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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Friction, wenn sie, sei sie auch noch so milde, Millionen Jahre fortdauert? Eben so gewiß Abnutzung, Abstutzung, Abreibung, Erzeugung von Staub, Sand, feinern und gröbern Trümmern, Abrundung der festen, Theile, Bildung von geschiebartigen Resten und endliche Darstellung von Kügelchen, – und nun haben wir Alles geradeso, wie wir es in den Steinmeteoriten vorfinden. Aber auch in den Eisenmeteoriten finden wir genug kugelige, cylindrische und konische Einflüsse von Schwefeleisen mit einem und mit zwei Atomen Schwefel, von Graphit etc., ausgezeichnet z. B. in Zacatecas, Ashville, Bohumiliz, Sevier, Seeläsgen, Cosby. Dieser Einwurf wäre also aus der Natur der Sache behoben.

„Wie aber soll solcher Gries, solches Reibsel, solche Kügelchen zusammenhalten und einen festen Stein ausmachen, da wir kein Bindemittel sehen?“ – Dem ist zunächst die Frage entgegenzustellen: wie halten denn so viele Gneise, Granite, Glimmerschiefer, Chloritschiefer, Talkschiefer, Thonschiefer und eine Menge anderer Gesteine, zwischen deren Theilchen man ebenfalls kein Bindemittel nachweisen kann, oft mit größter Festigkeit zusammen? Sehr viele davon sind mit den Händen zu zerbrechen, andere mit den Fingern zu zerbröckeln, viele nichts weniger als fest; so Alais, Kaba, Bishopville, Anmières, Benares, Loutelax, Mauerkirchen. Aber auch die festen sind meistens leicht zu zerschlagen. Endlich hat man einen schönen Versuch von Brokedon. Er zerpulperte Reißblei ganz fein, schüttete es in eine Röhre, brachte es unter die Luftpumpe und zog die Luft gänzlich aus. Nun ließ er einige schwere Schläge darauf fallen. Als er hierauf seine Gefäße öffnete und das Reißblei herausnahm, fand er das Pulver wieder so fest geworden, als dasselbe vor der Zertheilung gewesen war: es war wieder zu Stein geworden, man konnte es schneiden und sägen. Die bloße Zwischenschicht von Luft hindert die Adhäsion der Körper, die bei unendlich kleinem Abstande unendlich groß und zur Cohäsion der Materie wird. Nun befinden sich aber die Bestandtheile der Meteoriten im luftleeren Raume. Im Schwarmzustande sind sie zwar getrennt von einander, allein im Kerne sehen wir sie einander sich nähern; dort muß die Expansion der Attraction weichen; die Partikelchen, die Kügelchen, der Sand, der Staub kommen zusammen und wenn sie sich vereinigen, so werden sie durch die Kraft der Cohäsion zusammengehalten; sie werden, wenn sie in unsere Atmosphäre eintreten, Stein sein wie Brokedons Graphit, wie unsere Gebirgsbestandtheile durch vieltausendjährigen Druck und Auspressung der Luft. Bei vielen kommt noch das Eisen dazu, das nicht selten in eigenthümlicher Weise die steinige Substanz klammerartig zusammenhält und einem Cemente ähnlich sich eingelagert hat. In der That findet man, daß die Meteoriten um so zerbrechlicher und zerreiblicher sind, je weniger sie Gediegeneisen enthalten. So entsteht aus Trümmern und Staub ein Stein. Und diesem Steine kommt vollständige Analogie mit einem Meteoriten zu.

Wenn auf solche Weise im Kerne der Kometen ein festes Gebilde sich erzeugt, eine Steinmasse entsteht, so kann dies nur auf Kosten des Schweifes geschehen, der den Stoff dazu hergeben müßte; dieser müßte also allmählich kleiner werden. Es kann freilich etwas lange dauern, bis z. B. der zehn Millionen Meilen lange Schweif eines Kometen allen seinen Gries und Staub auf einen Fleck zusammenbringt. Allein in der That haben die Sternkundigen die Beobachtung gemacht, daß wiederkehrende Kometen, z. B. der Halley’sche, mit immer schwächeren Schweifen kommen, und schon Keppler glaubt, daß sie nach und nach verschwinden. Dies Abnehmen und Verschwinden ist aber offenbar nichts anderes, als daß sie sich nach und nach im Kerne aufwickeln und zu festen Gebilden verdichten, d. h. Meteoriten werden. Man gewahrt unter anderem Kometen mit zwei Kernen, ja mit deren drei oder vier. Das kann aber keinen Einwurf gegen unsere Berechnungen abgeben. Denn wir bekommen auch Meteoriten, die mehrzählig kommen und deren äußere Beschaffenheit Zeugniß davon ablegt, daß sie nicht erst jetzt durch Zerplatzen entstanden sind, sondern schon getheilt in die Atmosphäre eintraten. Uroberflächen wissen Meteoritenkenner von spätern Luftbruchflächen sehr wohl zu unterscheiden.

In vielen Meteoriten gewahrt man nicht blos Kügelchen mit ihrem Griese oder kleinere und größere Krystalltrümmer, wie z. B. in dem schönen Meteoriten von Hainholz zolllange Krystalle, sondern man findet ganze Stücke von andern Meteoriten, jedoch von meist ziemlich gleichartiger Beschaffenheit, in den Hauptmeteoriten eingelagert. So bei Stannern, Juvenas, Constantinopel, Dovoninsk, Agen, Lipenas, Weston u. a. m. Dazu muß man freilich etwas größere Exemplare besitzen und kann es an kleinen Fragmenten nicht wohl gewahren. Diese Trümmer zeigen, daß gleichzeitig mehrere Meteoriten erzeugt worden sein müssen, die sich dann während der Bildung mit einander verewigt, in einander hineingewoben, und daß so nicht nur mineralogisch-nähere Bestandtheile, sondern ganze schon zusammengesetzte Meteoriten sich in einander gefügt haben müssen. Aber auch diese Stücke erscheinen hierbei nicht krystallisch eckig, sondern ebenfalls abgerundet und abgerieben, wie die Trümmer, aus denen sie selbst bestehen. Dies zeigt, daß auch sie schon vor der Zusammenfügung zum Ganzen Reibungen erlitten haben müssen. Daraus entsteht dann die völlige Breccie, wie sie die meisten Meteoriten darstellen. Ja, es gibt solche, deren Trümmer ganz in dem Hauptmeteoriten gleichsam zerfließen und marmorige Zeichnungen darstellen, dergleichen Okaninach, Mainz, L’Aigle, Tipperary u. a. m. Es sind lauter offenbare Gewaltsamkeiten, die bei ihrer Erzeugung obgewaltet haben.

Den lautesten Beweis hiervon liefern endlich gewisse breite Streifen im Innern der Meteoriten, die fast allverbreitet in ihnen vorkommen. Es sind dies gewaltsam abgeriebene, unregelmäßige, meist krumme Flächen, die nach allen Richtungen in den Steinen vorkommen. Sie haben vollkommen das Ansehen, als ob ein Meteoritenstück am andern mit großer Gewalt sich langsam hingerieben hätte. Die Eisenpartikel erscheinen dabei gefletscht und flach hingetrieben. Beispiele hiervon geben besonders Lixna, Barbotan, Limerik, Ensisheim, Okaninach und viele andere. Alles dies sind greifbare Folgen der sichtbaren innern Bewegungen in den Kometen und ihren Kernen. Man hat gesagt, daß, wenn die Kometen mit den Meteoriten Verwandtschaft haben sollten, sie bei uns nur als geschmolzene Schlacken ankommen könnten. Denn bei ihrem Umlaufe um die Sonne kommen viele Kometen in ihrem Perihel dieser so nahe, daß, wenn sie feste Steine enthielten, diese in der Sonnennähe zusammenschmelzen müßten. Dies ist aber physikalisch nicht richtig. Sie bewegen sich im Weltraume bei einer Temperatur von 50 negativen Graden, also in einer fürchterlichen Kälte. Wenn sie nun auch von sehr heißen Sonnenstrahlen getroffen werden, so sind sie so klein und der umgebende Raum so kalt, daß man nachgewiesen hat, daß sie kaum Wassersiedhitze erlangen können und dies beschädigt die Constitution eines Aërolithen auf keine Weise.

Andererseits hat man gesagt, unsere Erde sei schon, und zwar vor wenigen Jahrzehnten, in der That durch einen Kometenschweif gegangen und zwar, ehe man den Kometen sah, der mehrere Zeit durch Wolken verdeckt war. Bestände nun der Schweif aus Staub, Gries und Kügelchen, so möchten diese keine geringe Unordnung bei uns hervorgebracht haben; kein Mensch habe aber von diesem Durchgange das Geringste gemerkt. Zum Glücke für die Astronomen habe man dies nicht vorher gewußt, sonst wäre schreckliche Angst vor Weltuntergang entstanden und die Sternenberechner nachher zum größten Gelächter geworden. Das ist Alles unrichtig. Die Durchsichtigkeit der Kometenschweife beweist genug, wie äußerst dünn und sparsam ihre Substanz sein muß, zumal in größerer Entfernung vom Kerne. Da müssen die Körperchen weit von einander abstehen und sehr klein sein. Gesetzt, sie wären noch immer so groß, als Mohnsamen, und es fiele da und dort ein solches Körnchen Jemandem auf den Hut oder unter die Gesellschaft in einer „Gartenlaube“, woran würde man dabei denken? Etwa an eine Störung im Sternenplane? Gewiß an gar nichts würde man dabei denken, man würde gar nicht darauf achten.

Es gebe aber auch Kometen ohne Schweif, wirft man ein. Darauf ist zu antworten, daß es auch Meteoriten ohne Kügelchen und ohne Gries gibt, und zwar sind dies die meisten Eisenmeteoriten. Dagegen gibt es auch Kometen ohne Kern. In diesen hat die Bildung des festen Meteoriten einfach noch gar nicht begonnen, sie sind noch leere Schwärme. Wenn ein Meteorit zur Erde niederkommt, so erscheint er am Boden ganz allein, und niemals hat man einen Schweif an einem wahrgenommen. Aber während ihres Durchzuges durch die obere Atmosphäre führen sie einen langen feurigen Schweif mit sich. Diesen hält man jedoch für nichts Anderes, als für die Schmelzproducte seines heftigen Brandes. Es können aber auch noch andere lockere Bestandtheile darunter sein, die in der Luft zurückbleiben, das wissen wir nicht.

Sieht man die Glanzerscheinung eines Kometen am Himmel, wie der jüngst gegenwärtig gewesene, mit seinem Schweife von vielen Millionen Meilen, so lang, als der Abstand der Erde von der Sonne weit ist, und vergleicht so ein kleines Ding damit, wie gewöhnlich die Meteoriten sind, so schrickt man vor der Vergleichung zurück. Aber auch das ist grundlos. So prachtvolle Gestirne, wie der Donatische Komet, sind eine große Seltenheit, gerade so selten, wie Meteoriten von einigen hundert Centnern Gewicht. Dagegen gibt es eine Menge sehr kleiner Kometen, täglich ziehen sie über den Himmelsbogen hin, sie sind aber häufig so winzig, daß man selbst mit Teleskopen sie nur mühsam entdeckt. Wie unzählig viele mögen so klein sein, daß man sie gar nie gewahr wird! So winzig zuletzt, daß sie auch mit unseren kleinen Meteoriten der Größe nach zusammenfallen. Die Verschiedenheiten, die man an den Kometen wahrnimmt, entsprechen vollkommen den Verschiedenheiten der Meteoriten unter sich. Von einer reinen Steinmasse beginnend bis zu einer reinen Metallmasse fortschreitend, gibt es weiße, graue, schwarze, grüne, braune, erdige und metallische Luftsteine, und wie ihre Farbe, so wechselt ihr Kern, ihre Härte, ihre Festigkeit, ihr Glanz, ihr Gemenge. So wenig ein Komet dem andern vollkommen gleich ist, ebenso stimmt von 150 Meteoriten, die wir haben, einer mit dem andern überein. Und ist er ihm auch im äußeren Ansehen zum Verwechseln ähnlich, so zeigt er doch gewiß in der chemischen Zerlegung noch erhebliche Unterschiede. Ueberraschend ist es aber gewiß, daß bis zur Stunde auch die schärfsten Nachforschungen in den Meteoriten keinen Grundstoff aufzufinden im Stande gewesen, der nicht auch schon bei uns auf der Erde vorräthig wäre. Sie bringen uns also aus der Schöpfung unermeßlichen Räumen nichts Neues, nichts Anderes, nichts Edleres mit, als bekannten alten Erdenkloß, und zeigen uns also bis zum Greifen mit der Hand, daß wir weithin nichts Anderes zu erwarten haben, als die irdischen Vollkommenheiten unserer besten Welt.

Nichtsdestoweniger bleibt ein Meteorit ein interessantes Wesen. Seine Mutter ist das Chaos. Seine Bestandtheile waren Zeuge des ersten Werdens der Dinge aus der Hand der Allmacht. Die Stoffatome in ihrem Urzustande, in weiter Verbreitung in unendlichen leeren Räumen schwebend, fügten sich zu der ersten Bildung, dem Triebe zur Krystallisation folgend. Sie vollzogen den ersten Act der Zuneigung, der Vereinigung, sie verbanden sich zu Molekeln, dann zu kleinsten Krystallen. So ein Körperchen, so ein kleines Kügelchen vom Durchmesser einer Linie – man kann es nicht betrachten, ohne von Schauer durchbebt zu werden – es ist ein Embryo zu einem Planeten, ein Weltenei. Aber nun fängt auch gleich der Weltschmerz an. Der Schwarm tritt in Bewegung, in Umlauf, in innere Umwälzungen, die nie endigen. Da reiben, stoßen und schädigen sich die feinen Gebilde, aus glänzenden Krystallgestalten werden Trümmer, Geschiebe, Knollen, Kügelchen, Gries und Staub. Auch diese streben zur Vereinigung, es schaaren sich Millionen kleine Individuen zu einem Kerne, es entsteht ein Kopf in dem Schwarme und ein Komet ist es, der am Firmamente dahinbraust. Der Schweif schwindet, der Kopf wächst, endlich haben Millionen Jahre Alles aufgerollt zu einem Meteoriten, der nun seinen Kreislauf im Sonnensystem in der Weise jedes andern Planeten fort und fort vollzieht, seinen ewigen Gesetzen gehorchend. Und wie die kleinen Partikelchen im Schwarme sich begegneten und sich vereinigten, so begegneten sich die Unzahl der Meteoriten in den Sonnenweiten und schaarten sich langsam, indem sie sich zu Planeten aufwickelten, erst zu kleinen Asteroiden, allmählich zu Mercuren, Erden, Marsen, Jupitern und zu deren Trabanten. Dieses Aufwickeln sehen wir noch heute fortgehen, und die jeden Tag fallenden Meteoriten sind nichts Anderes, als die Fortsetzung, der schwache Nachhall des großen Herganges der Planetenbildung aus diesen kleineren planetarischen Körpern. Unsere Kügelchen sind also die Elemente der Kometen; ein Komet ist ein im Werden begriffener Meteorit; ein Meteorit ist ein Weltsplitter zu einem Planeten; und wie die Planeten den Fixsternen gegenüber selbst wieder nur Splitter sind, so ist ihnen hierin ihr endliches Schicksal und damit das aller unserer Herrlichkeit deutlich genug vorgezeichnet.


Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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