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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Georg Wilhelm, Bruders des Landgrafen, Großmutter der Königin Louise von Preußen) zwei Herren traten, von denen der Eine richtig einen derben Wurf empfing, welcher der Freundin gegolten hatte. Mit einem Schrei wandten sich die Mädchen sofort zur Flucht, allein „Strafe muß sein!“ riefen ihnen die Herren nach und verfolgten sie auf das Hartnäckigste. Die Jagd ging bis an das alte Jagdhaus (am Paradeplatz), da wurden die Uebelthäterinnen eingeholt, gefaßt und trotz alles Schreiens und Sträubens tüchtig abgeküßt; sie liefen feuerroth und beschämt nach Hause, während die Herren lachend umwandten und dem Schlosse zuschritten.

Am nächsten Vormittag war sogenannte große Cour bei Hofe; fremde Herrschaften waren anwesend (Carl August von Weimar und seine Gemahlin Louise, eine hessen-darmstädter Prinzessin), es gab also etwas zu sehen. Unter den Zuschauern stellten sich auch die beiden Mädchen ein, deren Väter in Amtsthätigkeit waren. Da, wer beschreibt ihr Erstaunen, als sie in dem Cirkel der Auserwählten die beiden jungen Männer erblickten, die am vergangenen Abend eine kleine Unvorsichtigkeit so hart gestraft hatten! Es waren – der Prinz Georg von Hessen und der Dichter Friedrich Schiller. Der Letztere hatte Tags vorher den Landgräfinnen, Töchtern und Schwägerinnen der geistreichen Freundin Merck’s und Klopstock’s, Henriette Caroline – welcher Friedrich der Große das Denkmal setzte: Femina sexu, ingenio vir – und ihren fürstlichen Gästen den ersten Act des Don Carlos vorgelesen, zuvor aber sich von frischen Lippen die nöthige Stimmung dazu geholt.

Gutes Großmütterchen, mit welchem Selbstgefühl sie sich der Erinnerung freute: „Mir hat der Schiller einen Kuß gegeben!“ Denn allerdings hatte der Prinz Georg ihre Freundin – eine auffallende Schönheit – erwischt, und wunderbaren Eindruck muß jener eroberte erste Kuß auf ihn gemacht haben, denn er hat sie später, nachdem sie zur Baronesse erhoben worden ist, geheirathet. Also war in diesem Falle ein Schneeball Ehestandsprocurator. W. H.     


Erklärung. Es ist ordentlich komisch, daß ich seit der Zeit, wo ich in der Gartenlaube gegen das alberne Wohl- und Hochwohlgeboren auftrat und besonders bat, mich mit solchen Anspielungen auf meine Geburt zu verschonen – eine Menge von Briefen bekomme, die schrecklicher Weise auf der Adresse lauten:
 „Sr. Hochwohlgeboren
 dem Herrn Hofrath Friedrich Gerstäcker.“
Sehe ich aus, wie ein Hofrath? Es giebt aber eine Menge von Menschen, die eine Beleidigung auszusprechen glauben, wenn sie auf die Adresse eines Briefes den einfachen Namen eines Menschen setzen sollen. Es muß ein Handgriff dabei sein, wie sie denken; so habe ich denn schon die unglaublichsten Adressen erhalten. So z. B.: Herrn Forstsecretair, Herrn Jagdsecretair, Herrn geheimen Hofrath und Ritter etc. etc. – Herrn Professor, Herrn Doctor – ja, sogar einmal von Jemandem, der wahrscheinlich nicht genau wußte, ob ich Doctor sei oder nicht – als Aus- oder Mittelweg „Herrn Apotheker“ Gerstäcker.

Ich sehe mich dadurch veranlaßt, zu erklären, daß ich gar keinen Titel habe, ja, mehr noch als das, daß ich nie im Leben einen erhalten oder führen werde und vollkommen damit zufrieden bin, mich einfach zeichnen zu dürfen
Gotha, im März 1865. Friedrich Gerstäcker.     


Kleiner Briefkasten.

D … in K . . n. Allerdings ist die historische Skizze, die Sie im P . . r. L . . d gelesen haben, nichts weiter als der Nachdruck eines in der Gartenlaube veröffentlichten Originalartikels. Wie wir Ihnen sehr dankbar sind für Ihre desfällige Mittheilung, so bitten wir Sie, und mit Ihnen zugleich alle Leser und Freunde der Gartenlaube, uns auch fernerhin Anzeige machen zu wollen, wenn Ihnen dergleichen unerlaubte Nachdrucke aus unserem Blatte wieder zu Gesichte kommen, damit wir unsererseits Maßnahmen wider diese kecke Freibeuterei treffen können.

M. in Ghy. Auch Du Brutus, oder vielmehr auch Sie, alter Freund, schicken Gedichte? Ach, Sie ahnen nicht, wie viel wir von der Poesie zu leiden haben, namentlich aus Oesterreich! Bildung macht frei, sagt ein altes Sprüchwort und ein Dichter sollte doch wohl so gebildet sein und immer frei machen. Das ist aber leider nicht der Fall und die schlechtesten Gedichte sind gewöhnlich auf das schwerste Papier geschrieben. Neulich kam ein dickes Couvert aus Süddeutschland, von dem uns Böses ahnte, und richtig, als wir öffneten, wieder Gedichte „an Deutschland“, sehr lange – lange Gedichte aus Darmstadt! „Ich bin,“ schreibt der begeisterte Dichter, „ein deutscher Jüngling und Schlosser. Weil ich seit einigen Wochen so von Rheumatismus geplagt werde, daß ich nicht arbeiten kann, übe ich mich inzwischen im Dichten und sende Ihnen anbei die ersten sechs Gedichte an unser Vaterland! Nächste Woche empfangen Sie eine größere Anzahl!“ – Großer Gott! noch mehr von dem Dichter aus Rheumatismus!

K. in L. Warum bei so reichem Talent diese übertriebene Bescheidenheit? Es ist Pflicht jedes braven Mannes, an dem großen Werke mitzuarbeiten, einerlei, welche Stellung im Leben er einnimmt und welchem Glauben er angehört. Wenn nur Jeder in seinem Kreise und in seiner Weise tüchtig schafft und aufräumt, so wird schon reine Bahn werden – trotz alledem und alledem. Ein wackerer Freund der Gartenlaube, der auch in sehr bescheidenen Verhältnissen lebt, aber jede Gelegenheit ergreift, die Köpfe seiner Nachbarn hell und klar zu machen, schrieb uns vor einigen Jahren sehr treffend:

Ob Katholik, ob Lutheraner,
Ob reformirt, das thut es nicht,
Wenn nur im Herzen Puritaner
Und Protestant für Recht und Licht;
Wenn Jeder, Pfaffe oder Laie,
Nur treu und fest im heil’gen Streit,
Bis daß das Gotteslicht, das freie,
Auch von dem Lügenzwang befreit.

Was hilft’s um trübe Formen rechten,
Den Menschentand am Gotteswort? –
Der Geist läßt sich ja doch nicht knechten,
Er zieht die Welt erobernd fort. –
Noch bleibt uns Bess’res zu erringen,
Noch ist die Welt kein Himmelreich;
Und bei des Geistes Vorwärtsdringen
Zählt jeder wack’re Kämpfer gleich.

G. in Eßl. Sie sind ungerecht. Sobald sich der Autor genannt und so weit es sich nicht um einen prononcirt ausgesprochenen Tendenzartikel handelt, kann der Redaction die volle Vertretung der in Novellen, historischen Schilderungen, Reiseskizzen etc. etc. hie und da eingestreuten politischen oder religiösen Bemerkungen und Urtheile ihrer Mitarbeiter niemals zugemuthet werden. Unsere Gartenlaube ist kein Parteiblatt im eigentlichen Sinne des Wortes, und die Redaction, wollte sie Ihren Wünschen genügen, würde oft in Verlegenheit kommen, ganze Sätze zu streichen und so den organischen Zusammenhang eines Artikels zu stören – ein Verfahren, welches die Reihe unserer Mitarbeiter sehr rasch lichten würde. In solchen Nebendingen liegt auch nicht die Tendenz einer Zeitschrift. – Was übrigens den angeführten Fall betrifft, so sind eine Anzahl der liberalsten Zeitungen mit dem Verfasser jenes Beitrags vollkommen einverstanden und es dürfte bald die Zeit kommen, wo ganz Deutschland dem Ausspruch des gewiegten Historikers beistimmen wird.

K. in L. Ob die Gartenlaube nicht bald einen eingehenden Artikel über das verschrobene und unklare Gebahren jener mehr als frommen Buchstaben-Gläubigen bringen wird? Nein, lieber Freund! Dazu ist unsere Zeitschrift sicher nicht da! Die Gartenlaube soll durch die Wucht der mitgetheilten Thatsachen wirken und darf erwarten, daß ihre Leser die daraus zu ziehenden Schlußfolgerungen selbst zu finden wissen. Das Treiben dieser Leute huldigt einer Tagesmode, die bald genug durch eine andere verdrängt werden wird. Gutzkow hat ganz Recht, wenn er den Fanatismus für das conventionell Religiöse als den Mehlthau bezeichnet, der auf all unseren Geistesblüthen sitzt. „Man denkt nicht mehr, man prüft nicht mehr, man übt Religion nur um der Religion willen. Man ehrt sie um ihre Ehrwürdigkeit, man ehrt sie, wie man Eltern ehrt, deren graues Haar unsere Kritik über die Schwächen, die sie besitzen, entwaffnen soll. Das ist der Standpunkt der Salon-Religion, wohl zu unterscheiden von der aufrichtigen Herzensreligion. Man will nicht prüfen, man will nicht forschen, man umrahmt mit Gold und Edelstein die Tradition, die man auf sich beruhen läßt. Man schlägt sein rauschendes Seidenkleid in künstlerische Falten, wenn man im Gebetstuhl niederkniet; man schlägt sein goldenes Gebetbuch auf, liest halb gedankenlos, was alte Zeiten dachten, denkt vielleicht mit Rührung dieser Zeiten, wo der Glaube mit so vielem Blute mußte besiegelt werden, gesteht wohl auch seine eigenen sündigen Einfälle und Neigungen ein, giebt sich den Klängen einer vom Chor einfallenden Musik mit einigen quillenden Thränen der Nervenschwäche und Rührung hin und verläßt die Stätte der Andacht mit dem Gefühl, doch dem Alten Rechnung getragen, doch eine Demonstration gegeben zu haben gegen die anstößige und in allen Stücken gefährliche neue Welt“ Das ist die Religions-Mode des Tages.“




Preisermäßigung
von
Berthold Auerbach’s Volkskalender für 1860–1864.

Derselbe enthält in Erzählungen, landschaftlichen, Zeit-, Cultur- und Sittenbildern etc. Beiträge von den hervorragendsten Autoren, wie 'Berth. Auerbach – Karl Andree – Fr. Gerstäcker – Berth. Sigismund – Gottfr. Keller – R. Virchow – A. Bernstein – Ernst Engel – Reinh. Holger – Moritz Hartmann – Ed. Uhlenhuth – Edm. Hoefer – M. Ant. Niendorf – Max Maria v. Weber – Ludw. Walesrode etc., und zahlreiche Bilder nach Zeichnungen der bedeutendsten Künstler, wie Wilh. v. Kaulbach – Julius Scholtz – Arthur v. Ramberg – Adolph Menzel – Ed. Ille – Paul Thumann u. A., und kostet

fünf Jahrgänge 1860–1864 zusammengenommen anstatt 2 Thlr. 2 ½ Ngr. – nur 10 Ngr. excl. Frachtspesen.
Der Verkauf ist Herrn Louis Zander, Georgenstraße Nr. 28 in Leipzig, übertragen und sind Exemplare durch alle Buchhandlungen von demselben zu beziehen.

Wie aus den obigen Angaben ersichtlich ist, verleihen sowohl die literarischen Beiträge, unter denen namentlich die Erzählungen von B. Auerbach – „Das Fähnlein der sieben Aufrechten“ von Gottfr. Keller – „Eine Winternacht auf der Locomotive“ von Max Maria v. Weber bedeutend sind, wie die illustrative Ausstattung dem Werke einen bleibenden Werth, und es dürfte daher überflüssig sein, dasselbe, welches unter allen Kalendern den ersten Rang einnimmt und hiermit dem Publicum zum ersten Male zu einem ermäßigten Preise geboten wird, noch besonders zu empfehlen.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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