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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

gemacht“ (turpiter insano amore dementati) Ehen mit Nichtkatholiken einzugehen wünschen, nicht aber von der Forderung des erwähnten Versprechens die Rede war. In weiterer Ausführung dieser Principien wurde nun mit dem Metropolitan, Grafen Spiegel, eine Einigung geschlossen, wodurch eine milde Praxis eingeführt und von dem beregten Versprechen ganz Abstand genommen wurde, wogegen der Staat mit zu großem Eifer seine Bereitwilligkeit erklärte, diesem immerhin zweifelhaften und durch Bedrängung der Gewissen innerhalb und außerhalb der Beichtstühle leicht zu umgehenden Compromisse das einzige gesetzliche Mittel gegen jede anmaßliche Prätension der Kirche in Beziehung auf die Schließung der Ehe und die Gründung der Familie als der wesentlichsten Grundlage des Staates, die Civil-Ehe, zu opfern.

Zu dieser Convention erklärten denn auch die dem Erzbischofe von Köln untergeordneten Bischöfe von Paderborn, Münster und Trier unumwunden ihren Beitritt, und hiernach wurde denn in allen Diöcesen bis zu dem im Juli 1835 erfolgten Tode des Grafen Spiegel und noch ein Jahr weiter verfahren.

Auf dem erzbischöflichen Stuhle zu Köln folgte diesem der bisherige Weihbischof zu Münster, der Freiherr Clemens August Droste zu Vischering. Auf ihn hatte besonders der in sich verzweigte katholische rheinisch-westphälische Adel die Aufmerksamkeit gelenkt, welcher, so wie früher die Domcapitel mit seinen jüngeren Söhnen besetzt wurden, nun auch die bischöflichen Pfründen für sich in Anspruch zu nehmen wünschte. Umsonst erhoben sich von mehreren Seiten, namentlich von der des trefflichen Oberpräsidenten von Westphalen, Freiherrn Vincke, Stimmen der Warnung gegen diesen Mann, welcher während seiner früheren Verwaltung als Capitular-Verweser zu Münster mit den Staatsbehörden vielfach in Conflict gerathen und dessen Starrsinn in Münster notorisch war.

Der damalige Kronprinz, später als Friedrich Wilhelm der Vierte König, der Aristokratie gewogen und von dem Satze ausgehend, daß die Gottesfurcht zu allen Dingen nütze sei, übernahm die Verantwortung, und man suchte nur noch von dem Candidaten selbst eine Erklärung zu erhalten: ob er im Geiste des Friedens wirken und insbesondre die in Folge des päpstlichen Breve am 19. Juni 1834 geschlossene Uebereinkunft mit den vier Bischöfen aufrecht erhalten werde. Er erwiderte darauf unter Betheuerungen seiner Friedensliebe, „daß er sich wohl hüten werde, jene gemäß dem Breve vom Papste Pius dem Achten über die gemischten Ehen getroffene und in den vier Sprengeln zur Vollziehung gekommene Vereinbarung nicht aufrecht zu halten, oder gar, wenn solches thunlich wäre, anzugreifen und umzustoßen, und daß er dieselbe nach dem Geiste der Liebe, der Friedfertigkeit anwenden werde“. – So wurde er denn dem Domcapitel vorgeschlagen und gewählt.

Allein schon nach Jahresfrist zeigten sich die übeln Folgen dieser Wahl. Der Ernannte gerieth in mannigfache Conflicte mit der Staatsregierung, schrieb in Widerspruch mit vorerwähnter Erklärung und unter der Angabe, die Convention nicht gekannt zu haben, den Pfarrern vor, die kirchliche Trauung nur dann zu gewähren, wenn sich das Brautpaar zur Erziehung sämmtlicher Kinder im katholischen Glauben durch ein ausdrückliches Versprechen zuvor verpflichtet haben würde.

Allen desfälligen Vorstellungen war er unzugänglich und die Aufforderung, sein Amt niederzulegen, wenn er die Bedingung, unter der es ihm übertragen worden, nicht erfüllen könne, weil er deren Umfang nicht gekannt habe, lehnte er ab. So wurde ihm von Staatswegen die Ausübung seines Amtes untersagt, und er, um ihm dieselbe unmöglich zu machen, am 20. November 1837 auf die Festung Minden abgeführt. Hätte man ihn noch einige Zeit gewähren lassen, so würde er sich durch sein tactloses Benehmen, seine oft bis an das Lächerliche streifenden Lebensgewohnheiten, die Schroffheit, womit er gegen die Regierung und seine eigenen Standesgenossen, insbesondere gegen sein eignes Domcapitel auftrat, mit welchem er sich gänzlich überworfen hatte, – bald selbst den Katholiken gegenüber unmöglich gemacht haben. Die ihm angethane Gewalt aber setzte ihm die Märtyrerkrone auf. Gegen diese Gewalt erhob sich von allen Seiten Opposition. Man erblickte darin eine Verletzung der Gesetze über persönliche Freiheit, die von katholischer Seite um so erheblicher erachtet wurde, als sie einen der ersten Würdenträger der Kirche betraf, und doppelt fühlte sich der katholische rheinisch-westphälische Adel gekränkt, weil der Erzbischof sein Standesgenosse war. Von diesem Ereignisse aus trat ein Wendepunkt ein, mit welchem sich die ultramontane Strömung stärker ergoß.

Erst nach langen Verhandlungen wurde der Streit unter Friedrich Wilhelm dem Vierten vermittelt, indem die Verwaltung der Erzdiöcese dem von dem Könige von Baiern empfohlenen Bischöfe von Speier Johannes v. Geissel mit der Aussicht auf die definitive Nachfolge anvertraut wurde.

Aber zu einem völligen Frieden zwischen Staat und Kirche kam es auch unter diesem nicht, vielmehr brachten vielfache Reibungen ein peinliches Verhältniß hervor, und die Staatsregierung fand um so mehr Widerstand, als sie diejenigen, welche sich auf ihre Seite gestellt hatten, insbesondere das kölnische Domcapitel, der römischen Curie gegenüber schutzlos gelassen hatte und meist durch fortgesetzte Nachgiebigkeit zu fortgesetztem Widerstande reizte.

Namentlich ist seitdem die Forderung des Versprechens bei gemischten Ehen, welche den Hauptgegenstand des Streites bildete, viel schroffer geworden und wird fast überall als Bedingung der Trauung von katholischer Seite gestellt, und da die evangelische Kirche ihrerseits zur Abwehr für die Trauung die Nichtleistung jenes Versprechens als Bedingung stellt, so trennt eine eherne confessionelle Mauer die, welche die Liebe vereint und welche Vaterland, Bildung, Sitte und alle übrigen Beziehungen des Lebens gemeinsam haben. Einer oder der andere Theil muß nachgeben und auf die Weihe seiner Kirche verzichten, und der katholische Theil ist dann der Ausschließung, der Verweigerung der Absolution gewiß. So wurde einem seit mehreren Jahren in kinderloser und wenig Aussicht zu Kindern bietender gemischter Ehe lebenden Katholiken die Absolution von seinem Pfarrer verweigert, weil dieser nachträglich erfahren hatte, daß jener bei Eingehung der Ehe in die evangelische Erziehung der zu erzeugenden Kinder gewilligt habe.

Ja, wenn auch das Versprechen förmlichst gegeben wird, beschränkt sich in der Regel die Thätigkeit des Geistlichen auf die sogenannte passive Assistenz, d. h. er nimmt ohne Einsegnung die Erklärung der Brautleute vor Zeugen in der Sacristei entgegen, daß sie sich zu Eheleuten nehmen. –

In anderen Punkten wurde von der katholischen Kirche ein Maß äußerer Berechtigung in Anspruch genommen und zugegeben, welches über die Grenzen der Gleichberechtigung anderer Confessionen hinausgeht.

Unter der französischen Regierung war im Einverständniß mit dieser durch ein Indult des Cardinals Caprara vom 9. April 1802 die Zahl der außer den Sonntagen zu feiernden Festtage mit weiser Beschränkung auf vier festgesetzt worden. Durch Nachgiebigkeit der preußischen Regierung ist im Laufe der Zeit diese Zahl wieder auf sechszehn angewachsen, die allgemein gefeiert werden; darunter sind fünf Marientage. Es leuchtet ein, daß eine solche Vermehrung der arbeitslosen Zeit in Verbindung mit den vielen Kirchweihfesten, deren jedes mindestens zwei Wochentage nach dem Sonntage in Anspruch nimmt, sehr nachtheilig für den Gewerbfleiß sein muß, besonders wenn man hinzunimmt, daß nach einem außer dem Gottesdienste in Vergnügungen zugebrachten Tage die Arbeit am folgenden nicht sonderlich schmeckt und dem Sonn- und Feiertage oft der mißbräuchliche blaue Montag folgt. Dabei ist die Geistlichkeit so sehr auf die volle Geltung der Feiertage bedacht, daß beispielsweise in der Diöcese Köln der am 25. März anstehende Tag der Verkündigung Mariä, wenn er in die Charwoche, von Palmsonntag bis Ostersonnabend fällt, am nächsten Montage nach den Ostertagen gefeiert wird. Und da wird er dann auch mit staatlicher Zulassung von Behörden und Privaten kirchlich und bürgerlich begangen. –

Die Wallfahrten von Ort zu Ort wurden unter der französischen Regierung nicht geduldet, sondern, weil sie Müßiggang und Sittenlosigkeit beförderten, verboten und die Polizei angewiesen, von den Theilnehmern Pässe zu erfordern. Auch der Erzbischof Graf Spiegel mahnte in einem Erlasse vom 12. Mai 1826 dringend davon ab, „weil dabei nebst der Versäumniß der häuslichen Pflichten die rohesten Ausschweifungen vorfielen und dadurch die schrecklichen Folgen des verderblichsten Aergernisses entständen.“ Nach diesem Prälaten haben sie sich aber ungestört breit und sogar die Rechte des öffentlichen Gottesdienstes geltend gemacht. So wurde beispielsweise ein protestantischer Gutsbesitzer, welcher Sonntags auf freiem Felde zu

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_024.jpg&oldid=- (Version vom 26.2.2017)