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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Ochsenheimer bemerkte: „Hu, heute ist mit Franzl nicht gut Kirschen essen! Er hat ohne Zweifel Ihre Zweifel gegen den Baumeister gehört und hält es für vorlaut, einem Sachverständigen und Beamteten in Fachesangelegenheiten zu widersprechen.“ – – – – – – – Der Baumeister gab seine Idee der Steinzusammenfügung bald als unpraktisch auf und blieb bei der alten, auch viel wohlfeilern Weise, nachdem er dem Kaiser alle Gründe dafür auseinander gesetzt [und] von ihm die Schlußbemerkung empfangen hatte: „Schau der Herr, so geht’s halt gewöhnlich mit den Neuerungen, es kostet viel Zeit und Geld, und am Ende ist’s nichts damit.“

Erst nach einigen Jahren führte mich das Schicksal wieder Auge in Auge mit dem guten Kaiser zusammen. Fest hielt der Kaiser an dem schönen Gebrauch einer Audienz in jeder Woche, wozu Jedermann ohne Ausnahme vorgelassen wurde, der sich in das unter Aufsicht eines Officiers der Arcieregarde im Vorzimmer liegende Buch eingeschrieben hatte. Der Zutritt erfolgte hierauf, welches Namens und Standes auch die Bittsteller sein mochten, unverbrüchlich genau nach deren Reihenfolge im Audienzbuch. Zu Aufrechthaltung dieser Vorschrift erhielt der Kaiser jedesmal eine Abschrift dieser Reihenfolge der Bittsteller auf den Audienztisch, der sich, ähnlich einem Ladentische, durch das Zimmer zog.

Graf Ferd. Palffy bedurfte in Sachen seiner famosen Lotterieausspielung des Theaters an der Wien einer Audienz bei dem Kaiser, nicht um von diesem selbst einen Bescheid darauf zu erhalten, sondern damit sein Gesuch von Allerhöchstoben herab an die betreffende Behörde gelangen sollte. Gewöhnt, sich alles Unangenehme vom Hals zu schaffen, und wahrscheinlich in der Voraussicht einiger bittern Pillen von Seiten des Kaisers, bat er mich, unter dem Vorwande einer Unpäßlichkeit, für ihn zur Audienz zu gehen, instruirte mich über alles Nöthige und behändigte mir die Bittschrift. Wie bedenklich mir auch die Geschichte einerseits erschien, so sagte ich doch Ja, aus purer Neugierde, einmal Bekanntschaft mit einer solchen Audienz zu machen. Der Wachhabende nahm mich als Stellvertreter für den Grafen an, trug das Ereigniß in das Audienzbuch ein und bemerkte: „Ob es seiner kaiserlichen Majestät auch genehm erscheinen wird, weiß ich nicht, das ist nicht meine Sache. Sie kommen an die Reihe, sobald die Dame abgefertigt ist.“

Die alte Dame kam sehr heiter heraus, machte dem Wachhabenden einen zierlichen Knix und entfernte sich. Er forderte mich zum Eintreten mit den Worten auf: „Nun Glück auf! Die Alte war vergnügt; es scheint, daß da drinnen heute gutes Wetter ist.“ Ich trat ein. In Uniform stand der Kaiser hinter seinem Tisch, mit der Audienzliste vor den Augen und frug, ohne mich anzusehen:

„Wer ist der Herr?“

Ich nannte mich.

„Was ist das? der Herr steht ja gar nicht auf der Liste!“

„Ich erscheine für den Graf Ferd. Palffy, der sehr unpäßlich geworden ist.“

„Ich bin kein Doctor, er kann sich anderwärts curiren lassen. Was schafft der Graf?“

„Eurer kaiserlichen und königlichen Majestät überbringt er ehrfurchtsvoll diese Supplik mit der unterthänigsten Bitte, seiner Allerhuldreichst zu gedenken.“

„Wenn er es nur immer möglich machte, seiner allerhuldreichst zu gedenken; aber – nun, was will denn eigentlich diese Schrift?“

„In Betreff der beabsichtigten Ausspielung des Theaters an der Wien –“

„Ja, ich weiß schon, eine saubere Geschichte, da wird’s mit dem Allerhuldreichsten nicht viel werden! Uebrigens betrifft die Sache nicht den Grafen allein, sondern viele andere Leute sehr ernsthaft; darein habe ich also gar nichts zu reden, sondern meine Leute und meine Gesetze müssen sprechen, was das Recht hier erfordert.“ Die Schrift abnehmend und nebenan auf den Tisch legend, fuhr er fort: „Werde Alles besorgen; dem Grafen wünsche ich gute Besserung, Servus!“

Er nickte zum Abschied. Als ich den Rückzug geziemendst antrat, gebot er noch einmal Halt: „Apropos, wir haben uns schon einmal gesehen, erinnert sich der Herr noch?“

„Ja, Majestät.“

„Der Herr hatte damals zufällig Recht, aber ich hatte doch auch Recht: man muß über nichts reden, was man nicht versteht. Servus!“

Acht Tage danach erfolgte für des Grafen Plan die kaiserliche Genehmigung.

v. Biedenfeld.




Das Kind versteht es noch nicht. Das ist eine gewöhnliche Entschuldigung der Mütter, wenn man ihnen den Vorwurf macht, daß sie ihren Kindern allen Willen lassen und ihren Launen niemals eine Schranke setzen. Es ist eine unbestrittene Thatsache, daß gewöhnlich das erstgeborene oder das letzte Kind einer Familie, das sogenannte Nesthäkchen, verzogen werden. Man gibt dem Kinde jeden Gegenstand, auf den es mit den Fingerchen deutet und nach dem es Verlangen trägt, weil die Mutter sieht, daß ihr Kind dadurch ruhig und freundlich bleibt; ja es gibt Mütter, welche es als Sünde betrachten würden, wenn sie ihrem Sprößlinge nur das Geringste verweigern würden. Dadurch wird das Kind gewöhnt, jeden Wunsch erfüllt zu sehen, und geschieht dies nicht, so fängt es an zu weinen. Da nun viele Mütter ihre Kinder nicht weinen sehen können, bringen sie den verlangten Gegenstand, und das Kind beruhigt sich. Derlei Manöver wiederholen sich öfters, da sich das Kind nur zu gut gemerkt hat, daß es durch Schreien, Weinen oder durch Trotz alles erzwingen kann.

„Es darf der Laune des Kindes nach ungebundener Willkür niemals freier Lauf gelassen werden,“ sagt Professor Bock in seinem trefflichen Buche vom gesunden und kranken Menschen, „sondern es muß ein Gesetz beobachtet werden, nach welchem sich die vernünftige Gewährung des Einen und das Versagen des Andern richtet; dann wird das Kind nach und nach ein Gefühl vom Gesetz gewinnen, dem sich unterzuordnen Nothwendigkeit ist.“

Dieser wichtige Grundsatz jeder vernünftigen Kindererziehung wird nur selten beobachtet. Merken endlich die Mütter, daß das Kind boshaft und eigensinnig wird, so glauben sie durch harte Strafen und durch Schläge den bösen Samen ausrotten zu können, den sie selbst so fleißig gesäet; aber nun ist es freilich zu spät, und die Erfahrung beweist es, welchen Irrweg man gegangen und daß eine Einwirkung auf die Entwicklung des Kindes bereits stattfinde, ehe noch das Kind ein Bewußtsein vom sittlichen Werthe oder Unwerthe seiner Handlungen habe.

Wie oft hörte ich nicht von Müttern, denen ich ihr verfehltes Erziehungssystem vorstellte, folgende Worte: „Das Kind versteht es ja noch nicht. Wie soll denn das Kind schon so viel Verstand haben, als ein erwachsener Mensch? Das verliert sich alles mit den Jahren,“ und dergleichen Floskeln mehr. Mütter, welche so reden, bedenken nicht, daß die ersten Jahre des Kindes die entscheidendsten und wichtigsten für das ganze übrige Leben sind, und zeigen auf das Deutlichste, daß ihnen der wichtigste Factor eines Erziehers, zu welchem sie von der Natur aus für dieses Lebensalter des Kindes bestimmt sind, nämlich die genügende Bildung, mangle und daher die Erziehung der Kinder unter ihren Händen eine gänzlich verfehlte sein müsse.

Ein Kind, welches eine verfehlte Erziehung genossen und das nun die Eltern durch körperliche Züchtigungen bessern und, gut deutsch gesagt, ihr eigenes schlechtes Erziehungssystem aus dem Kinde herausprügeln wollen, ein solches Kind wird nur in den seltensten Fällen jene eingeimpften Fehler ablegen, meistens aber wird durch Schläge nichts erreicht, vielmehr die Bosheit, Heimtücke und Halsstarrigkeit des Kindes befördert, da ein Kind, das im vierten Jahre nicht auf die Worte der Eltern horcht und ihnen Gehorsam leistet, gewiß als verfehlt erzogen betrachtet werden kann. Mögen die deutschen Mütter durch diese wenigen Worte auf ein Erziehungsmaxim aufmerksam gemacht werden, das, so unbedeutend es ihnen auch erscheinen mag, doch so gewichtige und unheilvolle Folgen nicht nur für das Kind selbst, sondern auch für die menschliche Gesellschaft mit sich bringt, welche berechtigt ist, von den Eltern eine derartige Kindererziehung zu fordern, welche die nöthige Bürgschaft gibt, daß der Nachwuchs auf geeignetste Weise herangezogen werde, um als kräftige Stütze des Staatslebens dazustehen. Letzteres aber wird geschehen, wenn die Bildung überhaupt nicht blos Einzelngut der Gelehrten, sondern Gemeingut sein wird des gesammten deutschen Volkes!

F. S.




Gerstäcker. Nachdem der berühmte Reisende neulich in der „Allgemeinen Zeitung“ wieder das erste Lebenszeichen von sich gegeben, erhalten wir von der Gattin unseres Freundes noch einige nähere Mittheilungen: Nach sehr glücklicher Fahrt ist Gerstäcker am 16. Juni in Esmeralda in Ecuador gelandet, und von dort aus gleich in das Innere des Landes den Paylon hinaufgegangen (woselbst er eine äußerst interessante Nacht zugebracht hat, die er für die Gartenlaube bearbeiten wird), um dort eine neue Ansiedelung gründen zu helfen. Der überwältigende Eindruck der großartigen Natur so wohl, wie die verschiedenen lebenden Sprachen, in denen er fortwährend Rede und Antwort geben muß, beschäftigen ihn augenblicklich noch so angestrengt, daß er nur kurze Mittheilungen an seine Familie zu schreiben vermag. Er sammelt aber reichlich und führt ein sehr interessantes Leben. Gesund war er vollkommen, trotzdem daß das kalte Fieber dort herrscht und es „sehr heiß“ ist. Vor Monat October dürften schwerlich ausführliche Nachrichten in Deutschland eintreffen. Von Ecuador aus wird Gerstäcker nach Lima gehen, und von da durch die La Platastaaten.


Bei Ernst Keil in Leipzig erschien:

Gedichte.
Von Albert Traeger.
Elegant cart. 221/2 Ngr„ prachtvoll geb. 1 Thlr.

Albert Traeger, den Lesern der Gartenlaube durch seine Beiträge, namentlich durch die ebenso sinnigen, wie tiefgefühlten Lieder: „Wenn Du noch eine Heimath hast – Das Mutterherz – Wie stirbt es schön sich in der Kindheit Tagen – Wenn Dich die Welt an’s Kreuz geschlagen“ etc. etc. hinlänglich bekannt, bietet in seinen gesammelten Gedichten noch viele schöne Gaben, die sich durch Tiefe des Gemüths und eine edle vollendete Form auszeichnen.


Antwort auf vielfache Anfragen.

Von den frühern Jahrgängen der „Gartenlaube“ sind nur die Jahrgänge 1855 bis 1859 noch complet auf Lager und können durch jede Buchhandlung oder Postamt broschirt à 2 Thlr., gebunden à 2 Thlr. 20 Ngr., bezogen werden. Ebenso werden einzelne Hefte und Quartale auf Verlangen jederzeit à 5 und 15 Ngr. nachgeliefert. Vom Jahrgang 1853 und 1854 sind nur noch einzelne Hefte oder Nummern vorhanden.

Die Verlagshandlung. 

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 560. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_560.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)