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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Gustav Adolph Wislicenus.

wird. So war es mit den Aposteln der politischen Freiheit, mit dem Friedensapostel Elihu Burritt, und so ist es mit Wislicenus, dem Apostel der religiösen Freiheit. Von frühester Jugend den religiösen Gefühlen hingegeben, wählte er 1822 Theologie und Pädagogik zu seinem Studium und Beruf, versenkte sich in die religiösen Mysterien des Christenthums, lernte aber auch bald die Religion mit der Freiheit verbinden und wurde endlich durch die Werke von Feuerbach und Strauß zu seinem Ideale der religiösen Freiheit geführt.

Als Prediger zu Klein-Eichstedt bei Querfurt (1834) und später als solcher in Halle trat er bereits dem starren Dogmenglauben feindlich entgegen; schon damals proclamirte er die freie wissenschaftliche Forschung über die Urkunden der Religion, über die Bibel. Er war aber niemals ein egoistischer Idealist, welcher die erkannte religiöse Freiheit in sich verschließen mochte, vielmehr sträubte sich sein gerader, ehrlicher und fester Sinn gegen die Zumuthung, die eigene Gesinnung nicht praktisch zu bewähren, die Ueberzeugung nicht zur Geltung zu bringen. Es drängte ihn stets, sein Denken und Handeln im Einklang zu erhalten und eine lichtvolle Bibelerkenntniß zu verallgemeinern. In dem Streben, das Volk über Religion und Bibel aufzuklären, trieb es ihn zu Anfang der vierziger Jahre, eine religiöse „Genossenschaft der Lichtfreunde“ zu fördern und 1844 in der „Versammlung der protestantischen Freunde“ einen Vertrag über die Frage zu halten: „Ist die buchstäbliche Auffassung der Bibel oder nur die rationelle Erklärung derselben als Glaubensnorm zulässig?“ Ohne auf Amtsentsetzung (1846) oder Verfolgung zu achten, schritt er in seinem Streben die erkannte religiöse Freiheit zu lehren, immer weiter und weiter. Seinem Werkchen „Ob Schrift, ob Geist“ folgte die Gründung einer „freien Gemeinde“, welche das dogmatische Christenthum mit der Religion des Menschenthums, mit der ethischen und humanisirenden Weltbildung vertauschte. Seine Zeitschrift „Reform“ und seine „Bibel im Lichte der Bildung unserer Zeit“ (1852) waren die nächsten schriftstellerischen Ausläufer seines Ringens nach religiöser Freiheit, während er, von Staat und Kirche abgesetzt und verfolgt, in errichteten Pensionaten, bei New-York und später in Zürich, sein ideales Ziel verfolgen konnte. Er verschmähte die Weltklugheit mancher seiner Amtsbrüder, vermochte sich nicht zur Heuchelei so vieler seiner gleichgesinnten Genossen, sich auch niemals zum Widerruf oder nur zur Milderung seiner mit ihm verwachsenen Grundsätze zu verstehen und ertrug lieber Amtsentsetzung, Gefängniß, Exil und die Herbigkeit der Entbehrung auf dem Ocean einer ungewissen Zukunft, als das Aufgeben seines Ideals.

Dem Abende seines Lebens zuschreitend, concentrirte er endlich

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 469. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_469.jpg&oldid=- (Version vom 28.7.2021)