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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Negerleben.
Skizze von Fr. Gerstäcker.
Die Sclavenfrage. – Behandlung. – Der Neger bei der Arbeit. – Verachtung der Neger. – In Ecuador und Peru. – Charakter der Neger. – Ein Bild aus dem Negerleben. – Bei einem reichen Neger. – Die Fähigkeiten des Negers.

Die Menschen gewöhnen sich – und es ist das eine merkwürdige Thatsache – mit der Zeit selbst an das Wunderbarste, so daß sie es zuletzt nicht einmal der Mühe werth halten, mehr darüber nachzudenken. Wir sehen die Sonne auf- und untergehen, die Pflanzen keimen und wachsen, das Meer ebben und fluthen – sehen Winter und Sommer kommen, den Baum aus einem Kern, den Schmetterling aus einer Raupe, den Lieutenant aus einem Wickelkind entstehen, und bemerken die Verwandlung nicht einmal mehr, die für uns etwas Alltägliches geworden.

So staunen wir auch wohl anfangs neue Erfindungen an und bewundern die Kraft des Dampfes und Elektro-Magnetismus – aber nicht lange, dann benutzen wir sie und können uns kaum noch denken, daß es eine Zeit gegeben hat, in der sie nicht gekannt war.

Ebenso geht es mit althergebrachten Gewohnheiten und Sitten. Kommt ein Europäer in ein tropisches Land, so ist er ganz erstaunt, dort auf einmal einer Race zu begegnen, die vollkommen nackt in der Welt herumläuft, und will sich halb todt lachen, wenn sich der König eines fremden Volkes zu ihm auf die Erde setzt und ihn um etwas Tabak anspricht; aber kaum lebt er vier Wochen unter den Leuten, so sieht er weder die Nackten mehr, noch findet er etwas Außerordentliches in der Herablassung Sr. Majestät.

Genau so geht es uns mit der Sclaverei.

Wenn sie noch nie bestanden hätte und ein Mensch sich, dann erfrechen wollte, einen zweiten, der eine andere Hautfarbe hat, als er, und nicht ganz so „gebildet“ ist, zu zwingen, für ihn umsonst zu arbeiten, während er in der nämlichen Zeit dessen Frau und Kinder an einen Dritten verkaufte, so wären wir außer uns und hielten das mit Recht für eine Scheußlichkeit und Niederträchtigkeit. Jetzt aber sind wir so gewohnt, von Negersclaven und deren Versteigerung zu hören, daß die meisten Menschen bis vor kurzer Zeit gar nichts Absonderliches mehr in der Sache fanden. Ja, in den Ländern, wo die Sclaverei wirklich bestand, wurde sogar das Recht der Weißen, schwarze Sclaven zu halten, in den Schulen gelehrt, und Geistliche entblödeten sich nicht, die heilige Schrift zu mißbrauchen, um ein solches Verbrechen als von Gott selber eingesetzt hinzustellen.

Daß wir die Baumwolle theurer bezahlen müssen, wenn es einmal keine Sclaven mehr giebt, steht wohl fest, denn der Arbeiter verlangt dann seinen verdienten Lohn, aber das Rechtlichkeitsgefühl civilisirter Menschen hat sich endlich dahin ausgesprochen, daß ein wenn auch durch Jahrtausende geübter Brauch doch ein Mißbrauch und eine Niederträchtigkeit sein könne, und während in Rußland die Leibeigenen freigegeben werden, traten in Nordamerika Hunderttausende unter Waffen, um ihr Vaterland von der Schmach zu befreien, zu den Sclavenstaaten gezählt zu werden.

Es fällt mir indessen hier nicht ein, eine Abhandlung über die Sclaverei, ihre Nichtberechtigung oder Berechtigung zu schreiben. Der gesunde Sinn des Volkes hat längst darüber entschieden und sie für ein Verbrechen erklärt – wenn es auch selbst in Deutschland noch einige Menschen giebt, die sie vertheidigen und mit schalen Phrasen ihre Existenz als nothwendig darzustellen suchen. Ich selber möchte hier dem Leser nur eine kurze Schilderung der Zustände geben, in denen ich Neger in den verschiedenen Welttheilen getroffen habe, und eine solche Zusammenstellung ist immer insofern interessant, als sie einen Vergleich zuläßt.

Von der Heimath der Neger will ich nicht reden. Leute, die mit deren Vaterland genau vertraut sind, haben das schon viel besser gethan, als ich es im Stande wäre. Nach Allem aber, was man von ihnen hört und sieht, scheint es, daß sie dort, wo sie mit den Weißen noch nicht in nähere Berührung kamen, wie das auch bei den Indianern der übrigen Welttheile der Fall ist, harmlos und gastfrei sind und eben nicht mehr arbeiten, als sie zu ihrem Lebensunterhalt brauchen.

Dann kommen die Europäer zu ihnen. Portugiesische Sclavenhändler durchziehen das Land, die Gier nach Reichthümern wird in ihnen erregt, alle Leidenschaften werden wachgerufen und zu Verbrechen gesteigert, und dann werfen sich die Weißen in die Brust und sagen: „Was für thierische Völker sind das! Kann sie Gott der Herr für etwas Anderes erschaffen haben, als den Weißen durch ihre Körperkraft zu dienen?“

Wir wollen uns diese thierischen Völker betrachten, wie sie in anderen Ländern der Erde leben, wohin sie aber nur durch die Weißen selber gebracht wurden.

Die eingeborenen Afrikaner sind nämlich keine seefahrende Nation, woran auch vielleicht die ungünstige Beschaffenheit ihrer Küsten die Schuld trägt. Nur die ihnen zunächstliegenden wenigen Inseln haben sie bevölkert und sie entweder ganz besetzt, oder sich mit den Ureinwohnern vermischt, wie z. B. auf der Westküste von Madagascar.

Daß die Eingeborenen Australiens eine Mischlingsrace von Aethiopiern und Malayen sein sollten, ist nur eine Phantasie Blumenbach’s. Die australischen Schwarzen sind ein unzweifelhafter Urstamm, und nie hat ein Aethiopier oder Neger deren Küsten, außer auf einem Schiffe der Weißen, betreten.

Auch im ostindischen Archipel, ja selbst in dem ihnen gegenüberliegenden Arabien finden wir keine Spur von ihnen als freien Einwanderern. Sie sind nur als Sclaven dort hinüber geschleppt, während sie von den an ihren Küsten landenden Abkömmlingen der kaukasischen Race weiter und weiter in das innere Land zurückgedrängt wurden.

Wenn sie aber nicht selber zur See gehen wollten, so gab man ihnen Passage, und die Spanier und Portugiesen, nachdem sie in Amerika die gutmüthigen Indianer unter dem Vorwand, ihre Seelen zu retten, erschlagen oder zu Tode geknechtet hatten, mußten schon Sclaven dorthinüber führen, um die Arbeit zu thun, die das faule Seeräubergesindel nicht selber verrichten mochte.

Nordamerika folgte, und wie sich der Reis-, Baumwollen- und Zuckerrohrbau als ergiebig zeigte, schaffte man Neger dorthinüber, die nicht allein die Felder bestellen mußten, sondern auch einen einträglichen Handelsartikel bildeten.

Die Sclaven werden nun überall, wo man sie hält, nur in seltenen Fällen wirklich schlecht behandelt, denn es liegt im eigenen Interesse des Besitzers, sie gesund und bei Kräften zu erhalten. Sie dürfen deshalb ebensowenig, wie ein Pferd oder Stier, überarbeitet werden, und die Hauptkunst eines ordentlichen „Sclavenzüchters“ besteht darin, so viel Arbeit aus ihnen herauszubekommen, als sie leisten können, ohne sie dabei zu schädigen.

Es giebt Ausnahmen – ich kenne auch selbst aus den Vereinigten Staaten Beispiele von boshafter, ausgesuchter Grausamkeit – Geschichten, wie sie selbst Mrs. Beecher-Stowe nicht schlimmer erdacht hat, die doch das Mögliche darin leistete, aber es sind das doch nur Ausnahmen. Im Ganzen hatten sie ihre bestimmte Arbeitszeit und ihre ihnen angemessene Kost, auch die nöthige Kleidung, und die meisten Herren gaben ihnen auch noch einen Gartenplatz, um darin für sich selber zu arbeiten. Die Vertheidiger der Sclaverei sagen nun: „Was will so ein Neger mehr? Ist er nicht viel besser daran, als unsere deutschen Armen, die, wenn sie krank und elend werden, verhungern können, ohne daß sich ein Mensch um sie bekümmert? Der Herr muß seinen Sclaven erhalten, auch wenn er nicht arbeitet.“

Das ist wahr, und die gezwungene Arbeit bleibt das geringste Elend der Sclaven – das furchtbarste ist der Verkauf.

Eine Negerfamilie hat über Tag ihre Arbeit gethan, ihr Herr ist gut und milde mit ihnen, sie werden freundlich behandelt, aber – er liegt krank in seinem Haus. Wenn er morgen stirbt, wird das Gut mit seinem Inventar, zu dem die Sclaven gehören, verkauft, und was wird dann aus ihnen? Jetzt noch sitzen Vater und Mutter mit ihren Kindern beisammen – wie lange noch? Die Gesetze verbieten freilich, daß in den Staatsauctionen die Familien getrennt werden; aber wer kauft die Neger auf den

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 695. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_695.jpg&oldid=- (Version vom 6.11.2022)