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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

wenn er sich gegen den Kaiser erheben wollte, zur böhmischen Krone zu verhelfen versprach. Die Ratification des Vertrags war unterwegs, als Wallenstein ermordet wurde. Mit Arnim wollte der Herzog in Pilsen verhandeln, angeblich um mit den Sachsen den Kaiser zum Frieden zu zwingen; doch sollte Arnim für die weitgreifenden, aber noch sehr unklaren verräterischen Pläne Wallenstein’s gewonnen werden. Auch jener näherte sich erst der böhmischen Grenze, als die Katastrophe eintrat. Während dieser Unterhandlungen waren die nach Pilsen gerufenen Obersten durch die Vertrauten des Herzogs, Trzka und Ilov, den 2. (12.) Januar 1631 mit Hinweis auf die Gefahr, den des Commandos überdrüssigen General zu verlieren, bei einem tollen Banket bestimmt worden, ohne irgend eine Clausel der Verpflichtung gegen den Kaiser durch Unterzeichnung einer Erklärung eidlich zu versichern, „sich vom General nicht separiren zu lassen und Alles bis zum letzten Blutstropfen für ihn einzusetzen.“

Manche dunkele Gerüchte von Wallenstein’s Unterhandlungen und die Berichte von dem sogenannten „Pilsener Schluß“ veranlaßten den Kaiser, zwar noch nicht sofort, wie vielfach gerathen wurde, eine scharfe Remedur eintreten zu lassen, aber doch die Entfernung des Herzogs vom Kommando in der Stille vorzubereiten. Der schon früher gewonnene General Gallas, der in Schlesien commandirte, erhielt zu beliebiger Benutzung ein kaiserliches Patent vom 14. (24.) Januar, in welchem der Herzog nicht geächtet, aber das Heer des Gehorsams gegen ihn entbunden und an Gallas gewiesen wurde. Davon machte dieser erst Gebrauch, als er sich von der Lage der Dinge in Pilsen unterrichtet hatte. Dahin hatte nämlich Wallenstein noch einmal die Officiere entboten, um etwaige Bedenklichkeiten zu beseitigen und sich ihrer nochmals zu versichern. Den 10. (20.) Februar hatte er ihnen mitgetheilt, daß er nichts gegen den Kaiser bezwecke, aber alle Truppen nach Prag beordert habe, um sich im Interesse seiner Officiere gegen seine Feinde am Wiener Hofe sicher zu stellen, und hatte von denselben die Unterzeichnung einer der frühern ähnlichen Erklärung mit einer loyalen Clausel erlangt, die er selbst mit unterschrieb; eine Abschrift derselben wurde zur Beruhigung des Kaisers nach Wien gesendet. Gallas aber und einige andere Officiere, unter ihnen der leidenschaftliche Gegner des Herzogs, Piccolomini, hatten sich bereits heimlich von Pilsen entfernt und durch energische Maßregeln mit Hülfe eines neuen kaiserlichen Patents vom 8. (18.) Februar, in welchem deutlich von der „Conspiration“ des Herzogs gesprochen war, die Garnisonen in Prag und andern böhmischen Städten für den Kaiser verpflichtet. Dies erfuhr Wallenstein am 11./21. Februar, als er nach Prag aufbrechen wollte. Da beschloß er, sich nach Eger zu werfen, und rief den Bernhard von Weimar, mit dem er kurz zuvor bereits eine Verbindung eingeleitet hatte, zu schneller Hülfsleistung herbei. Ebenso wurde von Sachsen schleunige Hülfe begehrt. Den 14. (24.) Februar traf der Herzog, körperlich sehr leidend, in der Festung ein mit etwa 1200 Mann, darunter gegen 600 Dragoner des Obersten Buttler, eines dem Kaiser ergebenen Irländers, der ihm zufällig begegnete und ihm zu folgen gezwungen wurde. Hier überredete Buttler den Festungscommandanten, den Schotten Gordon, der anfangs auf Entsatz durch die aus dem südwestlichen Böhmen heranrückenden Kaiserlichen hoffte, durch Ermordung des Herzogs und seiner Getreuen die Festung vor den sich nähernden Schweden zu retten. Den 15. (25.) Febunar, Abends acht Uhr wurden bei einem Bankete auf dem jetzt verfallenen Schlosse Ilov, Trzka, Kinsky und Neumann durch Buttler’sche Dragoner ermordet. Gleich daraus fiel in der Stadt, im Hause des Bürgermeisters Pachelbel, unter Leitung Buttler’s durch die Hellebarde des Dragonerhauptmann Deveroux der Herzog, als er vom Lärm aufgeschreckt aus dem Bette gesprungen war. Wenn auch Piccolomini solchen blutigen Ausgang wünschte – der Kaiser hatte ihn nicht befohlen und Gallas nicht angeordnet. Es war die eigenmächtige That der Obersten, die durch rohe Gewalttat die gnädige Aufmerksamkeit Ferdinand´s zu verdienen hofften. Der Kaiser ließ sich die Execution gefallen und versuchte in einer officiellen Schrift dieselbe als gerechte Strafe des Verbrechens seines Feldherrn rechtfertigen zu lassen. Von dem nach damaliger Sitte confiscirten Nachlasse Wallenstein´s behielt die Wittwe durch kaiserliche Gnade die Herrschaft Neuschloß in Böhmen, welche durch spätere Verheirathung seiner damals zehnjährigen Tochter Maria Elisabeth an die Grafen Kaumitz kam. Die jetzigen Waldsteine in Münchengratz und Dux stammen von Seitenverwandten des Herzogs.

Mit meisterhafter psychologischer Divinationsgabe hatte der große Astronom Kepler schon den sechsundzwanzigjährigen Wallenstein charakterisirt, als er ihm nach damaliger Sitte das Horoskop stellte. „Er sei emsig, unruhigen Gemüts, allerhand Neuerungen begierig, finde an gemeinem menschlichem Wesen keinen Gefallen, habe viel mehr in Gedanken, als er äußerlich spüren lasse. Der Saturn in seiner Constellation könne ihm vielen Schaden bringen. Denn der mache lieblos, selbsüchtig, hart, falsch, lassen Einen bald verschlossen still, bald wieder leidenschaftlich ungestüm, einmal kühn, das andere Mal ohne Noth ängstlich erscheinen. Doch da der Jupiter gleich mächtig sei, so würden sich wohl diese Untugenden abwetzen, und es könnte die ungewöhnliche Natur zu hohen Ehren kommen.“ Zuletzt warnt er, „daß der Herzog durch sein eigenthümliches Wesen viel Volks an sich ziehen und sich zum Rädelsführer einer unzufriedenen Rotte aufwerfen könnte.“ Diese Charakteristik findet in Wallenstein’s Leben bis an’s Ende ihre Bestätigung. Dabei sei noch erwähnt, daß sich der Herzog nicht nur, wie viele seiner Zeitgenossen, einmal das Horoskop stellen ließ, sondern daß er sein Leben lang dem mystischen Triebe seiner Seele, der in der Religion keine Nahrung suchte, zur Befriedigung seiner ehrgeizigen Träumereien in astrologischen Beschäftigungen fröhnte, welche vielfach seinen klaren Blick trübten und seine Thatkraft lähmten.

Das war der historische Stoff, den Schiller nach einer mehrjährigen wohlbenutzten Unterbrechung seiner poetischen Thätigkeit, in seinem Urtheil wie an Kenntniß gereift, seit 1790 in’s Auge faßte, seit 1796 ernstlicher vornahm und bis zum März 1799 in seinem Drama Wallenstein so zur Gestaltung gebracht hatte, wie es im Lager, in den Piccolomini und Wallenstein’s Tod als das großartigste Erzeugniß des Schiller’schen Genius dem deutschen Volke lieb geworden ist. Denn waren ihm auch viele bedeutende Quellen dieser Geschichte noch nicht bekannt, so stand doch auch ihm schon das Bild des historischen Wallenstein in den Hauptzügen klar vor Augen. Er hatte sich gerade diesen Stoff gewählt, um durch die in dem Unternehmen seines Helden objectiv vorliegende Idee zu einer objectiven Behandlung genötigt zu werden, nach welcher er in dieser neuen Epoche seiner dramatischen Thätigkeit vorzugsweise strebte. Bald aber fühlte er die ungeheure Schwierigkeit, „dieser Staatsaction in seiner Weise beizukommen und für den zwar furchtbar, aber nie edel und groß erscheinenden Helden, der nur durch Nachsucht und Ehrbegierde bewegt wurde, die Theilnahme zu erwecken.“ Die Schuld des Verrats gegen den Kaiser konnte und mußte er beibehalten: sie motivirte den Untergang des tragischen Helden. Aber die Verschuldung mußte gemindert, der Frevler durch die Verhältnisse zum Frevel gedrängt, der Held großartiger und edler gestaltet erscheinen, ohne daß die reale Grundlage des historischen Charakters ganz aufgegeben werden durfte.

Auch in der dramatischen Gestaltung der Handlung mußte Vieles verändert werden, wenn auch die wesentlichsten Thatsachen der Geschichte festgehalten sind. Was sich vom Ende Novembers 1633 bis zu Ende des Februar 1634 zugetragen hat, ist bei Schiller in beiden Dramen in einen Zeitraum von vier Tagen zusammengedrängt. Statt Gallas, der in der Geschichte die Hauptrolle spielt, tritt im Anfange des ersten Dramas Octavio Piccolomini auf, nicht, wie in der Geschichte, ein junger Mann und leidenschaftlicher Gegner des Herzogs, sondern ein gereifter und besonnener Mann, dem der Herzog in seiner astrologischen Träumerei sein Vertrauen aufgedrängt hat. Er hat von Wien einen ihm schmerzlichen Auftrag bekommen: er soll dem Herzog heimlich das Heer abwendig machen, dessen für den Kaiser gefährliche Anhänglichkeit an Wallenstein in der weiteren Entwickelung der Piccolomini bis zu der musterhaften Schilderung des Pilsener Banketes im vierten Aufzuge anschaulich gemacht wird. Doch ist diese Pilsener Verbindung im Drama nur ein vorbereitender Schritt zur Sicherstellung vor künftiger Gefahr, welche der Herzog nach entschiedener Abweisung der Forderungen des Kaisers zu fürchten hat.

Mit dem Schlusse der Piccolomini ist der Knoten geschürzt, die Exposition zu Ende. Wallenstein steht zur Abwehr bereit, Octavio rüstet sich für seinen Kaiser zur Acion. Daneben entwickelt sich das schöne Verhältniß zwischen den beiden vom Dichter geschaffenen Personen, dem Max und der Thekla, welche im Gegensatze gegen die politische Klugheit der auf der Weltbühne handelnden Charactere das unbefangene Urteil des Herzens, das rein sittliche Gefühl, des Dichters ideale Subjectivität vertreten. Auch

für sie schürzt sich der Knoten zu Ende des ersten Drama’s: es

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 360. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_360.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)