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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

No. 4.   1868.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich bis 2 Bogen.0 Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Eine Mahnung, keine Bitte!

Vor fünfundfünfzig Jahren wand sich ganz Deutschland unter dem furchtbaren Druck der Napoleonischen Gewaltherrschaft. Alle deutschen Fürsten beugten sich noch dem Uebermächtigen und ihre Völker bluteten noch in seinen Schlachten, selbst als die Flammen von Moskau und die Wogen der Berezina eine neue Zeit verkündeten. Da wagten es zwei Männer und ein Volk, die Kette zu zerreißen, die sie an Frankreichs Joch festhielt: York und Stein und das Volk der Ostpreußen waren es, an deren helllodernder Begeisterung der Muth der übrigen deutschen Stämme sich entzündete; dort war die Geburtsstätte der Landwehr, des Volks in Waffen, dessen Treue und Tapferkeit das Vaterland den ersten kühnen Schritt zu seiner Befreiung verdankt.

Und heute, nach fünfundfünfzig Jahren, erliegen die Enkel jener Helden von 1813 der gemeinsten Noth: dem Hunger!

Landsleute in Süd und Nord! das deutsche Herz schreckt weder Oesterreichs Schlagbaum zurück, noch kennt es eine Mainlinie, läßt es doch selbst durch das Meer sich keine Trennung gebieten, sondern folgt allezeit dem Rufe der Volksehre und Menschenliebe, die ihm Dankbarkeit zur Pflicht und Hülfe zur Schuldigkeit machen. Und in diesem Geiste bitten wir nicht, sondern ermahnen Alle, die sich Deutsche nennen, zu rascher That für die Rettung der ostpreußischen Brüder. Daß wir dies anscheinend so spät thun, entschuldigen unsere Freunde, welche wissen, daß Das, was sie heute lesen, schon vor drei Wochen, der kürzesten Herstellungsfrist der Gartenlaube, zum Druck abgegeben worden ist.

Die jüngste Zeit war nur allzu reich an deutschem Unglück, und wie alle öffentlichen Organe, hat auch die Gartenlaube die Hochherzigkeit ihrer Leser stark in Anspruch genommen; wo aber die Noth so laut und eine solche Noth ruft, wäre jede Entschuldigung, daß wir den Jammerruf weiter tragen, Sünde.

Unser Opferstock ist bereit; Gott lenke die Herzen und Hände! Die Redaction der Gartenlaube. 




Der Schatz des Kurfürsten.
Historische Erzählung von Levin Schücking.
(Fortsetzung.)


Die drei zurückbleibenden Männer sahen dem Wagen eine Weile stumm nach. Dann wandten sie sich zu ihrem Werke zurück. Ihre Arbeit war erst halb gethan. Sie mußten die in die Untermauerung der Treppe gerissene Oeffnung wieder ausfüllen, so gut es irgend ging. Eine schwierige Aufgabe in der Dunkelheit! Doch war sie nicht so gefährlich mehr wie der erste Theil ihrer Arbeit, das Aufbrechen, gewesen. Wenn jetzt Jemand kam und sie dort überraschte, so hatten sie den Vorwand bereit, daß sie dort nach dem Schatze gesucht, aber vergebens, durch eine falsche Angabe irre geführt … Auch kam es nur darauf an, die durchbrochene Stelle so wieder herzustellen, daß nicht gerade der erste Beste, welcher am andern Tage an dieser Schloßseite vorüberkam, den Schaden sofort entdeckte. Nach einigen Tagen, wenn der Schatz geborgen, mochte er immerhin entdeckt werden.

Nach einer halben Stunde war die Arbeit verrichtet, der zurückgebliebene Schutt fortgetragen, die ganze Stelle rings umher mit einem Rechen geglättet; mit demselben Instrument waren nur noch die Geleise des Fourgons zu vertilgen.

Auch dies gelang, ohne daß unsere drei nur zuweilen wenige Worte sich zuraunenden Männer gestört worden wären.

„Mensing hat Recht gehabt,“ sagte endlich Steitz, „wir hätten keine bessere Nacht wählen können!“

„Es ist wahr,“ versetzte der Amtmann Brethauer, „ich denke, wir können beruhigt heimgehen und Jeder im stillen Kämmerlein Gott danken, daß es bis soweit so gut geglückt ist. Was wir thun konnten, ist wenigstens gethan!“

„Es ist gethan,“ erwiderte der Leibchirurg Mann, „und je rascher wir nun verschwinden, desto besser; kommen Sie, Brethauer, gute Nacht, Steitz!“

„Gute Nacht, gute Nacht!“

Nach einem warmen Händedruck gingen sie auseinander. Brethauer und Mann verschwanden in dem sich dicht bis an den Schloßflügel erstreckenden Gebüsche.

Wilhelm hatte unterdeß seinen Fourgon in das links vom Schlosse liegende Thal gelenkt, das vom Octogon herabströmende Gewässer auf einer Brücke oberhalb des Lac passirt und sich dann links gehalten, bis er das chinesische Dörfchen „Mulang“ erreicht hatte.

Von hier führte eine Allee nach dem Lustschlosse Schönfeld oder Augustenruhe; der Boden derselben war mit Rasen bedeckt,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_049.jpg&oldid=- (Version vom 3.10.2021)