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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

unzweifelhaft mit Wissen und Willen seines Herrn, vor dem er Staub war, auch noch nach der Eröffnung des Herbstfeldzugs von 1813 sein „Finassiren“ mit Napoleon fortbetrieben, sehr eifrig namentlich unmittelbar nach der letzten großen Liebkosung, welche Dirne Fortuna ihrem verwöhnten Liebling am 27. August bei Dresden zu Theil werden ließ. Aber die preußischen, gegen den Willen des erbärmlichen Zweiächslers Bernadotte erfochtenen Siege von Großbeeren und Hagelsberg – dann der große Blüchersieg an der Katzbach und endlich der russisch-österreichisch-preußische Triumph bei Culm, sie machten dem „Finassiren“ vorerst ein Ende und knüpften den Knoten der Allianz Oesterreichs mit den Verbündeten mittelst des Teplitzer Vertrags vom 9. September fester. Auch hiebei aber setzte es in Betreff der deutschen Sache seine Absicht und seinen Willen durch. Der Freiherr von Stein forderte bei dieser Gelegenheit bekanntlich die Wiederherstellung des deutschen Kaiserthums in verbesserter Gestalt. Preußen widersetzte sich und noch entschiedener Oesterreich. Hardenberg und Humboldt schlugen dann die Errichtung eines deutschen Bundes vor mit straff-föderativen Formen, kraft welcher die Souverainetätsansprüche der mittleren, kleineren und kleinsten deutschen Staaten zu Gunsten des Ganzen beschränkt werden sollte. Allein auch davon wollte Oesterreich Nichts wissen, und Metternich brachte es dahin, daß festgesetzt und erklärt wurde, der Rheinbund zwar müsse aufgelöst werden, allein die Fürsten desselben und überhaupt sämmtliche zwischen dem wiederhergestellten Oesterreich und Preußen, dem Rhein und den Alpen gelegenen Staaten und Stäätchen sollten die volle und unbedingte Souverainetät besitzen („l’indépendence entière et absolue“).

Damit waren die Hoffnungen auf die Herstellung deutscher Nation, auf ein deutsches Gesammtvaterland glücklich vermetternicht, d. h. eingesargt und begraben. Die geäfften Deutschen schlugen sich fortan, indem sie gegen den Napoleonismus weiterfochten, im Grunde nur noch für einen anderen Anstrich ihrer Fesseln, für dynastische Egoismen und diplomatische Ischariothismen, und der veränderte Charakter des ganzen Krieges gab sich hörenden Ohren schon dadurch deutlich kund, daß in den Lagern an die Stelle der Arndt- und Körner’schen Eisen- und Feuerlieder die anbefohlene allbekannte officiell-servile Drehorgelei gesetzt ward. Also triumphirte Oesterreich, die Zweideutigkeit der russischen und die Schwäche der preußischen Politik gleichermaßen irreführend. Und nicht zufrieden damit, Princip und Charakter des widernapoleonischen Krieges gefälscht zu haben, hat die Metternich’sche List nachmals noch den Versuch gemacht, durch die Feder von Judas Gentz auch die Geschichte dieses Krieges zu fälschen, indem sie den genannten Judas, in schreiendem Widerspruch gegen früher von ihm selber gethane Aeußerungen, lügen ließ: „die Völker, die Jugend, die Freiwilligen hätten Anno 1813 so gut wie gar Nichts gethan, sondern Alles sei vollbracht worden durch die wundervolle, im Stillen längst vorbereitete Eintracht der Höfe.“

„Wenn heut’ ein Geist herniederstiege“ und fragte: „Aber ließen sich denn die Völker solchen schnöden, höhnischen Undank gefallen?“ – so müßte die Antwort lauten: Ja wohl! denn was ließen und lassen sich die Völker nicht Alles gefallen? O, sie hatten ja, nachdem sie damals gelitten und gestritten, um also belohnt zu werden, vollauf zu thun, ihre Todten zu begraben, ihre Wunden zu verbinden, ihre eingeäscherten Häuser wieder aufzubauen, ihre zerstampften Felder wieder zu beackern, – wie hätten sie, den schweren Kampf um des Lebens Nothdurft kämpfend, Sinn und Zeit haben sollen, zu bedenken, wie ungeheuer man sie betrogen? …

Etwas jedoch war, allen Metternich’schen Betreibungen und Erfolgen von Reichenbach und Teplitz zum Trotz, auch im Herbste von 1813 vom Frühlingsgeist des großen Jahres noch vorhanden und in frischester Wirksamkeit. Das war der deutschpatriotische Zorn, der flammende Napoleonhaß, welcher in dem Zelte des alten Blücher wachte. Hier lebte fortan der Nerv des Krieges, hier ward der Gedanke: „Herunter muß der Bonaparte!“ täglich auf’s Neue zur That, um mit unlähmbarer Federkraft den Zwingherrn erst nach Elba und dann nach Sanct Helena zu schnellen. Man hat dem Generalissimus der Coalition, dem Fürsten Schwarzenberg, dessen Oberbefehlshaberschaft übrigens mehr nur eine formelle als eine substantielle gewesen ist, vielfach Unrecht gethan, indem man ihm Mängel und Mißgriffe in seiner Kriegsführung zum Vorwurf machte, welche eigentlich ganz andere Leute als er verschuldet haben. Des Fürsten Heercommando war ein Martyrium, wie das seine erst neuestens bekannt gewordenen vertraulichen Auslassungen (in den während der Feldzüge von 1813–14 an seine Frau geschriebenen Briefen) klärlich darthun, und er hat, soweit seine Fähigkeiten reichten, seine Pflicht im Sinn und Geist eines österreichischen Magnaten zwar, aber durchaus als ein redlicher, humaner, ehrenhafter, versöhnlich-vermittelnder Mann gethan. Ganz unzweifelhaft jedoch ist, daß der Schwarzenberg mit dem Napoleonismus nie zu Stande gekommen wäre, falls nicht der widernapoleonische Geist, welcher im Blücher’schen Heere lebte und auch die preußischen Generale und Soldaten beim Nordheer beseelte, unablässig vorwärts und zur Entscheidung gedrängt und getrieben hätte. Es ist jetzt auch anerkannt, von und bei Wissenden wenigstens, daß die berühmte „Zwickmühle“, d. h. der Trachenberger Kriegsplan vom 11. Juli, welchen man lächerlicher Weise Bernadotte zugeschrieben hat, den Napoleon entweder gar nicht oder jedenfalls nicht so tüchtig und vernichtend gezwickt haben würde, wie sie that, falls nicht der Blücher dafür gesorgt hätte, daß die Wände dieser Zwickmühle mehr und mehr um den Schlachtendonnerer her zusammengeschoben wurden.

Wahrlich, der heldenmüthige Alte, welchen Napoleon in seiner Wuth einen „versoffenen Husaren“ und die Umgebung seines Königs einen „betrunkenen Tollkopf“ und „blinden Dreinstürmer“ gescholten haben, er hat den Sinn des restlichen, von Toll, Radetzky und Knesebeck mitsammen entworfenen und festgestellten Kriegsplans am besten begriffen und am thatkräftigsten zur Ausführung gebracht. Das ganze Verhalten des schlesischen Heeres vom Beginn des Herbstfeldzugs bis zum 18. October bezeugt das unwiderleglich. Als die preußischen Generale Bülow, Tauenzien und Borstell abermals ihrem Oberfeldheren Bernadotte zum Trotz am 6. September bei Dennewitz ruhmvoll geschlagen und glänzend gesiegt hatten, begann Blücher, nachdem er sich mit diesen seinen Waffenbrüdern verständigt hatte, seine „Rechtsabschwenkung“ aus Schlesien und erzwang am 3. October bei Wartenburg, wo der York mit seinem Harst hochherrlich die „Pflaumenschlacht“ focht und gewann, den Uebergang über die Elbe, welcher auch den Bernadotte, obzwar sehr gegen seinen Willen, über den Strom nachzog und dem schwarzenbergischen Heere Luft und Lust schuf, wiederum aus Böhmen hervorzubrechen und zwar diesmal in der Richtung auf Leipzig. Diese Blücher’sche Handhabung der kolossalen Heerzange, womit die Verbündeten ihren Gegner zu umfassen und zu packen suchten, ist es gewesen, welche den Napoleon zwang, endlich die Elblinie aufzugeben und, nach dem fehlgegangenen Stoß in der Richtung auf Düben, in die Ebenen von Leipzig zurückzuweichen, wo aber nicht, wie er noch immer sich schmeichelte, ein entscheidender Sieg, sondern eine vernichtende Niederlage seiner wartete. Nicht also, wie die napoleonische Mythologie gefabelt hat, der „Abfall“ Baierns, welchen Napoleon erst am 13. October erfuhr, nachdem er schon am 8. Dresden verlassen hatte, sondern der Elbübergang Blücher’s war das entscheidende Moment in der Kette von Ursachen, welche die Entscheidung bei Leipzig herbeigeführt haben. Daß aber der Entscheidungstag schon der 16. October, daß der eigentliche Held dieses Tages der geniale Feldhauptmann und tapferste Soldat Prinz Eugen von Würtemberg bei Wachau und der eigentliche Entscheider der alte Blücher bei Möckern gewesen ist, darüber kann heute gar kein Zweifel mehr sein.

Es verdient als ein eigenthümliches Schicksalsspiel noch besonders hervorgehoben zu werden, daß, während der „dicke Frieder“ von Würtemberg eine der Hauptstützen der napoleonischen Zwingherrschaft in Deutschland war, ein Prinz seines Hauses, der genannte „Prinz Eugenius der edle Ritter“, in den Feldzügen von 1812, 1813 und 1814 als einer der tüchtigsten Hebel zum Sturze des Napoleonismus sich bewährte. Und ebenso muß betont werden, daß es ein schwersterworbenes, aber größtes Verdienst des alten Recken Gebhard Leberecht gewesen ist, den „Piaffirer“ (Großthuer) Bernadotte, dem die zweideutige czarisch-alexandrische Politik zu einer Rolle verholfen hatte, welche die Befähigung und noch mehr den Charakter des Gascogners weit überstieg, an der Elbe festzuhalten und auf das Entscheidungsfeld „heranzukriegen“. Mußten doch alle Saiten der Geduld sowohl als der Entschiedenheit aufgezogen werden, um zu erreichen daß der gasconische Capriolenschneider, welcher aus dem trüben Wasser seines Gebahrens die Krone von Frankreich heraufzufischen wähnte, mit seinen 90,000 Mann da nicht ausrisse, wo der Blücher mit seinen 60,000 Mann anzugreifen entschlossen war. Es ist uns, beiläufig bemerkt, aus

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