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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Daniel Burgschmiet.

Der bekannte Nürnberger Bildhauer, Daniel Burgschmiet, der Rüstige, der vor kurzer Zeit noch in voller Manneskraft Stehende, er mußte vor Kurzem Hammer und Meißel an den Tod abgeben. Das geschah so plötzlich, daß seine Freunde und Bekannten es kaum glauben, kaum für möglich halten konnten. Hatten sie ihn doch jüngst noch gesehen in seinen Werkstätten, wie er arbeitete von früh bis spät; wie er, umgürtet mit dem Lederschurz, in der Gießhütte stand, umringt von seinen Gehülfen, – oder auch, ohne Schurz und nur bedeckt vom leichteren Arbeitskleide, und ohne Gehülfen, allein in seinem Atelier zwischen Marmorblöcken saß – beginnend, fortführend, vollendend – schaffend.

Lassen wir kurz sein Leben auf diesem Blatte an uns vorübergehen.

Wir treten ein in eine kleine, geringe Werkstätte. Wir sehen da Holzspulen, Pfeifenrohre und Pfeifenköpfe, Kegel und Kegelkugeln, Zwirnhalter und Nadelbüchsen, Armbrüste und Steckenpferde, – der Knabe Daniel Burgschmiet sitzt an der Holzdrehbank, – wird ein Drechsler.

Er hält es dabei nicht aus, – in ihm treibt und gährt es. Solche Werkstätte wird ihm zu enge, befriedigt ihn nicht, – aber es ist keine Hand da, die auf andere Bahn mit anderm Ziel ihn stellt.

Da hilft er sich selbst, – er zieht herum mit einem Automatentheater, führt dieses Theater durch halb Deutschland. In ihm noch immer keine Ruhe, keine Befriedigung, – wohl aber die noch geschlossene Knospe einer echten Künstlernatur. Und diese Knospe schwellt und treibt, schießt in die Blüthe und ruht nicht, bis sie vollkommen aufgebrochen ist, bis sie sich entfaltet hat zur vollständig gebreiteten, vollendeten Blume.

Erst als er das Automatentheater abgegeben hatte, beschäftigte sich Burgschmiet mit der eigentlichen Bildnerkunst. Er war nun schon in das Mannesalter getreten, – aber sein Talent entfaltete sich schnell unter Fleiß und Begeisterung.

Betreten wir die Treppe des Waisenhauses zu Nürnberg, so sehen wir zwei Figuren von Waisenhauszöglingen in ihrer alten Tracht, – und diese zwei Figuren sind eigentlich die erste größere Arbeit Burgschmiet’s.

Bedeutender tritt er auf mit der Statue Melanchthon’s, welche bei der dreihundertjahrigen Stiftungsfeier des Nürnberger Gymnasiums aufgestellt wurde. Burgschmiet arbeitete sie ohne Modell, nahm nichts dazu, als die Zeichnung, welche Heideloff gearbeitet hatte. Das war nicht leicht. Denn ehe man zur Ausführung eines Bildwerkes in Stein schreitet, fertigt man bekanntlich für die Arbeit selbst Skizzen und Modelle in einer weicheren Masse, gewöhnlich in Thon, die man sodann in Gyps abgießt. Auch dem geübteren Meister ist in der Regel ein solch genügendes Vorbild nöthig, weil im Stein, wenn einmal zu tief geschlagen wurde, keine ausgleichende Berichtigung mehr möglich ist. Nur kurz sei hier erwähnt, daß Einem, der sonst so hoch steht, dieses Versehen sehr oft begegnete. Michel Angelo war’s. Sein Feuergeist verschmähete Skizze

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 361. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_361.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)