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verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

aus mir werden soll, so war es Zeit, denn ich bin schon sechsunddreißig Jahre alt.“

Seine Affaire mit dem General Soubise in Gotha ist zu bekannt, als daß wir sie nochmals erzählen sollten, wir erwähnen deshalb auch nur noch seiner glänzenden Waffenthat bei Roßbach, die unser Künstler auf so würdige Weise zur Darstellung gebracht.

Die Kriegsereignisse hatten den König bestimmt, mit seinem höchstens 22,000 Mann starken Heere bei Roßbach ein Lager zu beziehen. Hier, so beschloß Prinz Soubise, sollte der „Marquis von Brandenburg mit seiner Berliner Wachparade“, womit man die im Verhältniß zu der 64,000 Mann starken verbündeten Armee geringe Anzahl seiner Truppen verspottete, gefangen werden. Der Prinz beschloß, den König in seiner linken Flanke zu umgehen, und ihm den Rückzug über die Saale abzuschneiden. Vom Janushügel aus sah Friedrich ruhig die Bewegung des Feindes an, und erst zwei Uhr Nachmittags ließ er die Truppen aufbrechen, und marschirte hinter dem Höhenzuge ungesehen dem Feinde entgegen. Seydlitz erhielt, obgleich jüngster Generalmajor, das Commando der sämmtlichen Cavallerie. Seine Stellung den älteren Generalen gegenüber war eine sehr schwierige, aber mit dem ihm eignen Talent, sich in jede Lage zu schicken, erklärte er den versammelten Generälen, als er die Disposition zu seinem Angriff ausgab, kategorisch: „Meine Herren, ich gehorche dem Könige und Sie gehorchen mir!“ Vorwärts ging es im Trabe bei der Infanterie vorbei bis hinter das Ende des Höhenzuges; hier ließ er aufmarschiren, 15 Schwadronen im ersten, 18 im zweiten Treffen, 5 zur Seite. Kein Signal, kein lautes Wort verrieth der immer noch sorglos vor ihrer Infanterie vorantrabenden feindlichen Cavallerie die Nähe ihres furchtbaren Feindes. Noch waren die Säbel nicht gezogen, da erscheinen die 52 Schwadronen des Herzogs von Broglio. Seydlitz sprengt vor die Front seiner Linien. Hoch empor wirft er die bis dahin noch nicht verlöschte Tabakspfeife, und reißt den Pallasch aus der Scheide. Da schmettern sämmtliche Trompeten, da klirren die Säbel der Reiter, Marsch! Marsch! und mit gellendem Hurrah stürzen sie sich auf den verwirrten, ungeordneten Feind. Kaum berühren die Hufe der Rosse den Boden. Hier die Quartierbillets für den Winter in Berlin, die ihr so sicher zu haben glaubtet, hier der Gruß der Berliner Wachparade! Niedergeworfen und zersprengt sind die 52 Schwadronen, die fast eine Meile weit verfolgt werden. Als die Cavallerie abgefertigt war, wendet er sich zur Infanterie. Ihr Loos war dasselbe, und in wenigen Stunden waren 3000 Feinde getödtet, 5000, darunter 5 Generäle und 300 Officiere, gefangen. Von den 17 preußischen Bataillonen waren nur 7 zum Schuß gekommen, der Sieg also fast nur das Verdienst der Cavallerie, und hier wiederum fast nur das ihres ausgezeichneten Führers. In ganz Deutschland wurde die Demüthigung der verhaßten übermüthigen Franzosen mit dem größten Frohlocken aufgenommen. Deutsche Tapferkeit und Umsicht hatte die Fremdlinge niedergeworfen, und man vergaß darüber die eigne traurige Uneinigkeit. Seydlitz war bei der Schlacht in den linken Arm geschossen worden, und mußte vier Monate lang in Leipzig seine Genesung erwarten.

Im Dienste war Seydlitz ein unerbittlich strenger Vorgesetzter, doch erweckte die Art, mit der er Fehler rügte, stets den guten Willen, solchen abzuhelfen, die Verweise, die er gab, kränkten nie das Ehrgefühl, sondern waren stets dem Charakter des Fehlenden angemessen. Rohheit und Grausamkeit in der Behandlung Untergebener litt er nie, und so kam es, daß die körperlichen Züchtigungen, welche damals noch durchweg gebräuchlich waren, in seinem Regiment nach und nach ganz in Wegfall kamen. Seine hervorragende Persönlichkeit war allein hinreichend, das Große zu vollbringen. Groß waren die Forderungen, die er an seine Reiter stellte; aber was er verlangte, leistete er stets selbst in höchster Vollkommenheit. Noch oft hat er als General die Wagstücke seiner Jugend, das Ueberspringen hoher Hindernisse, das Reiten durch umlaufende Windmühlenflügel u. dgl. wiederholt. Einst traf er beim Spazierenreiten eine Landkutsche, in welcher ein Landprediger mit seiner Familie langsam auf dem Sandwege dahinfuhr. Das langgestreckte Vordertheil des Wagens erweckte in ihm die Lust, darüber hinwegzuspringen. Ein Spornstoß und er war auf der andern Seite des Wagens. Sein ganzes Gefolge schlug zum großen Schrecken der Fahrenden denselben Weg ein. Nicht weniger geübt war er im Pistolenschießen und oft mußte der Glöckner zu Ohlau, der eine kleine am Rathhaus hängende Glocke täglich drei Mal läutete, zu seinem Aerger diese Beschäftigung aufgeben, da der General Seydlitz ihm von seinem Fenster aus mit der Pistole den Strick entzwei schoß.

In seinem Benehmen gegen den König und gegen Vorgesetzte wußte Seydlitz bei aller Bescheidenheit doch stets seine Würde zu wahren. Dies war auch so allgemein anerkannt, daß der Oberstallmeister, Graf Schwerin, den der König bei Tafel nach seiner Gewohnheit zu schrauben suchte, einmal unerwartet mit den Worten losbrach:

„Mir können Ew. Majestät wohl so etwas anthun, aber da sitzt Einer“ – und er zeigte auf Seydlitz – „versuchen Sie’s doch mit dem.“

So sehr der König auch den General Seydlitz achtete, so suchte er doch oft bei ihm etwas zu tadeln. Einst machte er nach der Musterung seines Regiments die Bemerkung:

„Mein lieber Seydlitz, ich dächte, Sein Regiment ritte mit viel längern Bügeln, als meine übrige Cavallerie?“

Seydlitz, der das für richtig Befundene nicht gern als übertrieben tadeln lassen wollte, antwortete:

„Ew. Majestät, das Regiment reitet noch ebenso, wie bei Roßbach.“

Einstmals regte der König die Frage an, ob es besser sei, der Reiterei zweischneidige oder Rückenklingen zu geben. Seydlitz hörte eine Zeit lang dem Streite zu und machte ihm dann, als es ihm zu langweilig wurde, mit den Worten ein Ende:

„Wenn die Reiterei nur eher an den Feind kommt, bevor dieser Zeit hat, die Klingen zu besehen, so wird sie siegen, und wenn sie Spießgerten in der Hand hat.“

Nie aber war Seydlitz furchtloser und freimüthiger, als wenn es galt, einer Ungerechtigkeit zu steuern oder für Jemand die verdiente Belohnung zu fordern. So drängten sich einmal die Invaliden in Breslau zu nahe zum König, so daß sie diesem lästig wurden und er befahl, sie wegzuschaffen. Da sagte Seydlitz:

„Das sind die braven Männer, die ihr Leben und ihre Knochen daran gegeben haben, um Ew. Majestät Sieg und Ruhm zu gewinnen, und die nun betteln gehen mögen.“

Der König wurde gleich freundlicher und entließ die alten Krieger mit Geschenken.

Eine eben so treffliche Antwort gab er in der Schlacht von Zorndorf, als ihm der König den Befehl zuschickte, mit seiner Cavallerie bis zu einer gewissen Stelle vorzurücken. Seydlitz bemerkte mit scharfem Blick, daß dadurch seine Reiter unnütz dem Kanonenfeuer ausgesetzt wurden, und weigerte sich, selbst den wiederholten Befehlen des Königs zu gehorchen. Friedrich sandte nochmals und ließ ihn wissen, er werde es nach der Schlacht mit seinem Kopfe zu verantworten haben, worauf Seydlitz ruhig mit einem Blicke auf seine geschützten Reiter erwiderte:

„Sagen Sie dem Könige, nach der Schlacht steht ihm mein Kopf zu Befehl, in der Schlacht möge er mir noch erlauben, daß ich davon für seinen Dienst guten Gebrauch mache.“

Und er machte einen guten Gebrauch davon, denn nie hat er mit solcher Kühnheit angegriffen, nie unter so ungünstigen Verhältnissen mit solcher Geschicklichkeit die bedeutendste Reitermasse gehandhabt. Der König umarmte nach erfochtenem Siege den Helden mit den Worten: „Auch diesen Sieg habe ich Ihnen zu danken,“ worauf dieser, stets bescheiden und gerecht, antwortete: „Nicht mir, gnädigster König, sondern diesen braven Leuten, die ich anführte.“

Dergleichen kleine Streitigkeiten pflegten wohl dann und wann eine kleine Verstimmung zwischen dem Könige und seinem Reitergeneral zu veranlassen, die jedoch Seydlitz nie in seiner unerschütterlichen Treue und Liebe zu dem großen Friedrich irre machen konnte. Als der Kaiser Joseph II. den König 1769 bei seinen Musterungen in Schlesien aufsuchte und hierbei auch Seydlitz und sein berühmtes Cürassierregiment sah, war er so entzückt von der Ausbildung der schlesischen Cavallerie und insbesondere des Seydlitz’schen Regiments, sowie von der glänzenden Persönlichkeit des Generals, daß er diesem die größten Lobeserhebungen machte und mit den Worten schloß:

„Wenn die Verhältnisse es mir erlaubten, so käme ich zu Ihnen, um den Reiterdienst zu lernen, allein da dies nicht sein kann, so wünsche ich, Sie kämen in meine Dienste,“ worauf Seydlitz erwiderte:

„Ew. kaiserl. Majestät würden an mir eine schlechte Acquisition

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