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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

aufgestapelt sah, war ebenso ein Beweis für den Wohlthätigkeitssinn der Geber, als für die Beliebtheit der Kronprinzessin, die nicht nur zwei von ihr selbst gemalte Bilder (vom Könige angekauft) und eine Masse von kleineren Dingen gespendet, sondern auch die Einrichtung des Ganzen mit vielem Geschick überwacht hatte. Im Bürgerstande fiel es namentlich sehr angenehm auf, daß unter den Damen des Bazarcomités neben den Trägerinnen altadliger Namen sich gleich viele bürgerliche befanden.

An heiteren und interessanten Episoden waren die Tage vom 8. bis 13. April überaus reich. Die Form, unter der hie und da gegeben wurde, hörten wir von Jemand als „raffinirte Liebenswürdigkeit“ bezeichnen; jedenfalls erinnerte es an Tausend und Eine Nacht, wenn der türkische Gesandte im Bazar ein Veilchenbouquet für tausend Thaler kaufte und sich dann von der Kronprinzessin die Erlaubniß erbat, ihr dasselbe als ein Zeichen der Verehrung seines Herrn und Sultans zu überreichen. Weniger orientalisch, aber nicht minder sinnig, zahlte ein Bankier der Gräfin O. für einen Liqueur fünfzig Thaler.

Die Aufzählung auch nur der bedeutendsten unter den Tausenden von Geschenken würde uns zu weit führen. Nur eines, das leider ziemlich unbeachtet blieb, aber den Autographen der königlichen Familie würdig zur Seite stand, wollen wir hervorheben: ein Album, in dem dreiundzwanzig unserer beliebtesten lebenden Schriftsteller auf Putlitz’s Anregung sich verewigt hatten. Kein Wunder, daß es die Kronprinzessin alsbald für sich erwarb – es sind einzelne Perlen darin, die bleibenden Werth haben werden.

In directem Bezug auf den Zweck des Bazars steht Dingelstedts launiger Vers:

„In uns’rer Zeit des Kampfs und der Zerklüftung
Ist der Soldat und der Poet zu neiden:
Als Ziel der Laufbahn winkt ja ihnen beiden
Die Invaliden- und die Schillerstiftung.“

Den patriotisch-begeisterten Worten Tempeltey’s:

„– – Und eine Zukunft seh’ ich,
Schaut meines Geistes Auge durch die Schleier,
Die noch das Ungesehene verhüllen,
So groß, so herrlich, daß mein Herz aufjubelt
In Dank zu Gott, daß ich ein Deutscher ward“ –

gegenüber klingt Grillparzer’s, des edlen Deutsch-Oesterreichers, Stimme wie eine wehmüthige Klage:

„Als Deutscher ward ich geboren,
– Bin ich noch einer?
Nur was ich Deutsches geschrieben,
Das nimmt mir Keiner.“

Und wie sinnig ist endlich, was Paul Heyse geschrieben hat:

„Ein scheues Wild die Gedanken sind.
Jagst du danach, flieh’n sie geschwind;
Sieh’st du sie hellen Auges an,
Zutraulich wagen sie sich heran.
Ein stiller Wandrer kann sie zähmen,
Das Futter ihm aus der Hand zu nehmen.“

G. H–h.




Lust und Leid aus dem Amts- und Geschäftsleben.[1]
Nr. 1. Ein officieller Frack.

Es ist noch nicht allzulange her, als das kleine –sche Städtchen Jokker einige Jahre hindurch mehr als sonst belebt sich zeigte, denn für gewöhnlich war es todt, da weder Fabriken noch sonstige hervorragende Erwerbszweige dort existirten. Ein Jeder lebte so schlecht und recht hin von der Hand in den Mund, und so geschah es auch, daß von gedachtem Städtchen in der großen Tagespresse wenig oder gar nicht gesprochen wurde, obgleich es sonst ein höchst ehrenwerther Ort war.

Was war es nun aber, was gerade in den Jahren, in denen unsere Geschichte spielt, diese Alltäglichkeit durchbrach? Nichts mehr und weniger, als eine kleine Anzahl in den ersten Stadien der Praxis stehender Themisjünger, welche in dem den geistigen Culminationspunkt bildenden dortigen Amte theils seit kurzer Zeit angestellt waren, theils, nachdem sie nur eben an dem Busen der alma mater ihren brennenden Durst nach den Grundstoffen ihrer dereinstigen juristischen Größe gestillt hatten, nach jenem Ziele noch strebten. Hinwiederum war es aber nicht allein die erhabene Stellung der jungen Herren Goldmann, von Zehren, von Gohse und Reh, welche die besondere Belebung ermöglichte, sondern hauptsächlich ihre – wenigstens ist dieses in Betreff der drei Ersten zu sagen – geistige Gewecktheit, ihre häufig von Jugendlust überströmende, durch Liebenswürdigkeit der äußeren Erscheinung unterstützte Jovialität und, was wohl der Haupthebel war, die schätzenswerthe Fähigkeit, mit klingenden Mutterhellern in den Taschen spielen zu können, welche es vermochten, daß sie mitunter, wie man zu sagen pflegt, das ganze Städtchen umdrehten. Jedoch keineswegs von dem damaligen flotten Leben, den kleinen Abenteuern, Jagdvergnügungen, Partieen, der kostspieligen Gründung und Redaction eines Wochenblattes und was sonst die Chronik von dazumal weiß, soll hier erzählt, nein, nur ein Ereigniß jener goldenen Tage soll dem Alles verschlingenden Meere der Vergessenheit entrissen werden: Die tragische Geschichte vom officiellen Frack.

Wie schon angedeutet, konnte man die genannten Vorzüge der jungen Herren keineswegs allenthalben auch auf den mitgenannten Reh beziehen, obgleich er die Hauptfigur der Handelnden bildet. Reh nämlich, eine etwa dreißig Jahre alte brünette Gewöhnlichkeit, war wohl, was man im gewöhnlichen Leben un bon enfant nennt, allein, obgleich seine geistige Befähigung unter Null stand, so hatte sich dennoch seine Selbstüberzeugung von seiner außerordentlichen Tüchtigkeit bis in die höchsten Hitzegrade verstiegen und ihm den Glauben eingeimpft, daß man oben seine Verdienste entweder nicht kenne oder verkenne. Obgleich er schon seit Jahren den Acceß machte, hatte er sich doch noch nicht zu einem Examen entschließen können, und wenn er nicht durch besondere Verwendung einen kleinen Gehalt bezogen hätte, so wäre er in Ermangelung aller Mutterpfennige in der drückendsten Lage gewesen. Bei seinen geistigen Vorzügen war es kein Wunder, daß er häufig das Stichblatt des Witzes der Andern abgeben mußte.

Zur Beurtheilung seiner Gewandtheit und Untrüglichkeit im praktischen Geschäftsleben nur ein Beispiel: Einst war ihm die Untersuchung wider einen Dienstknecht übergeben worden, welcher im zweifellosen Verdachte stand, seinem Dienstherrn einen Pelz gestohlen zu haben. In der That, als ob Reh den Geist der auf alle mögliche Kürzung bei Ausübung der Rechtspflege gerichteten Jetztzeit bereits erkannt hätte – selten noch wurde eine Untersuchung schneller beendet, denn am andern Tage zwei Uhr Nachmittags erschienen in den Hallen der Themis Dieb und Bestohlener, und noch bevor die Kirchthurmglocke die dritte Stunde verkündet hatte, saßen Beide in süßer Vereinigung auf dem Rathskeller zu Jokker, um aus mächtigen Bierkrügen auf das Wohl des „weisen Richters“, des „zweiten Daniels“ zu trinken. Reh hatte nämlich, die Abwesenheit des sonst seine Geschäfte leitenden Beamten benutzend, in selbsteigenstem Rechtsgefühle die Parteien „in Güte“ dahin vereinigt, daß der Thäter nach abgelegtem kurzen Geständnisse dem Damnificaten den Pelz zurückzugeben versprochen, Damnificat hingegen die geringen Kosten übernommen hatte. Die Beurtheilung dieser menschlich schönen That von Seiten des Dirigenten gehört nicht hierher, hat aber den Untrüglichen in indignirtes Erstaunen gesetzt, und es steht fest, daß ihm deshalb das fatale


  1. Unter dieser Rubrik eröffnen wir eine Reihe wahrer Erzählungen, die das Leben auf dem Bureau und in der Geschäftsstube charakterisiren. Da einige der bei dieser ersten Skizze betheiligten Personen, wenn auch nicht die Hauptperson mehr, noch am Leben sind, so hat der Verfasser die wirklichen Namen der Betheiligten und des Ortes durch andere ersetzt.
    D. Red.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_302.jpg&oldid=- (Version vom 13.3.2017)