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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

in Berlin (dem jetzigen Lagerhause in der Klosterstraße, welche damals Brüderstraße hieß) die feierliche Huldigung statt. Friedrich begrüßte die zu ihrer Pflicht Zurückgekehrten mit freundlicher Herablassung und edler Offenheit. Die liebreizende Gemahlin des Burggrafen „Schön Elfe“, wie sie vom Volke bezeichnend genannt wurde, zog sie zur Tafel und zwang selbst die rauhen märkischen Bären zur Bewunderung ihrer bezaubernden Liebenswürdigkeit.

Der Friede schien hergestellt, die Quitzows zeigten sich sogar bereit, den Burggrafen auf einem Zuge gegen die Brüder von Maltitz auf Trebbin zu begleiten und diese ihre frühern Freunde für ihre Räubereien zu bestrafen; aber trotzdem war es nur ein Scheinfriede, denn im Geheimen rüsteten die Quitzows kräftiger denn je; sie befestigten ihre Schlösser mehr und mehr, verproviantirten sie und richteten sie auf eine längere Belagerung ein; sie waren entschlossen, den Kampf mit dem Landeshauptmann sobald als möglich wieder zu beginnen, und schlossen deshalb feste Schutz- und Trutzbündnisse mit den vornehmsten Adeligen der Mark ab, mit dem Edlen Kaspar Gans von Puttlitz[WS 1]. mit dessen Schwiegersohn Wichard von Rochow und manchen Anderen.

Friedrich hatte befohlen, daß endlich die wilden, das Land verwüstenden Fehden der Adeligen unter einander und mit den benachbarten geistlichen Stiften aufhören sollten. An diesen Befehl aber kehrten sich weder die Quitzows noch ihre Freunde. Kaspar von Puttlitz unterhielt eine wilde Fehde mit dem Bischof von Brandenburg, die Quitzows und Wichard von Rochow machten täglich wüste Raub- und Plünderungszüge in das Magdeburgische, verbrannte Dörfer auf ihrer Spur zurücklassend.

Friedrich von Hohenzollern ermahnte die wilden Händelsucher vergebens zum Frieden, mit Hohn wurde er zurückgewiesen; „der schildgeborene Adel,“ so antworteten die Quitzows und Puttlitz auf die Ermahnungen des Burggrafen, „habe das Fehderecht so gut wie der Fürst, und dürfe sich dasselbe nicht verkümmern lassen;“ und als ihnen endlich Friedrich drohend den vom Kaiser gebotenen Landfrieden in’s Gedächtniß rief und ihnen befahl, die Waffen gegen seinen Verbündeten, den Erzbischof von Magdeburg, ruhen zu lassen, widrigenfalls er selbst sich mit dem Erzbischof gegen sie verbünden müsse, da wiesen sie auch diese ernste Ermahnung mit Verachtung zurück; sie glaubten sich jetzt gekräftigt genug zum siegreichen Kampf gegen ihren Landesherrn.

Friedrich’s Geduld war endlich erschöpft, er entschloß sich zum Kampfe und rüstete zu demselben mit rastloser Thätigkeit, denn er war sich sehr wohl bewußt, daß eine Niederlage für ihn gleichbedeutend mit dem Verlust der Mark Brandenburg war. – Vom Kaiser erwirkte er die Achtserklärung gegen die Landfriedensbrecher, von den Städten erheischte er die Stellung kräftiger Hülfsschaaren, welche ihm freudig bewilligt wurden, und mit den benachbarten Fürsten schloß er Bündnisse, in denen ihm zahlreiche Hülfstruppen zugesagt wurden.

Das Glück begünstigte den Burggrafen in dieser Zeit der ernsten Entscheidung. Der mächtigste Freund der Quitzows, Kaspar von Puttlitz, wurde auf einem Raubzuge gegen den Bischof von Brandenburg gefangen und dadurch unschädlich gemacht, die Herzöge von Pommern weigerten sich aus Furcht vor dem Kaiser, den Geächteten beizustehen, und viele der kleineren Adeligen zogen sich scheu zurück, als es zum ernsten Kampfe kam, weil des Burggrafen schnell wachsende Macht sie schreckte.

So sahen sich die Quitzows plötzlich auf sich allein angewiesen, nur Wichard von Rochow, den ebenfalls die Acht getroffen halte, hielt treu zu ihnen. – Sie hätten jetzt recht gern nachgegeben, aber es war zu spät, ihre Friedensanerbietungen wurden zurückgewiesen, der Burggraf sammelte sein Heer und der Kampf begann.

Noch immer hofften die Quitzows auf einen endlichen Sieg, freilich konnten sie sich nicht, wie früher am Kranner Damm, in eine offene Feldschlacht wagen, dazu reichten ihre Streitkräfte nicht aus; aber sie konnten sich zurückziehen in ihre festen, für uneinnehmbar gehaltenen Burgen, dort konnten sie dem Burggrafen Monate, vielleicht Jahre trotzen, bis die Kraft desselben erschöpft war, bis ihn seine Bundesgenossen verließen, bis sie endlich doch als Sieger aus dem schweren Kampfe hervorgingen. – Diesem Plane gemäß zog sich Dietrich von Quitzow mit dem Kern seiner Mannschaft nach Schloß Friesack zurück, Johann von Quitzow hielt das gewaltige Schloß Plaue besetzt, Wichard von Rochow blieb in Schloß Golzow.

An einem und demselben Tage begannen die Heere des Burggrafen und seiner Verbündeten die Umlagerung der drei mächtigen Schlösser. Der Erzbischof von Magdeburg legte sich vor Schloß Plaue, Herzog Rudolph von Sachsen vor Schloß Golzow, der Burggraf selbst vor Friesack.

Schloß Friesack lag mitten im wilden und sumpfigen havelländischen Luch, geschützt durch die unergründlichen Moräste, welche im Sommer jede Belagerung unmöglich machten, jetzt aber im Februar 1414 gefroren waren. Starke Mauern und feste Thürme schützten das Schloß, welches nach den Begriffen jener Zeit uneinnehmbar war. Dietrich von Quitzow war so fest von der Trefflichkeit seiner Festungswerke überzeugt, daß er nur spöttisch lachte, als er vom Altan des Schlosses auf das zahlreiche Belagerungsheer hinab blickte; – aber es ging ihm doch nahe, daß er unter den Fahnen, welche die Belagerer auf ihren Zelten aufgepflanzt hatten, manche ihm früher befreundete erblickte, denn viele Edelleute hatten den sinkenden Stern der Quitzows verlassen und waren dem aufsteigenden der Hohenzollern gefolgt.

Im weiten Kreise zogen sich die Zelte des Belagerungsheeres rings um Schloß Friesack, ritterliche Banner wehten neben den Fahnen der Städte, die Bürger tummelten sich im Waffenspiel neben den Mannen der Fürsten und den Rittern. Vorsichtig hatte Friedrich zu dem entscheidenden Kampf die ganze Kraft aufgeboten, er hatte sich einen neuen Verbündeten gewonnen, der in diesem Kampfe den Ausschlag geben sollte, – ein gewaltiges Geschütz, welches er vom Landgrafen Friedrich in Thüringen geborgt hatte.

Die großen Geschütze waren damals noch unbekannt in der Mark Brandenburg, und die „faule Grete“[1], so nannte man die thüringische Kanone, erregte deshalb bei den Rittern im Lager, welche bisher nur kleine Böller gesehen hatten, großes Staunen, man wartete mit Begier auf die Wirkung, welche die Kugeln des mächtigen Geschützes auf Festungswerke haben würden. Alle Erwartungen, welche Friedrich selbst von der Kraft seines Geschützes hatte, wurden von dem Erfolg weit übertroffen. – Schon der erste Schuß zeigte, daß Schloß Friesack dem Untergange geweiht war. – Die gewaltige steinerne Kugel durchbrach krachend die Wand eines festen Thurmes und verschwand im Innern desselben. – Noch wenige Schüsse, und der Thurm stürzte zusammen. -

Dietrich von Quitzow schaute mit Entsetzen auf das Zerstörungswerk, binnen wenigen Tagen sah er die Mauern seines Schlosses von den Kugeln der faulen Grete zusammensinken und eine weite Bresche sich öffnen. – Er war verloren, er konnte jetzt der Ueberzahl nicht länger widerstehen. – Da faßte er den Entschluß, wenigstens seine Freiheit zu retten; an der Spitze seiner Reiter machte er mit Beginn der Nacht einen Ausfall, es gelang ihm, die Reihen der Belagerer zu durchbrechen, und in wilder Flucht jagte er von dannen. Am folgenden Morgen fiel Schloß Friesack.

Schloß Golzow war schon früher genommen worden. Wichard von Rochow halte sich dem Herzog Rudolph von Sachsen ergeben müssen; er erhielt Begnadigung unter der Bedingung, daß er sich im Büßergewande, den schmachvollen Strick um den entblößten Hals gelegt, flehend dem Herzog zu Füßen werfe. –

Noch stand Plaue, das gewaltigste der Quitzow’schen Schlösser. Auf der äußersten Spitze einer in die Havel strebenden Landzunge gelegen, von 14 Fuß dicken Mauern umgeben, spottete die Festung den Belagerungskünsten des Erzbischofs; aber auch hier sollte sich die mörderische Kraft der faulen Grete, welche von Friesack nach Plaue gebracht wurde, bewähren. – Eine Kugel nach der andern schlug gegen die Umfassungsmauern, immer an dieselbe Stelle. – Johann von Quitzow lachte über das wahnsinnige Unternehmen, solche Mauer niederlegen zu wollen, spottend sah er die Kugeln an den Steinen zersplittern; aber bald wich das Lachen der Besorgniß, ein paar Steine wurden durch die Kugeln gelöst, diesen folgten mehrere, und in vier bis fünf Tagen war die Mauer fast bis zur Hälfte ihrer Dicke durchbrochen. –

Johann’s Muth war erschüttert, aber nicht gebrochen! Die faule Grete, der gefährlichste Feind, mußte unschädlich gemacht werden, und dies konnte durch einen kühnen Ausfall geschehen. – In dunkler Nacht wurde die Ausfallspforte geöffnet, die Quitzow’schen Reiter stürmten hervor; aber sie wurden kräftig empfangen und zurückgeschlagen. Mit jedem Tage erweiterte sich die Bresche, jetzt

  1. Der Name „die faule Grete“ ist nach neuern Forschungen wahrscheinlich noch nicht in jener Zeit gebräuchlich gewesen, wir haben ihn aber beibehalten, weil er in die Volkssage übergegangen ist.
    Der Verf.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Gand von Puttlitz
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 715. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_715.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)