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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

den Genuß des Mondscheines in warmen Sommernächten stört und einen eklen Knoblauchgeruch um sich verbreitet? Der Sachsenhäuser erschöpft allen Abscheu, den er in Ausdruck, Stimme und Ton zu legen fähig ist, wenn er zu einem Gegner: „Du Krott!“ sagt.

Vor einiger Zeit machte eine Notiz Aufsehen, die durch alle Tagesblätter lief. Ein beträchtlicher Handel, hieß es, werde von Frankreich nach England mit Kröten getrieben. Man bezahle in London für eine kräftige ausgewachsene Kröte von guter Gesundheit bis zu einem Schilling – ein Pfund für das Dutzend, und setze diese Kröten in die Londoner Gärten, wo man ihnen eigene Schlupfwinkel zurichte. Es gab nicht Wenige, die über diese neue Bizarrerie der englischen Gärtner die Köpfe schüttelten. Die Engländer haben Recht. Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Aber es ist nicht so leicht wider den Stachel zu löken. Ich hatte eine faustgroße, braune Kröte in meinem Garten, die Abends aus einem Gebüsche unter einer Mondscheinbank hervorkroch und über deren Geschick ich sorglich wachte. Ein weibliches Wesen, das sie einst gewahrte, zerhieb sie mit dem Spaten und glaubte eine gute That verrichtet zu haben. Die Schnecken aber fraßen die Reseda’s, die bis dahin so wohlriechend vor der Bank geduftet hatten.

Was hat man den armen Kriechern nicht Alles angedichtet! Die Erzählung im Decamerone des Boccaccio, in welcher zwei Liebende durch die Ausdünstung einer großen Kröte getödtet werden, die unter dem Salbeibusche sitzt, an dem sie sich getroffen haben, ist nur ein schwaches Spiegelbild dessen, was man den Kröten zumuthet.

Es ist wahr, daß die meisten Arten, besonders die große braune Gartenkröte (Bufo vulgaris), sowie die grüne Knoblauchskröte (Bufo calamita) eine warzige, dick mit Drüsen besetzte Haut besitzen, welche einen weißlichen scharfen Saft absondert, der besonders bei der letztgenannten sehr scharf und unangenehm riecht, vielleicht auch eine zarte Haut ein wenig zu röthen im Stande ist. Vögel, denen man diesen scharfen Saft einimpfte, starben nach kurzer Zeit unter Zuckungen. Auch der Geschmack scheint nicht besonders angenehm; wenigstens schonen manche Thiere, die Frösche fressen, die Kröten oder verzehren sie wenigstens nicht. Aber gefährlich und giftig ist dieser Saft für den Menschen nicht. Ich habe manche Kröte lebendig zu Versuchen geöffnet und längere Zeit in den Händen gehabt und habe nie auch nur Röthung an den Händen gesehen oder Brennen gespürt. Die Hautabsonderung ist, wie die des Salamanders, scharf und unangenehm, aber schädlich kann sie den Menschen nicht werden.

In den „Lehren der Weisheit und Tugend“, die wir als Knaben auswendig lernen mußten, stand auch die berühmte Fabel (von Lichtwehr, wenn ich nicht irre) von dem Johanniswürmchen und der Kröte, die „all’ ihr Gift nach ihm spritzt“. Die Kröten spritzen also Gift! Sie spritzen in der That manchmal, wenn man sie ängstigt, eine klare wasserhelle Flüssigkeit aus dem After. Die Frösche thun das auch, und kein Mensch hält sie deshalb für giftig. Es ist fast reines Wasser, welches die Thiere auf diese Weise aus einer sogenannten Harnblase von sich geben, und von Gift ist gar keine Rede.

Der Biß der Kröten ist entsetzlich giftig! Wir wollen das glauben, sobald wir eine Bißwunde von einer Kröte gesehen haben. Die Kiefer aber sind durchaus zahnlos, mit weicher Haut überzogen, nicht einmal hart, hornig und scharf, wie ein Vogel- oder Schildkrötenschnabel, und so dünn und so schwach! Eine Kröte kann bei Weitem nicht einmal so stark mit diesen Kiefern klemmen, wie ein neugeborenes Kind mit seinen zahnlosen Kinnladen, das kaum Kraft hat, die Brustwarze seiner Mutter fest genug zum Saugen zu umfassen. Sage doch Einer, daß ein wenig Tage alter Säugling auf’s Blut beißen könne.

Gut – so beißen sie nicht! Aber sie saugen den Ziegen und Kühen im Stalle die Milch aus, und ihr Speichel legt durch seine giftige Wirkung die Thiere trocken!

Speichel? Sie haben kaum solchen, und saugen können die Kröten eben so wenig als die Frösche. Der Bau ihres Maules erlaubt es nicht.

Wahrlich, alle diese Anschuldigungen sind eitel Dunst und Verleumdung. Sehen wir davon ab und gehen wir auf den Grund, indem wir einsehen, daß ein nächtliches Thier von abschreckender Häßlichkeit, unheimlicher Lebensart, unangenehmem Geruche nothwendig alle Vorurtheile auf sein Haupt sammeln muß.

Fragen wir aber die Beobachtung, die nüchterne Beobachtung, und unser Abscheu wird sich wenigstens in Duldung verwandeln. Wir sehen nun ein Thier, das mit dem Sinken der Nacht, besonders bei feuchtem Wetter und Regen, seinen dunklen Schlupfwinkel verläßt und langsam, halb hüpfend, halb schlurrend, spähenden Auges in Feld und Garten am Boden schleicht. Es kann außerordentlich lange hungern und dabei fast zur Mumie eintrocknen – es kann große Mahlzeiten zu sich nehmen und fast übermäßig fressen. Aber nie wird man etwas Anderes in seinem Magen finden als unverdaute Reste von Insecten, von Käfern, Larven und Würmern, vor Allem aber von nackten Gartenschnecken. Davon vertilgt eine Kröte so bedeutende Mengen, daß man keinen besseren Hüter der zarten Salatpflanzen, der jungen Gemüse finden kann. Wenn Nacht und Feuchtigkeit die Schnecken aus dem Boden hervorlocken, dann beginnt auch die Kröte ihre langsame, aber sicher schleichende Jagd, die erst mit dem Sonnenlichte aufhört. Sie hat nur ein kleines Revier, dies aber begeht sie auch gründlich und lernt es um so besser kennen, als ein langes Leben sie befähigt, es Jahre lang zu durchstreifen.

Die englischen Gemüsegärtner haben sich dies zu Nutze gemacht. Die Naturforscher haben schon seit Jahrzehnten die Unschädlichkeit der Kröten gepredigt, aber man hörte sie nicht. Cuvier schon sagte vor fünfzig Jahren: „Die Kröten sind Thiere von häßlicher, ekelhafter Gestalt, die man aber mit Unrecht anklagt, durch ihren Speichel, ihren Biß, ihren Harn und selbst durch ihre Hautausdünstung giftig wirken zu können.“ Jetzt, wo die Engländer in Mißachtung historisch angewachsener Vorurtheile vorangegangen sind, werden andere Länder vielleicht ihrem Beispiele folgen. Man wird finden, daß die Kröten höchst nützliche Thiere sind, daß sie kein Gift bereiten und daß man sie auch nicht vor Spinnen zu hüten braucht, unter deren Geweben sie platzen sollen, wenn sie darunter wegkriechen. Man wird sich überzeugen, daß ein Garten, in dem Kröten, Blindschleichen und Maulwürfe hausen, weit mehr Gemüse bringt, als ein anderer, in welchem man alle diese Schleicher und Wühler sorglich entfernt hat, und man wird sich freuen, Kröten Jahre hindurch zu hegen und am Ende zu freundlich zahmen Hausthieren werden zu sehen.

In der That gewöhnen sich die Kröten an den Menschen und scheinen zarten Gefühlen nicht unzugänglich. Man kennt Beispiele, die den alten Volksmärchen entnommen scheinen, wo eine bejahrte Kröte, die schon seit dreißig Jahren unter einer Treppe hauste, jedesmal hervorkam, wenn die Familie zu Nacht speiste, um wie Hund und Katze ihren Theil mit zu haben, und wo die Familie trauerte, als ein Unglücksfall ihrer Hausunke das Leben raubte. Einige meiner Freunde behaupten, nach Wohlthaten, die sie einer Kröte bezeigt, ganz auffallende Beweise von Dankbarkeit von dem häßlichen Thiere erhalten zu haben. Ein Capitain Percy, der sich ein Nachkomme des Heißsporn rühmte, erzählte, daß er auf einer Reise in das Innere von Sicilien eine Schlange am Wege gefunden habe, die im Begriffe stand, eine Kröte zu verschlingen. Er erschlug die Schlange – die Kröte schlich davon. Sechs Tage darauf kehrte er Abends auf dem nämlichen Weg zu Esel zurück. Plötzlich patscht etwas auf seinen Schenkel – es war seine Kröte, die ihm auf diese Weise ihre Dankbarkeit bezeigen wollte und ihn ganz gewiß erkannt hatte.

„Aber, Capitain, wie konnten Sie denn erkennen, daß es gerade die Kröte war, die Sie gerettet hatten? Eine Kröte sieht ja der andern gleich, wie ein Ei dem andern!“

„Das ist wahr,“ antwortete der Capitain. „Aber sie hat mich mit so dankbaren Augen angeguckt, daß ich an ihrer Identität gar nicht zweifeln konnte!“

Wer aber noch zweifeln wollte, daß es unter den verrufenen Kröten auch empfehlenswerthe Vorbilder zärtlicher Tugend geben könne, dem will ich die Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans) in das Gedächtniß zurückrufen. Das Weibchen legt eine Eierschnur mit dichter Hülle, die allmählich zu einer kautschukähnlichen Masse sich verdichtet. Das Männchen hilft diese Eierschnur zu Tage fördern und wickelt sie sich in Achtertouren um die Schenkel. Dann verbirgt es sich mit seiner Bürde oft mehrere Fuß tief in feuchtem Mergel und sitzt nun Wochen lang ohne Nahrung in dem finstern Loche, um die Eier reifen zu lassen. Erst wenn die Larven so weit entwickelt sind, daß sie selbstständig leben können, verläßt es seine Brutstätte und sucht den nächsten Tümpel auf, um darin die

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 394. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_394.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)