Seite:Die Gartenlaube (1868) 052.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

von einer Dame zur andern, hatte bald diese, bald jene reizende Maske am Arm, bald hier bald dort eine pikante Neckerei zu erwidern – er kümmerte sich heute sehr wenig um seine Gensd’armerie-Officiere. Die Königin Katharine saß, von einigen älteren Damen umgeben, in einem blau ausgeschlagenen Boudoir hinter dem Thronsaal, um vom Tanzen auszuruhen.

So hatte der Oberst nichts Besseres zu thun, als die Zeit bis zum Souper, nach welchem sein durch den nächtlichen Ritt gesteigerter Appetit sich sehnte, dadurch auszufüllen, daß er seinerseits begann eine der Masken zu intriguiren. Aber eben begann die Musik zu einem neuen Tanze, dem letzten vor der allgemeinen Demaskirung; die Masken strömten dazu in dem vordern Saal zusammen – Oberst La Croix folgte dahin und sah die Paare antreten.

Dabei fiel sein Blick auf eine reich costumirte, höchst graciöse Griechin, die den kleinen Kopf mit einem Uebermuth umherwarf, daß sie höchst lebhaft an Comtesse Julie Boucheporn erinnerte.

Auch die Gestalt war dieselbe.

„Tudieu!“ murmelte der Oberst, „das ist doch nicht … ah bah, wie wäre das möglich!“ Dabei eilte er in die Nähe der schönen Griechin zu kommen.

Als er sich bis zu dem Platze hinter ihr durchgedrängt hatte, reichte ihr eben ihr Tanzpartner, ein hochgewachsener Bergschotte, die Hand, um sie in die Verschlingungen des beginnenden Tanzes zu führen.

Je angestrengter aber die Blicke des Obersten ihr folgten, desto beunruhigender wurde ihm die ganze Erscheinung der jungen Dame – ihr ganzes Wesen legte eine merkwürdige Ähnlichkeit mit dem der Comtesse Julie Boucheporn an den Tag.

„Zum Teufel,“ sagte er sich, „das muß sie sein und kann es doch nicht sein – oder …“

Sie kehrte aus dem Tanze zu ihrem Platz zurück; dabei blitzte sie aus den Augenlöchern ihrer Maske mit ihren braunen Augensternen den Obersten an und sagte lachend:

„Wenn Sie auch nicht maskirt sind, mein Herr Oberst, treten Sie doch in einer Rolle auf – in der als Ogre! Sie verzehren mich ja mit Ihren Blicken!“

„Comtesse Julie de Boucheporn!“ schrie wie elektrisirt vom Klänge dieser Stimme, welche die schöne Griechin sich nicht die Mühe gegeben hatte zu verstellen, der Oberst auf, „sind Sie’s oder ist’s ein Blendwerk der Hölle? Lassen Sie mich Ihr Gesicht sehen, nehmen Sie die Maske ab, die Maske fort …“

Damit streckte er die Hand aus, wie um die Maske zu erfassen.

„Oberst La Croix,“ sagte zornig der Bergschotte, ihm in den Arm fallend, „Sie vergessen, wo Sie sind …“

„Ich vergesse nichts, nehmen Sie die Maske ab, ich verlange es amtlich, ich fordere es im Dienste des Königs!“ schrie der Oberst ganz außer sich.

„Herr,“ rief der Schotte zwischen ihn und die Griechin tretend, „ich werde nicht dulden, daß …“

„Um Gotteswillen, es wird ja Alles aufmerksam auf uns,“ rief die Griechin dazwischen, „ich will lieber die Maske abnehmen.“

Sie löste die Maske von ihrem Gesichte, und zornig den Obersten anschauend sagte sie: „Nun sehen Sie mich! Was wollen Sie von mir, Oberst La Croix?“

Es war Comtesse Julie de Boucheporn.

„Ich bin betrogen,“ knirschte in höchster Wuth der Oberst mit den Zähnen, „Höll’ und Teufel – betrogen!“

Damit wandte er sich und stürzte davon, durch die Säle, die Treppe hinauf, in seine Wohnung zurück.

Jean war nicht mehr da – aber die Lichter brannten noch. Der Oberst riß sich den Domino ab, nahm seinen Säbel, seinen Mantel, seine Feldmütze und stürzte wieder hinaus.

Wenige Minuten nachher war er unten im Zimmer der Ordonnanzen; die Leute waren durch das Fest wach erhalten; er gab ihnen einige rasche Befehle und dann stürmte er in den Marstall, um sich mit Hülfe der Stallwache selber ein Pferd zu satteln.

(Fortsetzung folgt.)




Skizzen aus dem Land- und Jägerleben.

Wort und Bild von Ludwig Beckmann.
2.0 Das Deputatstück.

Vor längeren Jahren erhielt ich einst ganz unerwartet von einem befreundeten Forstbeamten eine Einladung zum Pürschen seines „diesjährigen Deputatstückes“. Unter dieser etwas zopfigen Bezeichnung verstand man in dortiger Gegend ein Stück Wild, dessen Abschuß für eigene Verwerthung den Grünröcken vom Oberjagdamte alljährlich ein oder mehrere Male gestattet wurde, je nachdem der Bestand der Wildbahn dies erlaubte[WS 1]. Selbstverständlich wurden für diesen Zweck eben keine Capitalhirsche angewiesen und es ging selten über einen Spießer oder ein Geltthier, beim Schwarzwilde über einen Ueberläufer hinaus. Da aber der Abschuß dieser Deputatstücke in der Regel mit irgend einem kleinen Familienfeste in Verbindung gebracht wurde, so amüsirte man sich in befreundeten Kreisen bei solchen Gelegenheiten weit besser, als auf den großen Hofjagden, welche nach der Ansicht mancher Jäger doch immer „Krähenbeine“ haben. Und wie freute ich mich darauf, die altbekannten Reviere mit ihren ernsten, prächtigen Hochwäldern und den lustig grünen Tannendickungen, das stille Försterhaus am Eichenkamp mit seinen lieben Bewohnern nach jahrelanger Abwesenheit einmal wieder zu sehen!

Am festgesetzten Tage schritt ich daher wohlgemuth – mit der Pürschbüchse im Lederfutteral über der Schulter – dem Posthause zu und rumpelte bald als einziger Insasse einer gelblackirten sogenannten „Beichaise“ Thurn und Taxis’schen Angedenkens, zum Städtchen hinaus. Nachmittags zwei Uhr war ich am Ziele, d. h. am Ziele meiner Postfahrt. Hier erwartete mich mein alter Freund, der Revierförster, mit seinem flotten, offenen Jagdwägelchen, und nach einer dreistündigen lustigen Fahrt, zum Theil durch herrlichen Buchenhochwald, erblickten wir am Ausgange einer Schonung junger Edeltannen die Baumkronen des Eichenkampes, unter denen das Forsthaus mit seinen Nebengebäuden und Stallungen, rings von einer kolossalen Bruchsteinmauer umschlossen, lag.

In dem kleinen, von einer niedrigen Taxushecke eingerahmten Blumengärtchen vor dem Wohnhause blühten noch Georginen und Astern in voller Pracht, und die Damen des Hauses, Mutter und zwei Töchter, waren emsig beschäftigt, die letzten Kinder der Flora in mächtige Sträuße zu binden, um sie nicht dem tückischen Nachtfrost zur Beute werden zu lassen, als sie uns bemerkten und uns freudig entgegenkamen, die jungen Mädchen, zwei reizende Erscheinungen.

Gemüthlich saßen wir nach dem Abendessen noch ein paar Stunden beisammen und plauderten bei einem Glase Punsch von vergangenen Zeiten, so daß ich erst spät mein Bett aufsuchte. Mitten in der Nacht aber ward ich durch ein eigenthümlich hohles Sausen erweckt. Es war der Nordwestwind, welcher hoch oben durch die Wipfel der alten Eichen brauste, unter denen das Forsthaus lag. Gegen Morgen legte sich der Sturm, dafür klatschten einzelne schwere Tropfen an die Fensterscheiben und bald brach ein wahrer Landregen herein, der allem Anschein nach ein paar Tage anhalten konnte. An Jagd war also vorläufig nicht zu denken. Nach dem Frühstück bewaffnete ich mich zunächst mit einem rothen Familienregenschirm und ein paar riesigen Holzschuhen, welche ich auf der Hausflur vorfand, und schritt über den in einen See verwandelten Hofplatz, um die verschiedenen Stallungen zu besichtigen und dann meine alten Bekannten aufzusuchen, den Hundezwinger mit seinen fürstlichen Schweißhunden; auch dem Pferdestalle hatte ich bereits meinen Besuch abgestattet und wollte mich eben auch zu den Kuh- und Schweineställen begeben, als Max, der jüngste Sohn des Försters, gelaufen kam und mich fragte, ob ich vielleicht Herrn Müller’s Schuhe und Regenschirm von der Hausflur genommen, Herr Müller wolle seinen Morgenspaziergang machen und Herr Müller suche seine Sachen vergebens im ganzen Hause.

Ich erfuhr alsdann beiläufig, daß besagter Herr Müller als Hauslehrer im Forsthause fungire, und beeilte mich ihm sein Eigenthum wieder einzuhändigen. Leider hatte Herr Müller inzwischen seine Morgenpromenade bereits angetreten. Der Förster zeigte mir ihn vom Fenster aus, wie er, in einen Mackintosh

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Fehlstelle, s e ergänzt
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_052.jpg&oldid=- (Version vom 7.10.2021)