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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

No. 37. 1858.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.



Leyer und Schwert.
Historische Novelle von Max Ring.
(Fortsetzung.)


Der Erzherzog, bisher so zurückhaltend und vorsichtig, ließ die beobachteten Schranken immer mehr fallen und seine echt deutsche Gesinnung brach jetzt ungehindert hervor. An der Begeisterung des patriotischen Dichters entzündete sich der eben so patriotische Eifer des im Kampfe bereits bewährten Helden. Alte Erinnerungen lebten in seiner hohen Seele auf, neue Hoffnungen erschlossen ihre Blüthen. Nicht zwei fremde, durch Geburt und Lebensstellung so weit von einander verschiedene Personen standen einander hier gegenüber, sondern zwei für das gemeinsame Vaterland gleich laut und kräftig schlagende Herzen voll der edelsten Gesinnung.

Eine Stunde war fast unbemerkt verstrichen, als der Erzherzog den Dichter verabschieden mußte.

„Es ist mir lieb,“ sagte er, Körner seine Hand reichend, „einen solch’ wackern jungen Deutschen kennen gelernt zu haben.“

Mit diesen schlichten Worten entließ er den Dichter, der seine tiefe Bewegung kaum zu bewältigen vermochte. Eine mächtige Umwandlung war die Folge dieser Unterredung, welche alle seine schlummernden oder mit Gewalt zurückgedrängten Empfindungen von Neuem aufwühlte. Dahin schwanden die reizenden Bilder einer geträumten Häuslichkeit, die lachenden Aussichten einer heiteren Zukunft. Ernste und dunkle Scenen des nahe bevorstehenden Kampfes für das Vaterland nahmen ihre Stelle ein, blutige Visionen, wilde, kühne Erscheinungen des Schlachtentodes und der mörderischen Vernichtung. Statt der friedlichen Bühne breiteten sich die schrecklichen Leichenfelder vor der Phantasie des Dichters aus, schmetternder Hörnerklang und das dumpfe Rasseln der kriegerischen Trommel verdrängten den sanften Klang der Lyra und der sie begleitenden Flöten. Statt von friedlichem Lorbeer, träumte der Dichter von blutgetränkten Eichenkränzen um das Haupt der Erschlagenen. Selbst das Bild der Geliebten erblaßte wie in dämmernder Ferne vor der Gestalt des Vaterlandes, das aus der bisherigen Erniedrigung mit Hülfe seiner Söhne sich zu erheben bereit schien.

Wie klein und unbedeutend kam Theodor jetzt Alles vor, was er bisher geleistet und erlebt hatte, neben der hohen Aufgabe, die seiner noch harrte! Was er bis jetzt gegeben, waren nur Worte und Redensarten, zum Theil von Anderen geborgt und von der Oberfläche geschöpft.

Er fühlte, daß damit noch nichts gethan, die Schuld des Daseins nicht abgetragen sei. Für seine Ueberzeugung wollte er sein Herzblut, für eine einzige große That seinen leicht erworbenen Ruhm, sein Leben selber hingeben.

Von solchen Gedanken erfüllt, bedurfte es nur des leisesten Anstoßes, um den Wunsch, die schwankende Sehnsucht zum festen Entschlusse zu gestalten und eine neue gewaltige Wendung seines Schicksales herbeizuführen.

Der Weg führte ihn an dem Hause vorüber, welches von Wilhelm von Humboldt, dem preußischen Gesandten, bewohnt wurde. Es drängte ihn, das volle Herz vor dem väterlichen Freunde auszuschütten, bei dem er sicher war, Rath und Hülfe in allen Bedrängnissen zu finden. Der geniale Staatsmann empfing den jungen Dichter mit der ihm eigenen Liebenswürdigkeit in seinem Arbeitscabinete, trotzdem er gerade in diesem Augenblicke mit den wichtigsten Angelegenheiten beschäftigt war.

„Sie kommen gewiß,“ sagte er mit freundlichem Lächeln, „um mein Urtheil über Ihr neuestes Trauerspiel, über Ihre „Rosamunde“ zu hören. Verzeihen Sie nur, daß ich im Drange meiner Geschäfte noch nicht dazu gekommen bin, es vorzunehmen. Am besten wird es sein, wenn Sie es an einem Abende in meiner Familie vorlesen. Sie werden uns Allen einen großen Genuß dadurch bereiten.“

„Nicht deswegen bin ich hier,“ entgegnete Theodor, „eine wichtigere Angelegenheit führt mich zu Ihnen, Excellenz!“

„Lassen Sie hören, womit ich Ihnen dienen kann.“

„Ich komme so eben vom Erzherzog Karl, der mich rufen ließ. Die Worte und der Anblick des edlen, deutschen Helden reiften in meiner Seele einen Entschluß, den ich schon lange Zeit mit mir herumgetragen. Ich will Wien verlassen, um meinen Arm der Befreiung des Vaterlandes zu weihen, die, wie ich weiß, in naher Aussicht steht.“

„Wie?“ fragte Humboldt überrascht, „Sie wollten Ihre eben erst errungene, glänzende Stellung aufgeben, einer Laufbahn entsagen, die Sie mit so seltenem Glücke betreten haben? Was werden Ihre Eltern, was Ihre Braut dazu sagen?“

„Ich fühle lebhaft all’ die Unruhe und Besorgniß meiner guten Mutter, ich kenne die Bedenken meines Vaters, der als sächsischer Unterthan sich gezwungen sehen dürfte, meinen Schritt zu mißbilligen, aber im Grunde seines Herzens wird er mein Vorhaben segnen, denn er selbst hat diese Liebe zu unserem deutschen Vaterlande mir in’s Herz gesenkt, sie gehegt und gepflegt. Meine Braut wird mich verstehen; ihr Herz schlägt für die gute Sache, der sie ihre Liebe zu opfern bereit sein wird.“

„Aber Sie können dieser auf andere Weise besser nützen. Der Geist ist ebenfalls und eine edlere Waffe, als die rohe Kraft im

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 521. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_521.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)