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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

als Rächer seines Geschlechts gegen Karl von Anjou aufzutreten und nicht nur in Italien, sondern auch in dem zerrütteten Deutschland die Fahne der Hohenstaufen hoch zu halten. Dieser Gedanke, zu dessen Ausführung vor allen seine Freiheit gehörte, ließ ihn nicht mehr schlafen, und er fand erst einige Ruhe, als er Asinelli seinen Kummer, seine Sehnsucht und seine Plane mitgetheilt hatte. Dieser war sogleich bereit, ihm behülflich zu sein, wenn sich ein passendes Rettungsmittel zeige. Beide Freunde sprachen nur noch von ihren Planen, und Enzio verhieß seinem treuen Pylades für den Fall des Gelingens Ruhm und Glück in Fülle. Es war freilich äußerst schwer, die so fest verschlossenen Thore zu öffnen oder die aufgestellten Wächter zu täuschen. Nur durch eine sehr schlaue List konnte man die Erreichung dieses Zieles hoffen. Endlich glaubte Asinelli das Richtige gefunden zu haben, besprach sich mit Enzio und zog auch den edlen Rainerio Gonfalonieri aus Piacenza, welcher in Bologna die Rechte studirte und zu dem poetischen Cirkel Enzio’s gehörte, in’s Geheimniß. Lucia und ihrem indessen herangewachsenen Sohn verheimlichten sie den ganzen Plan, damit sie, falls er mißlinge, nicht gleichfalls in’s Verderben hineingezogen würden. Der Tag der Ausführung wurde festgesetzt.

König Enzio und Lucia Viadagola im Kerker.

Ein ehrlicher Küfer, Namens Filippo, welcher dem König zu seinen Banketen schon manches Faß Wein geliefert und das geleerte auf seinen Schultern wieder zurückgetragen hatte, kam, durch glänzende Versprechungen gewonnen, gegen Abend in den Palast, und während die etwas sorgloser gewordenen Zimmerwachen in Folge des gar zu köstlichen Weins verhindert waren, ihrer Pflicht obzuliegen, nahm er ein im Vorsaal stehendes leeres Faß und trug es auf seinen kräftigen Schultern zum Palast hinaus. Schon war er glücklich durch alle Wachen und Thore gekommen, schon sah man in der Ferne Rainerio mit den zur Flucht bereitstehenden Pferden, als ein des Weges herkommender Soldat zufällig seinen Blick auf das Faß warf und eine goldene Locke aus demselben hervorhängen sah. „Was ist das? Solche Locken hat nur König Enzio! König Enzio!“ rief er, „König Enzio!“ Die Wachen eilten herbei, Filippo wurde festgenommen, das Faß, welches von Asinelli nicht ganz vorsichtig zugemacht worden war, geöffnet und, wie man vermuthete, Enzio darin gefunden. Filippo und der gleichfalls ergriffene Rainerio wurden öffentlich hingerichtet, Asinelli entkam durch die Schnelligkeit seines Pferdes den Verfolgern, wurde aber unter Verlust seines Vermögens auf immer verbannt, der unglückliche König sofort in die engste und strengste Verwahrung gebracht und Niemand mehr zu ihm gelassen, auch nicht Lucia und ihr Sohn, welche übrigens, da keine Schuld auf sie fiel, unangefochten blieben. Wie streng man ihn hielt, kann man daraus sehen, daß er einmal den Wächtern, welche ihm nichts zu essen geben wollten, den Vorschlag machte, darum zu würfeln. Er gewann und bekam durch einen Scherz wenigstens die nöthige Nahrung. Aber seine Kraft war gebrochen; er fühlte bald, daß er nicht mehr lange zu leben habe. Da ließ er einen Notar kommen, dictirte ihm seinen letzten Willen, vermachte in seinem Testament die so viele Länder umfassenden Ansprüche der Hohenstaufen seinem Vetter, Alphons von Castilien, und seinem Neffen, Friedrich von Thüringen, welcher ein Sohn seiner Schwester Margaretha war, ersuchte sie, für seine Töchter zu sorgen, verzieh den Bolognesen alle Schuld, dankte ihnen, daß sie seine Aerzte besoldet hatten, und bat sie, ihn nicht an ungeweihter Stelle, sondern in einer Kirche begraben zu lassen. Bald darauf starb er, am 15. März 1272, am Namenstag seiner geliebten Lucia. Er war 46 Jahre alt und hat fast 23 Jahre in der Gefangenschaft zugebracht. Außer seinem geliebten Bentivoglio hinterließ er drei Töchter. Die eine derselben, Helena, aus seiner Ehe mit Adelasia, hatte einen Grafen von Donotarico geheirathet und mehrere Söhne geboren; von den beiden andern, Maddalena und Costanza, ist ihr Ursprung so dunkel als ihr Schicksal.

Die Bolognesen, welche ihn in der letzten Zeit so unköniglich behandelt hatten, bestatteten ihn auf königliche Weise. Sie ließen ihn einbalsamiren, in Scharlach kleiden, sein Haupt mit einem aus Gold, Silber und Edelsteinen verfertigten Diadem schmücken und ihm ein Scepter in die Hand geben. Auf einer mit Sammt und Scharlach überzogenen Erhöhung stand

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 668. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_668.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)