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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Der Erzieher des Berliner Witzes.

Adolf Glaßbrenner.

Der geistvolle Karl Rosenkranz sagt in dem 1854 bei Brockhaus in Leipzig erschienenen Werkchen: „Aus einem Tagebuch“ sehr richtig:

„Es giebt Schriftsteller, die wir nicht zu den Klassikern rechnen und welche doch auf ihrem Gebiet classisch sind. Sie können auch einen Umfang der Wirksamkeit erreichen, der dem eines Klassikers gar nichts nachgiebt. Zu diesen Autoren rechne ich Adolf Glaßbrenner. Was hat die leichte, witzige, quecksilberne Feder dieses Mannes nicht schon hervorgebracht! Er ist der Schöpfer der sogenannten Guckkästnerliteratur, welche dem Berliner Jargon ein so großes Publicum in allen Ständen durch ganz Deutschland erschaffen hat. Er ist der Schöpfer zugleich der demokratischen Anschauungsweise des Berliner Bürgers, der aber in den anderen Städten der Monarchie seine Stammgenossen hat. Erfreulich ist es, zu sehen, wenn ein solcher Mann Beweise einer höheren Auffassung, eines idealern Talents giebt. Das hat Glaßbrenner soeben durch seinen ,Neuen Reinecke Fuchs’, ein episches Gedicht in sehr gewandter Sprache, eine Satire auf den Jesuitismus, gethan.“

Seitdem hat dieses Epos die vierte Auflage erlebt, ebenso wie seine Gedichte; die „verkehrte Welt“ erscheint sogar in der fünften. Ein Dichter mit so glücklichen Erfolgen dürfte wohl das Interesse unserer Leser in Anspruch nehmen und diesen darum eine kurze Lebensskizze nicht unerwünscht kommen. Sie ist bald gegeben.

Adolf Glaßbrenner wurde am 27. März 1816 zu Berlin geboren. Sein Vater war ein Würtemberger, seine Mutter eine Berlinerin. Ohne Zweifel ist diese Abstammung auf den Geist des Sohnes nicht ohne Einfluß geblieben. Der Berliner Mutterwitz erscheint darin auf höchst eigenthümliche Weise mit der schwäbischen Gemüthlichkeit gepaart, und gerade diese Paarung hat es Adolf Glaßbrenner möglich gemacht, sich aus der Berliner Guckkästnerliteratur heraus zu einem Poeten emporzuschwingen, der als einer der populärsten der Neuzeit gelten muß. Seine Lieder und Epen schlagen häufig genug einen Ton an, wie er nur derjenigen Muse zu Gebote steht, die so zu sagen die Muttermilch der echten Rationalität gesogen und mit dem wirklichen Volksliede sich in der innigsten Vertrautheit, in einer Art Seelenbund befindet. Sie trifft mit einem wunderbaren Geschick dessen eigenste Wendungen, dessen lachendste Drolligkeit und rührendste Stimmung. Nicht mit Unrecht hat man Adolf Glaßbrenner ein Stück deutschen Beranger’s genannt. Ihm stehen, wie diesem, eine virtuose Meisterschaft der

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_117.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)