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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


Vorläufiges über W. Bauer’s neue Hebearbeiten. Am 17. Juni Nachmittags haben W. Bauer’s Arbeitsschiffe beim „Ludwig“ Anker geworfen. Das Wetter zeigte sich jedoch dem Unternehmen entschieden ungünstig. Die seit Wochen anhaltenden Regengüsse, die den Rhein stark anschwellten, so daß dieser den See weit hinein mit seinem Schlammgeleite verunreinigte, und heftige Stürme wetteiferten mit einander, Bauer auch diesmal den Anfang schwer und die Arbeit nicht zum Spiel werden zu lassen. Der See war so trübe, daß die Taucher bei 20 Fuß Tiefe in Milch zu schweben glaubten und schließlich den Ludwig nur durch die Führung der Lothleine fanden, weil Wasser, Grund und Schiff eine Farbe hatten. Bauer selbst erkannte bei seiner ersten diesmaligen Niederfahrt nicht sogleich, ob er auf dem Vorder- oder Hintertheil des Ludwig angekommen sei, und mußte erst durch genaues Untersuchen sich zurecht finden.

Besonders waren die drei ersten Tage ganz darnach beschaffen, als sollten Muth und Thatkraft der Männer auf den Schiffen an alle möglichen Gefahren des Sees auf einmal gewöhnt werden. Taucher und Matrosen lagen in fortwährendem Kampf mit ihm. Wir lassen unseren Lesern das Interessanteste über diese ersten Tage von W. Bauer selbst erzahlen. Er schreibt u. A. „Am 18. (Juni) machten wir einen Ballon-Haken hinunter. Kaum daran, kommt ein Sturm; ich muß ihn wieder aufnehmen lassen. Um 4 Uhr zum zweiten Mal hinunter, erst den Haken, dann den Ballon zum Einhängen. Der Ballon treibt aber auf dem Grunde eine Schlammwolke auf, daß der Taucher die Schließe nicht finden kann und sich von halb fünf bis ein Viertel auf acht Uhr vergeblich daran abmüht. Da geht die Sonne unter, und es ist in der Tiefe völlig Nacht. – Am 19. früh 2 Uhr bricht ein heftiges Gewitter mit Sturm los. Drei Ankertaue müssen gekappt werden. Die Locomobilen drohen, trotz der Anschraubung, vom Schiff loszureißen und über Deck zu stürzen. Die Matrosen springen wie Gespenster im Hemde auf dem Deck herum, nur der Blitz leuchtet und blendet zugleich. Ein Matrose fällt zu den Pumpen in den unteren Schiffraum und würde die Rippen gebrochen haben, wenn sie nicht von ausnehmend guter Beschaffenheit waren. Ein Anderer folgt meinem Befehle, den Receptor (der wagerecht, kranartig, am Mast befestigte Baum, an welchem die Taucher in die Tiefe gelassen, drunten geleitet und wieder gehoben werden), der sich losgerissen, wieder beizuziehen, aber er wird von der Wucht des Sturmes, am Tau hängend, über das Schiff hinausgeschleudert und baumelt entsetzlich in der Luft, bis wir ihn wieder hereinbekommen. Den Nichtseeleuten, Maschinisten etc. wird es indeß weh und übel, und nicht blos der Regen, auch das steigende Bootwasser hält oben und unten große Wäsche an uns. Erst um 6 Uhr wurde es ruhig, und um 10 Uhr waren die Anker wieder beigeholt. Das Tauchen beginnt, aber um 12 Uhr müssen wir die Arbeit wieder einstellen, weil ein heftiger Nordwest zu blasen beginnt und bis zum Abend nicht aufhört. Abends 7 Uhr fahre ich nach Staad, das Boot halb mit Wasser gefüllt, und eile von da zu Fuß nach Rorschach.

Am 20. bin ich früh 4 Uhr bei den Schiffen. Sie werden wieder richtig gestellt, und um 10 Uhr beginnt das Tauchen. Der erste Ballon „Deutschland“ ist festgemacht am Ludwig und wird vollgepumpt. Er steht wundervoll! „Deutschland“ zieht mit aller Macht an der Lösung der Aufgabe. Da soll der Taucher den Schlauch und die Taue (an welchen der Ballon in die Tiefe gelassen wird) lösen. Letzteres macht er sehr gut, aber beim Schluß des Habus (bei der Verbindung von Ballon und Schlauch) übersieht er, daß der Steckschlüssel nur einen Zapfen erfaßt hat, der Hahn bleibt auf, und nach der Trennung des Schlauchs vom Ballon tritt die Luft mit Heftigkeit wieder aus, braucht zwar über eine Stunde zum völligen Entweichen, aber dann liegt eben „Deutschland“ doch am Boden. In dieser Zeit geht das Wetter von Neuem los, Taue und Schläuche müssen eiligst geborgen werden, und um 2 Uhr fahre ich, von Aerger ganz und halb von den Wellen verschlungen, wieder nach Staad, um meinem Herzen mit diesem Brief an Dich Luft zu machen. Das Alles gehört freilich zum Handwerk, und es frischt den Geist zur That an, aber zu lange darf es nicht dauern.“

So weit W. Bauer. Uebrigens ist er, nach den jetzigen Vorarbeiten für die Durchführung der Erfindung, voll Zuversicht; seine vielerprobte echtdeutsche Geduld wird auch die Launen der Jahreszeit am Hochgebirg überwinden.

Die Sammlungen für W. Bauer sind in höchst ehrenwerther Weise fortgegangen. Es sind jetzt noch drei Quittungen (26, 27 u. 28) von je ca. 954, 548 u. 870 Thalern zu veröffentlichen, womit die Gartenlaube sofort beginnen und rasch damit fortfahren wird. Möge die Theilnahme für das nationale Unternehmen sich nunmehr so lebendig bis zum Ende erhalten.

Fr. Hofmann.



Eine deutsche Schule zu Valparaiso. Pionniere und Träger der Cultur in fernste Länder sind die germanischen Völker schon von Alters her, aber immer kennzeichneten sie sich zugleich durch die Leichtigkeit, mit der sie, trotz aller geistigen und physischen Ueberlegenheit, unter fremden Himmeln sich in das fremde Wesen selbst der von ihnen besiegten Nationen verloren haben. Die mächtigen Westgothen sind in Spanien verschwunden, keine Spur zeugt mehr von den Langobarden in Italien. Geschieht dies an großen Völkern, um wie viel leichter gehen schwache Stammgenossenschaften oder gar einzelne Familien im Fremden unter. Oft verleugnet schon die dritte Generation den Ursprung ihrer Väter. – Darum ist es von hoher Wichtigkeit, daß die nationale Erhebung im alten Vaterlande auch bei den Deutschen jenseits der Weltmeere das Nationalgefühl neu erweckt hat, und es zeugt zugleich für den klaren Blick derselben in das wahrhaft Erforderliche zur Erreichung ihres Zieles, daß sie die Bewahrung des Deutschthums nicht durch gesellige Vereine bewirken wollen, sondern daß sie die Schule zur Nährstätte des deutschen Geistes erheben. Vor uns liegt eine Einladung zur öffentlichen Prüfung der Schüler und Schülerinnen der oben genannten Schule, erlassen von deren Director L. Doll und begleitet von einer Ansprache des Vorstandes derselben an die „deutsche Gemeinde“ von Valparaiso. In Letzterer heißt es u. A.: „Deutsche Sitte, Sprache und Bildung unter unseren Landsleuten möglichst zu erhalten und zu verbreiten, ist der edle Zweck der Gemeinde, und die Stifter glaubten mit Recht, durch Gründung einer deutschen Schule den Anfang zur Erreichung dieses Zweckes machen zu müssen.“ – Besonders legen wir allen Deutschen in der Fremde folgenden Ausspruch des Vorstandes mit an’s Herz: „So wenig wir deutsche leider in politischer Hinsicht unsere nationale Stellung, anderen Nationen gegenüber, geltend machen können, um so mehr dürften wir auf unsere deutsche Erziehung und Bildung Gewicht legen, und so sollten wir Alle, ohne Ausnahme, die wir uns zum Namen unseres großen Vaterlandes bekennen, das lebhafteste Interesse daran nehmen, daß unserer hoffnungsvollen Jugend einer der wesentlichsten Vortheile nicht entzogen werde, auf welche wir mit Recht unseren Stolz setzen.“ – Einer Schule, die von solchem Geist geleitet wird, rufen wir von ganzem Herzen unser „Glück auf!“ zu.




Non plus Ultra aller Heirathsverträge. Durch Zufall kommt uns eine alte Urkunde in die Hände, „geben 1368 zu Nurenberg an dem nechsten Freitag vor Vasnacht.“ Darin verabredet Kaiser Karl (IV.) mit dem Burggrafen Friedrich von Nürnberg eine künftige Heirath zwischen seinem Sohne Sigmund und des Burggrafen Tochter Kathrein, und einer allenfalls noch nachkommenden Tochter des Kaisers mit einem allenfalls noch nachkommenden Sohne des Burggrafen, gegen Festsetzung eines beiderseitigen Reugeldes von 100,000 Gulden Nürnberger Währung.



Kleiner Briefkasten.



M. in L. Die Bemühungen, eine einfachere Notenschrift zu erfinden, haben sich seit länger als einem Jahrhundert oft wiederholt. Keine hat Eingang gefunden und finden können, aus dem einfachen Grunde, weil, wer die neue Notation allein lernt, alle bisher existirende Musikwerke nicht lesen kann, wer aber diese auch lesen will, statt einer, zwei Notenschriften erlernen muß. Noch weniger werden die Instrumentenmacher wegen irgend einer neuen Notation neue Instrumente construiren! – Ihre Bemerkung, daß die neuern Partituren nur in einem Schlüssel geschrieben würden, ist gänzlich falsch; in jeder Orchesterpartitur sind wenigstens drei, oft vier, ja fünf verschiedene Schlüssel zu finden. Aus den angeführten Gründen kann der Artikel in die Gartenlaube nicht aufgenommen werden.


F. W. in London. Ehe Sie den Verfasser der „Kunstketzereien“ Nr. 2 (in Nr. 24) hofmeistern und sein Citat aus Schiller als ein Goethe’sches bezeichnen, lesen Sie doch gefälligst den Prolog zu Wallenstein nach. Derartige „Berichtigungsgelüste“ sind wirklich langweilig.


B. in B. Wenn die in Innsbruck erscheinenden ultramontanen „Tyroler Stimmen“ und einige Priester unser Blatt als „eine Schlange des Unglaubens und Verderberin der Jugend“ verdächtigen, so läßt sich gegen derartige Lügen hier nichts thun. Den Tyroler Stimmen sowohl als jenen Priestern aber möchte ich doch die Mittheilung nicht vorenthalten, daß die beiden Geistlichen, welche vor circa vier Monaten wegen Unzucht und Knabenschändung in Bozen zu mehrjähriger Kerkerstrafe verurtheilt wurden, keine Abonnenten der Gartenlaube sind.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 432. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_432.jpg&oldid=- (Version vom 7.10.2021)