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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Entrée und außerdem Gehalt. In der Probe wurden schon damals die Stellen angegeben, wo geklatscht werden sollte; ein Mann von „esprit“ mußte immer den Schwarm leiten. 1820 legte Sauton ein förmliches Bureau an, das hieß: „Assurance de succès dramatiques“ oder auf ehrlich Deutsch: „Versichrung von dramatischen Erfolgen.“ Bei ihm meldeten sich die schamlosen Claqueurs; die Theaterdirectionen machten ihre Visiten, gaben Aufträge und Sauton bestimmte dann für so und so viel Franken und Freibillete die größere oder kleinere Heerde von Klatschern; der geschlossene Vergleich enthielt z. B. Bestimmungen, wie oft und wie stark geklatscht werden sollte. Man unterschied drei Grade der Stärke, welche in der Spitzbubensprache der Claqueurs also bezeichnet wurden: Petit (klein, gering), modéré (mäßig, eingezogen), assaut (Sturm, voller Anlauf.) – Als Veron die Pariser Oper dirigirte, war der Heros der Claque ein gewisser Herr Auguste, welcher die Claque sachkundig disciplinirte, leitete und ihr vor allen Dingen Ensemble lehrte. Für drei Pelotons Klatscher à funfzehn Mann bekam Auguste 45 Billets, wovon er die Hälfte billig an Leute verkaufte, die sich verpflichteten, Abends zu arbeiten; auf die andere Hälfte gingen seines Stammtruppen in’s Feuer. Die eitle Tänzerin M. Noblet zahlte ihm für jedes Auftreten mit hellem Empfange (assaut) durch 45 Mann 50 Francs, was ihm in funfzehn Jahren das Sümmchen von 55,000 Francs eingebracht hat.

Einem Schauspieler war aus Versehen an einer anderen Stelle, als er wünschte, Zuruf geworden. Aergerlich darüber kam er zu Hrn. Auguste und drohete, sich Herrn Sauton zum Klatschen zu bestellen.

„Gehen Sie, mein Herr,“ rief Auguste stolz, „ich weiß, Sie werden gar bald meine Dienste wieder aufsuchen.“

Als die Hugenoten einstudirt waren, schrieb Auguste folgenden, in weiten Kreisen bekannt gewordenen Brief:

 „Herr Director!
„Ich bin mit der neuen Oper sehr zufrieden; für solche Werke zu arbeiten ist ein Genuß. Man kann bei allen Arien und fast bei allen Duetten etwas machen; für das Duett im vierten Acte sichere ich drei Salven zu, für das Trio im letzten einen Hervorruf. Was die Sänger, und die Verfasser anlangt, erwarte ich Ihre Befehle.“

Scribe, Macquet und Andere gingen bei ihm ein und aus, wenn sie Beklemmungen fühlten.

Graf B. gab ihm einst den Auftrag, für 500 Francs eine treulose Sängerin auszupochen und auszupfeifen. Als Sängerin war sie nur mittelmäßig. Am Abende applaudirte Herr Auguste mit seinen Truppen so stark, daß er in Zwiespalt mit dem ganzen Publicum gerieth und man, um die Claque zu dämpfen, pochte und pfiff. Der Graf war verdutzt und nannte am andern Tage Auguste und dessen Pelotons Verräther.

„Mein Herr Graf,“ sagte Auguste, „meine Bildung verbietet mir, eine Dame auszupochen. Ich habe aber dafür so laut applaudirt, daß das empörte Haus es für mich gethan hat.“

Als Fanny Elsler in Paris war, fand sie unsern Auguste zu kühl und bestellte sich ebenfalls Herr Sauton, der damals gerade im Théatre second und Gymnase zu klatschen hatte. Sauton erschien mit seiner derben Schaar, erhielt vierzig Billete und sechzig Francs, versäumte aber, selbst entzückt und vom Glanze des Theaters trunken, mehrmals seine Pflicht, so daß es nach mehreren Wochen Herrn Auguste zu Ohren kam, Fanny werde Sauton wieder entlassen. Da bat Auguste um eine Audienz bei Fanny.

„Mademoiselle,“ sagte er, „ich, Sie, Direction, Publicum, alle Welt leidet; denn Sauton ist ein Cretin. Setzen Sie mich wieder ein, ich beschwöre Sie. Hier sind 50,000 Francs, die Sie unter die Armen vertheilen mögen.“

Die Künstlerin, deren Ehrgeiz durch letzteres Angebot verletzt war, warf ihm zwar seine angebotene Brieftasche, die nichts, als Theaterzettel enthielt, entrüstet vor die Füße, nahm ihn jedoch wieder zu Ehren an.

Auch galt Herr Auguste, soviel es gehen wollte, im Publicum; seine strenge Disciplin, seine Höflichkeit gefiel; keiner seiner Leute durfte scheel sehen oder in die Hitze kommen, wenn man schwieg oder gar zischte, indeß alle drei Peletons Unsterblichkeitsverleiher wie ein Mann klatschten. Auguste starb 1844 und ließ seiner Tochter ein bedeutendes Erbe, nachdem er zuerst Chauffeurs, Chatouilleurs und Bisseurs geschaffen hatte. Ich muß den verwunderten Lesern diese Schöpfungen erklären, denn sie sind in diesen Tagen zu den größten Ehren gestiegen.

Will man mit Applaus empfangen werden, so schickt man die bestimmte Summe hin, d. h. soigner l’entrée (für Aufnahme Sorge tragen). Den Nebenbuhler auspfeifen, kostet jetzt die gleiche Summe. Faire mousser, moussiren machen, heißt die Claque bezahlen; unter dem Kronleuchter, Jedermann sichtlich, sitzt gewöhnlich das Centrum dieser Theaterablaßkrämer. Man nennt diese offenen Herren darum „Chevaliers du lustre“, d. h. Ritter vom Kronleuchter. Die übrigen Claqueurs vertheilen sich. Zuerst nenne ich hier die Tapageurs; diese klatschen beim kleinsten Anlaß auf’s Heftigste; es sind also die rechten Tümmler, wahre Quecksilberleute! Nach ihnen kommen die feineren Connaisseurs oder Kenner. Sie müssen sich fein kleiden, sitzen auf theuren Plätzen, murmeln dann und wann in vornehmer Ungenirtheit beifällig, machen auf Schönheiten und interessante Steigerungen aufmerksam, indeß die Rieurs die alte „biederbe“ Ehrlichkeit, selbst die philisterhafteste Gutmüthigkeit heucheln und beim flachsten Spaß auf’s Herzlichste lachen – und plötzlich, wie sich besinnend, noch einmal, bis es ansteckt. Man sieht, jede Seite des Menschen ist belagert. Die Pleureurs, welche man in den Trauerspielen P. Corneilles im Théatre français bewundern kann, sind die Weinerlichen, die Gerührten. Ihre weißen Taschentücher trocknen unaufhörlich die trocknen Augen.

Die schon unter Auguste florirenden Chatouilleurs bringen ihre Chatouillen und Bonbonnièren hervor, und stimmen durch Darbieten von Bonbons, Prisen Schnupftabaks, Leihen von Theaterzetteln und Opernguckern schon empfänglich und heiter. Die Chauffeurs aber bringen des Mittags und Nachmittags die Gaffer am Theaterzettel in Gluth, wenn sie vor dem Zettel stehen und rufen: „Ach, heute wird’s wundervoll werden! Der Engel singt und spielt heute wieder! Wie ein Gott schreitet er über die Bühne!“ – Sie lesen auch in Restaurationen laut die Recensionen vor, erkundigen sich fleißig nach Portraits in allen Läden, bis sie der Händler aushängt, arbeiten Kritiken für Winkelblätter, entfernen schlechte Kritiken schlau und dergl. Die Bisseurs endlich sind die unermüdlichen Biß- (d. i. zweimal) Rufer, deren da capo nimmer stirbt.

Nun – heißt das nicht Ordnung in dieser Armee von Lügnern? Macht jetzt manche Apotheke ein solch’ Geschäft, wie ein Bureau der Claque, das gar nicht mehr unter 10,000 Francs, oft aber für 18–19,000 Francs verkauft wird? – Eine strenge Justiz gibt’s für solche Leute, welche auf die Dauer der klaren Vernunft immer weichen müssen, in Frankreich jetzt noch nicht; aber man tröstet sich billigerweise immer damit, nur die plumpe Einfalt wird von dem Lärm der Claque geblendet. Aber Angesichts solcher Thatsachen thut’s uns doch im Innersten wohl, deutsche Treu und Ehrlichkeit noch nicht zur bloßen Redensart herabgesunken, noch die Meinungen Anderer in Dutzenden verhandelt zu sehen.

Freede.

Wie man durch Nichtsthun täglich zweihundert Thaler verdienen kann. Man zieht ’n Paar dicke Strümpfe an, setzt sich damit an einen murmelnden Bach, raucht starken Toback dazu oder gute Cigarren, bleibt so sitzen, bis es Abend wird, zieht dann die dicken Strümpfe aus und hat zweihundert Thaler darin. – „Aber das machen Sie mir erst ’mal hübsch vor!“ wird der geneigte Leser ausrufen, ehe er an diese mysteriöse Arbeit geht. Nun, hier ist das Recept.

Die californische Zeitung: „San Joaquin Republican“ vom 23. Jui sagt in einer Correspondenz: „Hier am Fraser-Flusse (im neuen Goldlande) kann Jeder täglich 150 Dollars durch Nichtsthun machen. Der Fluß enthält ungemein viel aufgelöstes Gold. So braucht man sich nur ein paar Strümpfe von Schaffell zu machen, die Wolle über Nacht mit Quecksilber zu sättigen, die Strümpfe mit der Wolle nach außen anzuziehen und die Füße den Tag über in’s Wasser zu halten. Abends schüttelt man die Strümpfe aus und für 150 Dollars Gold fällt heraus. Nur muß man eine Stromschnelle oder einen Wasserfall wählen und die Füße ganz steif und unbeweglich halten, um vollkommen erfolgssicher zu sein.“

Da haben wir’s. Ob’s nicht auch ginge, wenn man die Schafsstrümpfe ohne bewegliche Füße (die sich doch nicht bewegen dürfen) hineinhielte? Man könnte es sich dann jedenfalls noch bequemer machen und vier, sechs bis zwanzig Paar Schafsstrümpfe ohne lebendige Beine in’s Wasser stecken, um Abends von einem Diener mit Goldtressen Hunderte und Tausende von Dollars herausschütteln zu lassen.


Glück. Obgleich Acte besonderer Generosität eigentlich das traditionelle Vorrecht der reisenden Lords sind, scheinen jetzt die Russen ihnen den Rang streitig machen zu wollen, und wenn früher in allen schweizer Gasthöfen bis zur elendesten Berghütte herab die besten Räume und Comforts für Albions Kinder aufbewahrt blieben, so werden sie jetzt dies System auf „die Barbaren des Nordens“ anwenden. Und man kann es ihnen nach folgender Thatsache auch gar nicht verdenken.

Wer, der je den Genfersee geschaut. kennte nicht das Hôtel des trois couronnes, vulgo Hôtel Monnet genannt, in dem reizend gelegenen Vevay? Es wird mit Recht als ein Muster seines Gleichen gepriesen, und wer darin gewohnt, denkt sicher mit Behagen daran zurück und erinnert sich gern des braven, freundlichen Besitzers, der dieses Etablissement ohne eigene Mittel gegründet und zu solch’ europäischem Rufe gebracht hat.

Dort logirte vor etwa einem Jahre ein reicher Russe und fand an dem ihn empfangenden Oberkellner, einem Frankfurter Kinde, ein besonderes Wohlgefallen; ja, seine Zuneigung stieg so weit, daß er den jungen Mann um seine Aussichten und Pläne für die Zukunft fragte. Diese waren so bescheidener Natur, daß er die Frage seines Gönners: „Ob er nicht gern dies Hotel übernehmen würde?“ für einen Scherz nahm.

Aber der Russe meinte es anders; nach Jahresfrist kehrte er nach Vevay zurück, hat das große Etablissement für 1,250,000 Fr. gekauft und unter bestimmten, sehr günstigen Bedingungen dem glücklichen Oberkellner übergeben, der es hoffentlich eben so gut verwalten wird, als der Gründer desselben, welcher der behaglichsten Ruhe genießt.


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 596. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_596.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)