herrlichen, vollen Formen, und die Leidenschaft machte sie noch schöner. Einen raschen Blick nach dem Angeklagten werfend, wandte sie sich nach dem Richter und rief:

„Ist er schon verurtheilt, Herr? Ist er für schuldig befunden?“

„Noch nicht, aber es wird bald geschehen,“ erwiderte der Richter, sein Erstaunen beweisend.

„O, er ist unschuldig, er ist unschuldig!“ rief das schöne Mädchen.

„Er ist kein Mörder! He da, Gerichtsdiener, ergreift Harold und laßt ihn nicht entwischen. Rasch, rasch!“

Als das Mädchen eintrat, hatte sich Harold nach der Thür hin bewegt und bei ihren letzten Worten suchte er hinauszuschlüpfen, ein starker Matrose hielt ihn jedoch fest, bis der Sheriff herankam. Er wollte sich nicht gefangen geben, ein Paar Handschellen machten ihn jedoch bald unschädlich und er wurde zurückgebracht.

„Jetzt,“ fuhr das Mädchen zu dem Richter gewandt fort, „habt die Güte, und sendet zu meinem Oheim, seine Aussagen aufzunehmen. Er lebt!“

Bei diesen Worten sprang Eduard Demarton auf, und stieß einen Freudenschrei aus. Sein Gefühl war jedoch zu heftig, er sank ohnmächtig zurück. Nachdem er wieder zu sich gekommen, erklärte Isabelle, was sich ereignet hatte. Sie sagte, zwei Aerzte seien mit ihrem Oheim beschäftigt, er sei aus einer Lethargie erwacht, hätte sein Bewußtsein wieder erlangt, und wolle den befugten Beamten sagen, wer ihn angefallen und ermordet habe.

Der Hof wurde sogleich vertagt und der Richter begab sich selbst mit drei Juristen und dem Vormann der Geschwornen nach des Kaufmanns Hause. Die Aerzte erklärten, er könne nicht lange mehr leben und die Beamten setzten sich sofort um das Bett des todtwunden Mannes. Er bestätigte, was Demarton über die Beilegung ihres Zwistes und die Absicht seines Rittes nach Dantonville gesagt hatte. Er hatte eine Brieftasche mit 5000 Dollars bei sich. Es dunkelte, als er fort ritt, der Mond schien jedoch. Als er den Wald erreichte, holte ihn Harold ein. Er fürchtete diesen, denn er hatte ihn das Geld in die Brieftasche packen sehen, deshalb faßte er nach seinem Pistol, ehe er es jedoch ziehen konnte, gab ihm Harold einen Schlag, nach dem er vom Pferde sank, dann erinnerte er sich, daß der Schurke mehrere Male nach ihm gestochen, und ihm die Brieftasche entrissen habe. Mehr konnte er sich nicht erinnern. Diese Aussage wurde zu Protokoll genommen, und die Aerzte bezeugten, daß der Kranke völlig bei Sinnen sei.

Dann wurde die Gerichtsverhandlung wieder aufgenommen, und Edward Demarton sogleich von den Geschwornen freigesprochen. Die Zuschauer brachen darüber in lauten Jubel aus, dem der Richter nicht Einhalt zu thun vermochte.

Gleich darauf wurde Harold angeklagt und verurtheilt. Als er sah, daß er verloren sei, gestand er die That und den Raub. Er wußte, daß Demarton nach Dantonville reiten würde, und stahl das Messer des jungen Mannes, um den Verdacht auf diesen zu lenken.

Mr. Wallace lebte bis zum nächsten Nachmittag. Vor seinem Tode legte er die Hand seiner schönen Nichte in die Eduard Demarton’s und bat sie, in seinem Hause fortzuleben. Er hatte keine Kinder, und Isabella erbte sein Vermögen, er bestimmte jedoch, daß Edward es verwalten und das Geschäft fortführen solle. Der Verlust ihres geliebten Oheims versetzte Isabellen zwar in tiefe Trauer, diese verhinderte jedoch nicht, sich freudig an dem Gedanken zu weiden, daß der Geliebte ihr so wunderbar erhalten worden, und Beide lebten nach ihrer Verheirathung außerordentlich glücklich.


Neue Studienwerke für den Clavierunterricht. Es kann zwar kaum in Abrede gestellt werden, daß die productive Kraft der Gegenwart auf dem Gebiete der musikalischen Composition eine untergeordnete ist, aber kein Sachverständiger wird leugnen können, daß speciell für das Bedürfniß des angehenden Clavierspielers jetzt Besseres geschrieben wird, als früher. Wir wollen die Verdienste eines Czerny und Diabelli auf diesem Gebiete keineswegs schmälern, müssen aber doch behaupten, daß ihr Streben fast einzig und allein auf Fingerbildung gerichtet war und daß sie es fast gänzlich verschmähten, das jugendliche Gemüth auch poetisch anzuregen und den Sinn für die classischen Formen heranzubilden. Bei der mit der Zeit gänzlich veränderten Claviertechnik bedürfen wir aber auch solcher Unterrichtswerke, welche auf die Claviercompositionen eines Weber, Mendelsohn, Schubert, Schumann, Chopin vorbereiten, und wenn wir zugleich mit besonderem Hinblick hierauf die Unterrichtswerke eines Stephan Heller, R. Schumann etc. anführen, so wird man unsere obige Behauptung gewiß gerechtfertigt finden. Zu denen, welche wahrhaft Verdienstliches für das Clavier und die angehenden Spieler dieses Instrumentes geleistet haben, gehören in neuerer Zeit namentlich Louis Köhler und Carl Reinecke. Auf zwei neue und gelegene Werke von Köhler wollen wir hier zunächst aufmerksam machen, von denen das eine unter dem Titel: „Die ersten Etuden für jeden Clavierspieler als technische Grundlage der Virtuosität“, Op. 50., vor Kurzem erschienen ist. Wir kennen nichts so Concentrisches, beide Hände im Leiter- und Accordspiel gleichmäßig Bildendes, als die Etuden; sie greifen tiefer in die Fingerschwächen, als z. B. das erste Heft der Czerny’schen Schule der Geläufigkeit, und der Schüler kann nach Köhler’s „ersten Etuden“ unmittelbar zu den Cramer’schen Etuden übergehen. Ein zweites Werk des genannten Componisten sind seine „Heiteren Vortragsstudien für den Clavierunterricht,“ Op 47. Sie sind eben so ansprechend als poetisch, bei Leichtigkeit doch frisch wirkend, auch für mittlere Spieler bequem spielbar und für den Unterricht höchst praktisch. – Von Carl Reinecke erschienen vierhändige Clavierstücke (Op. 54, zwei Hefte), deren didaktischer Zweck uns zu ihrer besonderen Empfehlung an Clavierlehrer veranlaßt. Sie sind „im Umfang von fünf Tönen bei stillstehender Hand“ geschrieben. Seit Diabelli’s und Enckhausen’s vierhändigen Stücken ist der musikalischen Kinderwelt nichts so Zweckmäßiges und Gelungenes in diesem Genre gewidmet, aber noch mehr als jene Genannten hat Reinecke es verstanden, in dem geringen Tonumfange anziehende und frische Melodien zu erfinden, denen man die enggezogenen Grenzen kaum anmerkt, und deren Wohlklang und Reiz die Kinder gern zum Lernen fesseln wird. Die genannten drei Etuden-Werke sind im Verlag von Bartholf Senff in Leipzig erschienen und haben noch den Vorzug schönsten Notenstichs und sauberer Ausstattung.


Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

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