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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

daß ganz Italien bis 1859, ausgenommen Piemont, ziemlich eine österreichische Provinz bedeutete; die Lombardei war sein eigen, ebenso wie Venedig; Toscana, Modena und Parma waren österreichische Souverainetäten; Neapel nicht viel mehr als ein Vasall: Oesterreich herrschte in Italien, wenn es auch nicht überall regierte. Das genügte auch vollständig der Wiener Politik, und mehr als ein gleiches Verhältniß erstrebte es auch nicht zu Deutschland; durch das benachbarte, engverwandte Baiern fand es eine starke Stütze für seine Politik nach dieser Seite hin.

Die Mutter des jetzigen Kaisers Franz Joseph ist die baiersche Prinzessin Sophie, eine der geistvollsten und zugleich diplomatisch geschicktesten Frauen, welche für die österreichische Politik in Baiern wohl das Meiste gethan hat. Sie war die Seele der Politik Neu-Oesterreichs, wie es aus der Reaction des Jahres 1848 hervorging; sie hatte es durchgesetzt, daß Metternich abtrat und dem Volke 1848 alle Redouten freiwillig preisgegeben wurden, um sie später desto sicherer wiederzuerobern; sie war es, die zu diesem Zwecke den alten guten Kaiser Ferdinand zum Abdanken und ihren eigenen Gemahl, den dem Kaiser Ferdinand ähnlichen Erzherzog Franz Karl zur Thronentsagung bewog, damit ihr junger Sohn Franz Joseph Kaiser werde, was bekanntlich am 2. December 1848 geschah. Dieser war sonach bestimmt, der Baumeister des neuen Oesterreichs zu werden, und sicherlich hatte sich die Mutter mit ihrem feinen politischen Kopf dabei eine Hauptrolle im Hintergründe zuertheilt. Die kühne Politik des Fürsten Schwarzenberg war ihr aus der Seele genommen, und nach der in Folge der Schlacht von Novara als felsenfest gesicherten Herrschaft Oesterreichs in Italien galt es, dieselbe auch über Deutschland zu befestigen. Eine innige Verbindung mit Baiern war dazu eine sehr werthvolle Stütze, und deßhalb erwählte die Erzherzogin Sophie die fast noch im Kindesalter stehende Prinzessin Elisabeth, Tochter des Herzogs Max Joseph in Baiern, zur Gemahlin ihres kaiserlichen Sohnes. Vielleicht rechnete die kluge Frau auf den mütterlichen Einfluß, den sie auf die junge Kaiserin und durch diese wieder auf den Sohn gewinnen würde, vielleicht war sie auch durch den Zauber der jugendlichen Erscheinung bezwungen und wußte, daß an der Seite dieses Wesens der geliebte Sohn ganz glücklich werden würde.

In der Hauptsache aber war die Vermählung des vierundzwanzigjährigen Kaisers Franz Joseph mit der kaum siebzehnjährigen Prinzeß Elisabeth von Baiern am 24. April 1854 doch durch die berechnende Politik herbeigeführt worden. Man weiß, daß die fürstlichen Heirathen gewöhnlich aus solchen Motiven hervorgehen und Ehen, wie andere Menschen sie nach ihrem Herzenswunsch schließen und darin den großen sittlichen Halt finden, in jenen Regionen zu wahren Wundern gehören. Das Schicksal hat in seiner strengen Gerechtigkeit dafür gesorgt, daß Menschen im Vollbesitz aller Güter des Lebens, der Macht über Ihresgleichen, dem Menschlichen gleichwohl unterworfen bleiben und im Glück ihrer äußerlichen Stellung das höhere Glück eines befriedigten Herzens gemeinhin entbehren. Schein ist der Glanz der Throne, Schein sind meist die weicheren Empfindungen, welche dort als vorhanden bezeichnet werden. Selbst fürstliche Ehen, die die Welt als glückliche preist – wie oft ist dies Glück nur Schein und nagt hinter der glücklichen Maske des Einen oder des Anderen die herbe Sorge am Herzen! Wie könne es auch anders sein? Der Fürst, der sich vermählt, hat selten sein Herz, er hat vor Allem die kalte, herzlose, egoistische Politik zu fragen; die Prinzessin ist noch unglücklicher daran; ihr läßt man nicht einmal die Wahl, sondern sie wird verhandelt nach Belieben der Diplomaten. Selten daher, daß solche politische Ehen zu Herzensverbindungen werden und beide Theile es ihrer Geburt und ihrem Stande vergeben können, für den schönsten Zweck des menschlichen Lebens als wenig mehr denn als bloße Kaufmannswaare gedient zu haben!

Franz Joseph und Elisabeth waren zu jenen Glücklichen zu rechnen, deren Ehe mehr als ein bloßer Bund der Politik bedeutete. Die Jugend Beider war der Talisman, welcher ihre Herzen zusammenführte, und ihre äußeren Eigenschaften waren der Art, daß sie eine Steigerung der Herzensgefühle, die sie vereinigten, bewirken konnten. Alle Welt war einig, daß dies fürstliche Paar glücklich sein müsse, daß Eines zum Andern in seltener Weise passe. Franz Joseph war eine gewinnende Erscheinung; seine Jugendlichkeit, seine Soldatenliebhaberei, die heut als Ersatz des alten ritterlichen Charakters gilt, verbunden mit der glänzenden Stellung, die er in der Welt einnahm – dies Alles war übergenug, jedes weibliche Herz sogleich zu erobern. Prinzeß Elisabeth war nicht minder geeignet, der Huldigung eines Mannesherzens sicher zu sein. Sie war eine Knospe zartester Schönheit, ein Kindesgesicht voller Unschuld und Fröhlichkeit, graziös in allen ihren Bewegungen, von jener natürlichen Liebenswürdigkeit, welche einen so mächtigen Zauber um die Damen zu legen weiß. Die hingebende Innigkeit, das fröhliche, unschuldsvolle Gemüth, ihr sanfter, reiner, tiefgründiger Blick, der eine warm fühlende, liebende Seele abspiegelte, sie zeigten nur zu deutlich das Glück dieser Fürstin an, als sie an der Seite ihres kaiserlichen Gemahls in die alte Hofburg zu Wien einzog, erfüllt von den Träumen eines glänzenden Lebens, einer herrlichen Zukunft. Das Volk, selbst die politischen Gegner des Kaisers, jubelten ihr zu – damals, als sie zum ersten Mal in keuscher Jugendschönheit die schöne Kaiserstadt betrat, als sie wie ein Symbol des guten Genius durch das noch schwer an seinen Wunden liegende Oesterreich zog; es war der Jubel des Volkes, den es so gern seiner Fürstin entgegenträgt, wenn es sie in dem ihr doppelt kostbaren Besitz rein menschlichen Glückes sieht. Das Volk in seiner unverwüstlichen Einfachheit der Empfindungen betrachtet eine solche Fürstin wie ein ihm vom Schicksal gegebenes Gut, welches es in Ritterlichkeit zu schützen habe. Es zaubert sich daraus sein Ideal; es sieht darin die milde, versöhnende Macht für seine kommenden Sorgen; es hält die Fürstin immer für sein Eigen und glaubt, daß ihr Herzensglück auch dem Allgemeinen zu Gute komme. Zwischen ihm und ihr besteht die Sympathie sanfter und reiner Gefühle.

In der That, die Kaiserin Elisabeth, strahlend in jugendlicher Schönheit auf einem stolzen Throne, der nach den Zeiten der Revolution durch die Versöhnung, die von ihm auf das besiegte Volk ausging, durch die kühne Politik, mit der er sich umgab, einen neuen Glanz erhalten hatte, genoß eines beneidenswerthen Glückes und sie selbst war weit entfernt, es zu verbergen. Der Triumphzug nach Triest überwältigte dies zarte Herz vor Entzücken. Was konnte Elisabeth auch noch wünschen, damit sie das höchste Maß irdischen Glückes besäße? Nichts, in Wahrheit Nichts. Sie blicke mit Stolz auf einen geliebten Gemahl; sie hatte das Bewußtsein, durch die Liebe des Volkes zu ihr der Dynastie selbst wieder neue Sympathien zugewendet zu haben; sie sah Oesterreich groß und stolz dastehen in der Welt und im Innern in tiefer Ruhe – daß es die Ruhe eines Kirchhofs war und die Größe Oesterreichs nur eine scheinbare, welche beim ersten Sturm der Weltgeschichte zum Erstaunen Aller jäh zusammenbrechen sollte, wie hätte sie es ahnen können, da die Herren des Staates selbst nicht eine Idee davon hatten?

Und mehr als Alles dies noch, was sie glücklich machte, war das beseligende Bewußtsein, Mutter zu sein. Was jeglichem Weibe den Stolz verleiht, die Hoffnungen der Liebe, gewissermaßen die ihm auferlegte Mission erfüllt zu haben, indem es Mutter wurde, übt bei der Gemahlin eines regierenden Fürsten eine viel intensivere Macht aus. Mehr als eine andere Frau hat sie die Pflicht, Mutter zu werden; denn so verlangt es das Interesse der Dynastie und des Staates. Alles andere Glück kann leicht zerschellen, wenn ihr das Schicksal eine Unfruchtbarkeit auferlegt hat. Napoleon ließ sich von Josephine scheiden, weil er um jeden Preis einen Erben brauchte. Je größer daher die Sorge um ein Kind, welche eine junge Fürstin erfüllen muß, desto gewaltiger die Freude, wenn es da ist. Mit dem beseligenden Muttergefühl mischt sich dann ein politischer Stolz, den Platz sich förmlich erkauft, des Fürsten und des Landes Erwartungen entsprochen zu haben. Kaum ein Jahr nach ihrer Vermählung gebar die Kaiserin Elisabeth die Erzherzogin Marie Anna. Dies Kind, galt es auch dem politischen Interesse wenig, war ihr deshalb um so theurer; es war ihr erstes, und wer wüßte nicht, wie eine Mutter ein solches liebt! Es war in Wahrheit ihr Kind, auf welches nicht, wie bei einem Sohne, der Staat seine maßgebenden Ansprüche erhob. Die Kaiserin besaß zudem eine zu weiche, leidenschaftliche Natur, als daß sie all diese Empfindungen nicht in verstärktem Maße besessen hätte. Zu viel Schmerz, zu viel Sorgen hatte der zarten Dame dies Kind gemacht, als daß sie es nicht in Leidenschaftlichkeit an ihr Herz gepreßt, nachdem Schmerz und Sorge vorüber waren.

Es verfloß ein Jahr und abermals wurde sie Mutter. Im

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 806. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_806.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)