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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


leider! leider! wie ich seither aus unserer Turnzeitung vernehmen mußte, schon die Meisten und Besten erlegen sind, oder richtiger gesagt: nicht den Waffen der Rebellen, sondern nur der Unfähigkeit ihrer eigenen Führer sind sie zum Opfer gefallen. Längst hätte man unserem deutschen General Sigel ein größeres Commando übergeben sollen. Statt dessen mußten wir uns von Yankeegeneralen zur Schlachtbank schleppen lassen, welche vielleicht den Krieg absichtlich in die Länge ziehen, weil sich so „ein gutes Geschäft“ machen läßt.




Blätter und Blüthen

Der bekannte Schriftsteller Leopold Schefer in Muskau, der Jugendfreund des Fürsten Pückler, war nicht nur ein bedeutender humoristischer Dichter, sondern auch im Leben einer der liebenswürdigsten Humoristen, wie folgende charakteristische Züge beweisen. – Eines Tages erschien Schefer schon am frühen Morgen bei dem ihm befreundeten Bürgermeister der Stadt mit sorgenvoller Miene, hinter welcher der Schalk bei ihm lauerte. Auf Befragen, was ihn herführe, antwortete er: „Mir ist da eine Geschichte passirt, weshalb ich Ihren Rath in Anspruch nehmen muß. Denken Sie sich, heute Nacht ist bei mir ein armer Teufel eingekehrt, der nicht einmal ein Hemd auf dem Leibe hat und keinen Heller besitzt. Mich dauerte der arme Kerl, der vor Kälte zitterte und ganz erbärmlich heulte. Ich gab ihm ein Lager und nahm ihn bei mir auf, obgleich er ohne Paß, ohne jeden Ausweis zu mir gekommen ist. Was soll ich aber nun mit dem Vagabunden anfangen? Ich kann ihn doch nicht fortschicken, da er sonst keinen Menschen zu kennen scheint. Wenn ich ihn aber bei mir behalte, fürchte ich mit den Gesetzen oder gar mit der hochlöblichen Polizei in Kollision zu kommen und große Unannehmlichkeiten zu haben. Darum habe ich mich an Sie gewendet, damit Sie mir und dem armen Burschen helfen; denn fortschicken möchte ich ihn unter keiner Bedingung. Ich hoffe, daß Sie einmal aus alter Freundschaft für mich ein Auge zudrücken und den armen Schelm auch fernerhin dulden werden.“

Der Herr Bürgermeisier machte zu der polizeiwidrigen Rede des Dichters ein bedenkliches Gesicht und schüttelte sein wohlweises Haupt über die Zumuthung, einen notorischen Vagabunden, der eingestandenermaßen keinen Paß, keinen Ausweis, nicht einmal ein Hemde besaß, gegen die Gesetze zu dulden. Er verschwieg auch nicht seine Bedenken und wollte mit der ganzen Sache nichts zu thun haben. Indeß Schefer wußte so eindringlich zu bitten, daß der Herr Bürgermeister aus Rücksicht auf den Freund sich entschloß, diesen zu begleiten und selbst mit dem armen Burschen Rücksprache zu nehmen. Als Beide in das Haus des Dichters traten, führte dieser den Bürgermeister in das Schlafzimmer, wo seine Frau ihre Wochen abhielt, und indem er auf die Wiege zeigte, worin sein neugeborener Sohn lag, sagte er lachend: „Da, lieber Bürgermeister, ist der Vagabund, der heut direct vom Himmel in mein Haus gekommen ist!“

Schefer’s Nachbar in Muskau war der katholische Schullehrer, der eine Französin, eine fleißige und ordentliche Frau, geheirathet hatte. Ihre Freude und ihr Stolz war ein nettes Gärtchen, worin Beide fleißig arbeiteten; besonders aber bemühte sich die Frau Schullehrerin ein eigenes Spargelbeet anzulegen, was bekanntlich nicht leicht ist und wobei man lange Zeit warten muß, ehe man den Spargel stechen kann. Jahr aus Jahr ein warteten der Schullehrer und seine Frau auf ihren Spargel, aber wie sehr sie auch jeden Frühling suchten, nirgends wollte sich ein Spargelköpfchen zeigen, obgleich sie vor Sonnenaufgang schon aufstanden und mit Topf und Messer bewaffnet waren, um ihr Spargelgericht zu stechen. Endlich eines Morgens stößt die Frau Schullehrerin einen Freudenschrei aus und ruft ihren Mann herbei, um ihm das Wunder zu zeigen. Auf dem Beet steht Kopf an Kopf der schönste, weiße Spargel, den man sich nur wünschen kann. Auch die Nachbarn, welche das Ehepaar wegen ihrer vergeblichen Mühe öfters geneckt hatten, wurden herbeigeholt, darunter auch Leopold Schefer, der sein schelmisches Lächeln nicht unterdrücken konnte. Bei näherer Untersuchung ergab sich nämlich, daß ein Schalk bereits abgeschnittenen Spargel in die lockere Erde gesteckt und das schulmeisterliche Ehepaar in liebenswürdigster Weise getäuscht hatte. Der Schalk war aber kein Anderer als der bekannte Dichter des Laienbreviers.

So viele Bilder auch von Leopold Schefer existirten, so war doch keines recht getroffen, weil kein Maler den wechselvollen Ausdruck seines geistig belebten Gesichtes wieder zu geben vermochte. Auf wiederholtes Bitten seines jungen Freundes, des höchst talentvollen und leider früh verstorbenen Dichters Max Waldau (Spiller von Hauenschild), ließ sich Schefer bereden, nochmals einem Maler zu sitzen, da er versprochen hatte, der jungen Frau seines Freundes sein Bild zu schicken. Mit Ungeduld wird von dieser die Zusendung des Portraits erwartet, das auch endlich eintrifft. Schnell öffnet sie das Paket und ist nicht wenig erstaunt, zwar ein Bild, aber ohne Kopf darin zu finden. In dem beifolgenden Brief entschuldigte Schefer das seltsame Geschenk mit folgenden Worten: „Der Maler hat nicht mein Gesicht, aber um so bester meinen Pelz getroffen, ich schicke daher, um dem guten Mann nicht unrecht zu thun, den Letzteren und habe mein Gesicht ausgeschnitten und für mich behalten. Wenn ich eine bessere Visage einmal bekomme, so steht dieselbe Ihnen nachträglich zu Diensten.“



Der Höllenstein ist eine Großmacht geworden. Auf seine Anwendung stützt sich die Photographie, von deren Ausübung in Paris bereits vor zwei Jahren 20,000 Menschen lebten. Jetzt hat sich diese Zahl vielleicht verdoppelt, und eine Grenze der Steigerung ist noch gar nicht abzusehen. Wenn nun auch nicht in so großartiger Weise, so ist doch auch in Deutschland wenigstens für den dringendsten Bedarf gesorgt und die Nachfolger unsers Bock, bekanntlich Einer der Ersten, der sich um die Einführung und Verbreitung der französischen Erfindung der Lichtbildnerei bei uns verdient gemacht hat, vermehren sich von Tag zu Tag auf das Unglaublichste.

Man hat berechnet, daß ein einziges glückliches Kaninchenpaar im Stande wäre, die ganze Erde in acht Jahren zu bevölkern. Die Photographen spotten aller Anstrengungen der Arithmetiker.

Der Höllenstein ist salpetersaures Silberoxyd. Er hat wie viele Silbersalze die Eigenschaft unter der Einwirkung des Lichtes schwarz zu werden, und diese Eigenschaft bringt in der Camera obscura die Bilder auf dem Papiere hervor. Das zu photographischen Aufnahmen bestimmte Papier wird mit einer Silberlösung getränkt, in die dunkle Kammer an diejenige Stelle gebracht, wo das Bild hinfällt, und den Strahlen desselben eine gewisse Zeit ausgesetzt. Je nach dem Grade ihrer Beleuchtung werden die hellen Stellen schwarz, die dunklen (Schatten-) Partien dagegen bleiben hell. Es entsteht ein sogenanntes negatives Bild, welches gewissermaßen wie die verkehrte Schrift eines Petschaftes zur Herstellung naturgetreuer, positiver Bilder benutzt, aber auch selbst durch mancherlei chemische Proceduren in ein solches verwandelt werden kann.

Ein Pfund Silberlösung mit einem Gehalt von drei Loth salpetersaurem Silberoxyd genügt, um 800 Papierstücke von der Größe der jetzt beliebten Visitenkartenbilder zu präpariren. Mit einem Pfund Höllenstein ist also 4000 zärtlichen Paaren die Möglichkeit gegeben, sich erlaubter oder unerlaubter Weise zu besitzen.

Der Höllenstein hat eine dämonische Natur. Er ist den beziehentlichen Eltern und Vormündern gefährlicher als der Schmied von Gretna Green. Wie die Schmetterlinge beglückt er die heitere Jugend, dem humpelnden Kohlbauer legt er gotteslästerliche Reden in den Mund. Ihn aus der Liebe verbannen zu wollen, wäre so albern, als den Molkendieben das Eierlegen untersagen zu lassen.

In der Gold- und Silberscheideanstalt zu Frankfurt sind im letzten Geschäftsjahre über 5400 Pfund des feinsten Kornsilbers im Betrage von 163,428 Thaler an chemische Fabriken zur Darstellung von salpetersaurem Silber geliefert worden.

Aus diesen 54 Centner Silber können 6992 Pfund Höllenstein angefertigt werden. Jedes Pfund davon läßt eine Präparirung von 8000 Visitenkarten zu. Die freie Reichsstadt hat also allein schon das Ihrige in einem Jahre gethan, um jeden lebenden Deutschen mit all seinen Orden, Rüstungen, ledernen Fahnen, oder was er sonst zu seiner persönlichen Ausschmückung für das passendste hält, der Nachwelt zu überliefern.

Von England kommen Visitenkarten in den Handel, deren eine 500 Köpfe berühmter Persönlichkeiten enthält. Die Photographen werden dem Conversationslexikon Concurrrenz machen. Ein Pfund Höllenstein ermöglicht die Herstellung von zwei und einer halben Million berühmter Männer. So viel könnten wir ungefähr in Deutschland zusammenbringen, wenn wir die Gelehrten des kleinen Reactionair mitrechnen wollten. Im Ganzen aber hätte die Frankfurter Scheideanstalt das Material geliefert für 22,000 Millionen Portraits. Nun sage man, daß das Silber nicht das edelste Metall ist. Aus einem bleiernen Löffel macht ein Nürnberger Spielwaarenfabrikant 25 Soldaten, Officiere oder Gemeine, gleichviel, aus einem silbernen kann der König von Preußen sich jeden Soldaten seines Kriegsheeres einzeln abbilden lassen.




Berthold Auerbach’s Volkskalender für 1864 wird auch diesmal in seiner bekannten schönen Ausstattung Anfang September bei dem Verleger der „Gartenlaube“ erscheinen. Er bringt wiederum von Männern der Wissenschaft, der Kunst und des praktischen Lebens eine der Blüthe und Bildung Deutschlands würdige Nahrung. Die Illustrationen von W. v. Kaulbach und Paul Thumann gereichen demselben sehr zur Zierde und sind, wie sich das von den beiden Künstlern erwarten läßt, vortrefflich ausgeführt. Der Kalender enthält an sonstigen Beiträgen: Ein vollständiges Kalendarium. Mit Monatsbildern von W. v. Kaulbach. Wilhelm Tell. Eine Erzählung von Moritz Hartman. – Die Baumwolle und der Mensch. Ein Bild aus der Culturgeschichte von Berthold Sigismund. – Ja, Anno Dreizehn! Eine Geschichte von Edmund Höfer. – Das Huhn, geschichtlich und nationalökonomisch betrachtet von Eduard Uhlenhuth. – Böse Saatfrucht. Eine Erzählung von Berth. Auerbach. – Die Zehntablösung. Ein Capitel aus dem norddeutschen Bauernleben von M. Anton Niendorf. – Eine Winternacht auf der Locomotive. Eine Skizze von Max Maria v. Weber. – Die unsichtbare Geistermusik. Ein Graudenzer Erlebniß von Ludwig Walesrode. – Heiteres und Ernstes von Berthold Auerbach.




Kleiner Briefkasten.

Dr. in P. Ueber die Wagner-Liszt’sche Richtung sind seit einem Decennium so viele Bücher und Aufsätze erschienen, daß das Publicum, welches sich dafür interessirt, nur noch ein äußerst geringes ist. Die Mehrzahl, das wissen wir aus Erfahrung, überschlägt jetzt Artikel über diesen Gegenstand. Ihr Artikel kann daher keine Verwendung in der Gartenlaube finden.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 480. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_480.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)