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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

erwarteten. Wir hatten dem Director der Bank versprochen, unser Möglichstes zu thun, aber die Vertheidigung brachte Zeugen, die uns zwangen, ein nolle prosequi einzureichen.“

„Das muß besonders zugehen, wenn Mr. Sharp einen Angeklagten aus seinen Klauen läßt, zumal wenn er einem reichen Bankdirector dabei gefällig sein kann!“ bemerkte Cox.

„Hole der Teufel Mr. St., den Bankdirector! Hätte die Sache ruhen lassen sollen, wenn er selbst faule Fische hat. Aber wer hätte das ahnen können! habe ich doch selbst bei Douglas und Co. nachgefragt, ob die Bank solvent sei und keine Ursache habe, zweideutige Operationen zu treiben. Ich selbst habe in den Büchern nachgesehen, denn Sie wissen, daß ich so hin und wieder der geheimen Agentur kleine Dienste erweise. Die Auskunft war vollständig günstig.“

„Nun, wie ging denn das zu? Sollten sich der schlaue St. und seine Collegen wirklich die Finger verbrannt haben?“ fragte Cox, Sharp erstaunt ansehend.

„Ei, das hat wohl Nichts zu sagen; die haben großen Einfluß, und die Staatsanwaltschaft wird sie nicht beißen. Doch ehe ich den ganzen Hergang erzähle, erlauben Sie wohl, daß ich mich setze.“ Nachdem Mr. Sharp Platz genommen, fuhr er fort:

„Sie wissen, die Bank gab vor anderthalb Jahren neue Fünfdollarnoten aus, und der Graveur, welcher heute auf der Anklagebank saß, war der Verfertiger; die Noten waren vorzüglich gestochen und machten ihm Ehre. Da kam vor ungefähr sechs Monaten der alte St., der Bankpräsident, mit der Platte zu ihm und trug ihm auf, eine kleine Veränderung daran vorzunehmen, welche aber nur für die Beamten der Bank erkennbar sein sollte. An dem Buchstaben k, am Schlusse des Wortes „Bank“, sollte er ein unmerkliches Häkchen anbringen. Die von der veränderten Platte abgezogenen Noten sollten eine neue Serie zur bessern Controle der Ausgabe bilden. Smithson, der Graveur, unterzog sich der Aufgabe, obgleich er Verdacht schöpfte und seine Maßregeln danach traf. Indessen, da er doch nächstens nach Californien gehen wollte, erfüllte er den Auftrag, und die Bank soll für 100,000 Dollars von der veränderten Platte abgezogen und als gut ausgegeben haben. Vor drei Monaten erklärte man nun diese neuen Noten als gefälschte und weigerte sich dieselben einzulösen. Sicherlich hat die Nachricht von Smithson’s Tode, der nach seiner Ankunft in St. Francisco erfolgt sein sollte, dazu beigetragen, die Bank zu diesem Schritte zu verleiten. Die Detectives (geheimen Polizisten) wurden nun auf die Beine gebracht, eben weil man erwartete, daß jede Spur verwischt sei. Da fügt es sich so, daß der todtgeglaubte Smithson plötzlich zurückkommt. Er hatte nur am Panamafieber hart darniedergelegen, und die Aerzte dort hatten ihm gerathen, des Klimas wegen eiligst nach den Vereinigten Staaten zurückzukehren. Die Detectives arretiren seine Person und finden in seinem Gepäck einige Abzüge von der veränderten Platte, Beweis genug, um ihn in den Anklagestand zu setzen. Was sollte nun das Bankdirectorium thun? – Die erschwindelten 100,000 Dollars wieder verlieren, oder Smithson auf das Schärfste verfolgen? Sie kennen den alten Heuchler St., Cox, also werden Sie sich nicht wundern, wenn er das Letzte wählte. Vor der grand jury (Voruntersuchungs-Gericht) schwur er Stein und Bein gegen den Graveur und von der in seinem Auftrage erfolgten Abänderung der Platte hütete er sich wohl ein Wort zu sagen. Wer konnte anders der Schuldige sein als Smithson? und so thaten wir in der Staatsanwaltschaft unser Bestes, um ihn zu überführen, obgleich ich von Anfang an ahnte, daß falsches Spiel dahinter stecke. Schon glaubten wir ihn fest zu haben und so den alten St. und die Bank uns zu verpflichten, als durch unantastbare Zeugenaussagen die obenerwähnten Umstände zum Vorschein kamen.“

„Aber wie ging das zu?“ fragte Cox, „bei solchen Geschäftstransactionen pflegt man doch keine Zeugen zu haben, und der alte St. ist ein schlauer Fuchs.“

„Selbst der schlaueste Fuchs geht zuweilen in die Falle,“ bemerkte Sharp. „Sie müssen nämlich wissen, daß der alte St. so ziemlich taub ist, so daß man ihm in die Ohren schreien muß, um sich ihm verständlich zu machen. Diesen Umstand hatte Smithson benutzt und bei der Uebergabe der veränderten Platte und der Probeabzüge zwei Zeugen in das Nebenzimmer gestellt, die natürlich bei der lauten, im schreienden Tone geführten Unterhaltung jedes Wort verstanden. Es waren die beiden Deutschen, die unter seinem frühern Atelier einen Gewürzladen halten. Diesen Rath hatte ihm sein Freund, der junge Rechtsgelehrte George C. gegeben, als Smithson ihn über den kitzligen Auftrag zu Rathe zog, und das Datum des betreffenden Tages, wie die Stunde der Abgabe der Platte wurde genau markirt. Nicht blos die beiden Deutschen gaben ein vollständiges Entlastungszeugniß ab, sondern auch George C. selbst ließ sich als Zeuge einschwören, so daß die Staatsanwaltschaft gezwungen wurde, die Anklage fallen zu lassen.“

„Und nun wird Smithson den Spieß umdrehen und gegen die Bank klagen!“ meinte Cox.

„Das hat gute Wege, Freundchen, das corpus delicti, die veränderte Platte, wird schon verschwunden sein, da sie im Besitze von St. ist, und wer kann behaupten, daß die von der Bank für Counterfeit erklärten Fünf-Dollarnoten wirkliche Abzüge sind? Außerdem, wie kann ein armer Graveur gegen so einflußreiche Leute auftreten, zumal wenn wir es nicht wollen? Indessen dafür will ich schon sorgen, daß der Fall dem alten St. ein theurer Spaß wird. Sie wissen, Cox, daß solche Leute zuweilen sehr freigebig sind, wenn die Behörde zur rechten Zeit an Augenschmerzen leidet.“

„Also Sie fragten, bevor Sie den Fall in die Hand nahmen, bei Douglas und Co. nach, wie es eigentlich mit der Bank stände,“ bemerkte Cox, „und man sagte Ihnen Nichts von einer etwaigen betrügerischen Ausgabe von Noten?“

„Sir,“ lächelte Sharp listig, „Sie begreifen noch nicht die Politik der geheimen Agentur. Eben weil man wußte, daß die Bank durch die veränderte Platte 100,000 Dollars verdient hatte, gab man ihr ein günstiges Zeugniß.“

„Gott verdamme mich, das ist schlau,“ rief Cox und riß die Augen weit auf, „bei Douglas und Co. möchte ich wohl noch in die Schule gehen.“

Sharp stand bei diesen Worten auf, schaute aus der Office in den dunkeln Laden hinaus und fragte: „Sind wir ganz allein, Cox? Ist kein Lauscher da? Sie wissen, ich hatte versprochen, Ihnen heute Abend eine wichtige Mittheilung zu machen.“

„Mutterseelenallein, ich habe den Porter und die Clerks wie gewöhnlich um 6 Uhr nach Hause geschickt, und Hargrave ist mit seiner Frau ausgefahren, wird uns daher nicht überraschen. Lassen Sie hören!“

„Nun,“ sagte Sharp, „Douglas und Co. brauchen einen tüchtigen Unteragenten, der die Stadt L. hier genau kennt. Sie wissen, daß ich die Bücher der Recordersoffice (Registratur) regelmäßig für die Agentur nachsehe, und so habe ich bei derselben ein klein wenig Einfluß. Ich habe Sie daher als Vertrauensmann vorgeschlagen, und man hat mich beauftragt, mit Ihnen zu sprechen. Zugleich muß ich aber erklären, daß ich heute noch ein Probestück von Ihnen verlange, falls Sie darauf eingehen. Ich will Sie nicht überreden, das sei ferne von mir, aber ein so tüchtiger Geschäftsmann, wie Mr. Cox, verdient eine bessere Situation, als diese schlechte Buchhalterstelle.“

Cox, der diesen Antrag erwartet hatte, machte nichts desto weniger ein erstauntes Gesicht. „Also, Sie meinen, Sharp,“ sprach er, „daß ich einen guten Agenten abgeben würde? Was ist das aber für ein Probestück, wovon Sie sprechen?“

„Nichts Uebermäßiges,“ sagte Sharp, „wir verlangen Auskunft über Ihren Principal. Jones und Co. in New-York haben angefragt, ebenso ein Philadelphiahaus, das Sie als Buchhalter des Geschäfts wohl kennen werden.“

„O, Sie meinen George Bingham!“ unterbrach Cox, „wir schulden dem für 15,000 Dollars Farbewaaren, und Jones und Co. haben Noten im Betrage von 9000 Doll. von uns in den Händen.“

Sharp nahm eine Brieftafel heraus, um Notizen zu machen. „Es steht wohl überhaupt nicht besonders mit Hargrave?“ fuhr er fort, „heraus mit der Sprache! kein Mensch erfährt ein sterbendes Wörtchen davon. Hargrave selbst wird mit seinem Namen nicht in das Hauptbuch eingetragen, sondern nur unter einer bestimmten Nummer, zu der blos der Hauptagent den Schlüssel hat.“

Cox, der im Grunde seines Herzens den Principal haßte, dabei noch, wie oben angedeutet, für dessen Frau eine unreine Leidenschaft im Busen trug, versuchte zu erröthen, es gelang ihm aber nicht; dann sagte er zögernd: „Hargrave hat bis jetzt guten Credit im Osten gehabt, ist aber selbst sehr leichtsinnig im Creditgeben (Cox verleitete ihn dazu), so daß wir viele Außenstände in Missouri, Iowa, Wisconsin und Minnesota haben, die schwer collectirt werden

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 634. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_634.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)