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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

große Garten wurde von seinem feinen Kunstsinne auf’s Reizendste ausgeschmückt; er häufte auf dieses kleine Stück Erde alle Gaben und Mittel eines raffinirten Lebensgenusses in der edelsten Bedeutung, wie ihn das achtzehnte Jahrhundert in den ambraduftenden Kreisen der höhern Gesellschaft feinster Blüthe zur Erscheinung brachte. Der stets siegreiche Held in Cupido’s heitern Schlachten, der seine Siegestrophäen über schöne und zärtliche Herzen nicht zusammenzählen konnte, wurde nun von den keuschen Strahlen jenes unvergleichlichen Doppelsternes, – der Herzogin Louise Dorothee und der Frau von Buchwald[1] – der den Hof, die Stadt und das Land Gotha mit mildem Glanze erfüllte, gefesselt.

Als die Rosen von Gotters genußreicher Jugend abgeblüht waren, und in einer Lebensperiode, wo das Herz anderer Männer, die sich Haupt und Becher mit Blumen zu kränzen und den Glanz derselben in schönen Augen widerstrahlen zu sehen lieben, kälter zu schlagen beginnt, ging in dem seinigen das erhabene Bedürfniß einer geistigen Liebe auf, und er beugte sich still anbetend vor dem Altar, auf welchem weder die Flamme wilder Leidenschaft, noch das Plaisanteriefeuer parfümirter Cupidität und zärtlicher Accommodation brannte, wo vielmehr der ätherische Strahl des durchgeisteten sittlichen Frauenthums leuchtete.

Genug, mit den Schätzen, die ihm die ebenfalls in ihn verliebte und ihn auch

Molsdorf.

hier rastlos verfolgende Glücksgöttin zweimal durch das große Loos der Staatslotterien in London und im Haag zuwarf, machte er aus Molsdorf einen Feensitz, um die Herzogin und ihre Doppelgängerin zuweilen hineinzuführen, den beiden hohen Damen sinnige Feste zu geben und ihnen auf diese ausgesuchte Weise seine Huldigung darzubringen. Was der feinste Luxus in den höchsten Regionen Köstliches und Seltenes darbot, das stellte Gotter in seinem Molsdorf auf, gleichsam als Zeichen und Tribut seiner der edlen Herzogin geweihten schwärmerischen Ehrfurcht.

Auch erkaufte er von den Brüdern des regierenden Herzogs das Rittergut zu Dietendorf in der Nähe Molsdorfs, der Altenhof genannt, und wollte 1737 darin eine Fabrik von wollenen Zeugen errichten. Es wurde aber nichts daraus, und Gotter verkaufte das Gut an einen Grafen Promnitz aus Schlesien, einen eifrigen Herrnhuter, der hier eine Brüdercolonie zu gründen gedachte und damit 1743 den Anfang machte. Die gothaische Regierung hinderte damals die Ausführung dieses Planes, der erst zwölf Jahre später gedieh und die Erbauung des Ortes veranlaßte, welcher, von den Brüdern Gnadenthal, von den Dietendörfern und der Umgegend Neugottern genannt, seinen jetzigen Namen Neudietendorf 1764 von der Regierung bei Ertheilung der landesherrlichen Concession erhielt. Der Name Gnadenthal sollte durchaus nicht geduldet werden, und er hat sich gänzlich verloren, weil er nicht im Herzen des Volks wurzelte; den Namen Neugottern hört man aber jetzt noch.

Noch stärker ist die Erinnerung an Gotter in Molsdorf; an diese seine phantastisch-prächtige Schöpfung hat er seinen Namen für Jahrhunderte gekettet. Oft sieht man dort sein Wappen und seinen verschlungenen Namenszug, sogar auf den Möbeln, die noch von ihm herrühren.

Sobald Friedrich der Zweite den preußischen Königsthron bestiegen hatte, rief er den Baron Gotter in den activen Staatsdienst zurück. Gotter gehorchte, wenn auch nicht gerade gern, und der junge König belohnte diesen Gehorsam mit der Oberhofmarschallswürde. Wenige Monate später erhob ihn der Kaiser in den Reichsgrafenstand, und Gotter nahm diese neue Würde mit Genehmigung des Königs, seines Herrn, an. Es war die letzte Standeserhöhung, welche Kaiser Karl VI. vornahm; denn er starb unmittelbar darauf. Dieser Todesfall veranlaßte den König, den Grafen Gotter mit der kitzligen Sendung an die junge Königin von Ungarn und Böhmen, Maria Theresia, zu betrauen, damit er ihr Vorschläge zu einem Abkommen in Bezug auf die vom König beanspruchten schleichen Gebietstheile mache. Die Wahl dieses außerordentlichen Gesandten zeugte vom Scharfsinne des Königs. Gotter war am Wiener Hofe immer noch ein beliebter Mann, und kein anderer preußischer Staatsbeamter durfte sich solcher intimen Verbindungen in der nächsten Nähe, der Königin-Erzherzogin rühmen, deren Kindheit er so nah gestanden hatte. Die Speculation war aber doch eine verfehlte; Gotter richtete nichts aus, und die abschlägliche Antwort, die er seinem königlichen Herrn zurückbrachte, veranlaßte bekanntlich den glorreichen ersten schlesischen Krieg.

Gotter blieb nun bis zum Jahre 1745 in Berlin, wo er nach der Wiederherstellung der königlichen Akademie der Wissenschaften (1743 und 1744) einer der vier Staatsminister und Curatoren war, welche halbjährig im Vorsitze wechselten.

Entweder hat ihn der König nachher vernachlässigt, und Gotter zog sich aus beleidigtem Stolze wieder nach Molsdorf zurück, oder die endlich wankende Gesundheit seines sonst so robusten Körpers nöthigte ihn zu der Bitte an den König, in Molsdorf wohnen zu dürfen. Der Monarch erfüllte seine Wünsche, und Graf Gotter durfte wieder fünf Jahre in seinem geliebten Patmos zubringen. Aber dieser Zeitraum genügte nicht zu seiner Wiederherstellung; seine Uebel scheinen sich sogar verschlimmert zu haben. Er nahm also seine Zuflucht zu einer Reise nach Montpellier, wie zu einem letzten Hülfsmittel, und dieses schlug über alle Erwartung gut an.

Nach einem Jahre (1751) kehrte er, an Leib und Seele gekräftigt und wieder mit der ganzen alten Lebhaftigkeit ausgestattet, zurück. Vom König gerufen, begab er sich nach Berlin, um neue Beweise der königlichen Gnade zu erleben. Er wurde mit hohen Würden und Aemtern überhäuft und sein Einkommen war ein sehr bedeutendes. Trotz all seiner einträglichen Aemter, die er bis an seinen Tod bekleidete, und trotz des zweimal gewonnenen großen Looses hinterließ er Schulden. Friedrich der Große sagte von ihm: es sei Alles möglich, nur nicht, den Grafen Gotter reich zu machen.

In den letzten fünfjährigen Aufenthalt Gotters in Molsdorf fällt seine Correspondenz mit dem Könige, welche in dessen von Preuß herausgegebenen Werken abgedruckt ist. Man ersieht daraus, daß Gotter wohl des Vertrauens seines Monarchen sich erfreute, doch schreibt dieser nicht in dem herzlichen Tone an ihn, dessen er sich gegen seine literarischen Freunde bediente. Wahrscheinlich datirt auch aus dieser Periode Friedrichs Epître au Comte Gotter (ebenfalls in den Oeuvres du Philosophe de Sans-Souci

  1. Den Lesern der Gartenl. aus Nr. 41. 42. des vor. Jahrg. bekannt.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_113.jpg&oldid=- (Version vom 22.2.2023)