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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

zu enden und die Sieger zu belohnen, d. h. dasjenige Pärchen, welchem es gelungen ist, das meiste Wasser aus dem Kübel herausbefördert zu haben und dennoch am wenigsten begossen worden zu sein. Das Mädchen dieses Paars wird vom Aeltesten der Preisrichter zur Leiter am Galgen geführt, um sich den Hahn im Korb herunter zu holen. Der Tänzer aber erhält aus der Hand seiner Schönen besagten Hahn und damit die Ehre, bis zum nächsten Hahnentanz der erste Bursch im Orte zu sein. Mit dem „Hahn im Korbe“ voran, zieht Volk und Musik in’s Wirthshaus, wo die Sichelhänget in Tanz, Gesang und Trunk das Ende aller Volksfeste findet.

Jedes Fest, das dem Volke zur Erfrischung seines Wesens dient, gehört zu den Nationalschätzen, die man wahren muß. Es ist viel gegen Volksfeste und Volkssitten gesündigt worden, am meisten von Zeloten der Kanzel und Aufklärern in Actenstuben. Manchen Festen hat das Volk mit Thränen Lebewohl gesagt und sie sind noch heute nicht vergessen; andere sind selbst verwelkt und abgefallen, weil ihre Zeit vorbei war. Gerechtigkeit wird auch den Volksfesten erst werden, wenn es in des Volkes Willen und Einsicht allein gestellt ist, über seine Herzensangelegenheiten zu verfügen.

Fr. Hofmann.




Der Schatz des Kurfürsten.

Historische Erzählung von Levin Schücking.
(Fortsetzung.)


Wir haben den Fourgon mit seiner kostbaren Ladung glücklich auf dem Pachthofe der Mutter Mensing’s bergen sehen. Er war in eine versteckt hinter den andern liegende Scheuer gebracht worden; Mensing hatte den Schlüssel der Scheuer zu sich gesteckt, und während nun Wilhelm ging, die Pferde, die in einen Stall gezogen worden, zu versorgen, wandte der Lieutenant sich dem erhellten Wohnzimmer im Pachthause zu, wo seine Mutter eben in Aufregung und Herzensangst beschäftigt war, für Elisen zu sorgen und sie durch ein warmes Getränk zu stärken.

Mensing setzte sich ihr gegenüber und nachdem er seiner Mutter auf ihre sich überstürzenden Fragen Bescheid gegeben, sagte er: „Was nun, Elise? Wir müssen Kriegsrath halten und rasch zu einem Entschlusse kommen.“

„Haben Sie denn den Plan, in der nächsten Nacht weiter zu fahren, aufgegeben?“ fragte das junge Mädchen.

„Ja,“ versetzte Mensing. „Der Transport mit dem Fourgon ist zu gefährlich. Ein Mann kann Verfolgungen leicht entgehen, ein Wagen aber nur schwer. Und man wird uns verfolgen.

Man wird uns verfolgen, sobald der Oberst La Croix entdeckt, daß er getäuscht wurde, sobald es im Stalle auffällig wird, daß Wilhelm mit seinem Wagen nicht zurückkehrt. Ich fühle etwas wie eine Gefahr über uns hängen. Deshalb habe ich meinen Plan geändert. Er lautet so: wir verbergen den Schatz in einem alten trocknen, zur Hälfte mit Feldsteinen angefüllten Brunnen, der sich auf einem entlegenen Grundstücke meiner Mutter befindet.

Dann fährt Wilhelm den Fourgon in eine andere Gegend und läßt ihn dort durch einen Burschen, den ersten, besten, der ihm aufstößt, zum Schlosse zurückfahren, wo der Mensch angiebt, er habe ihn leer und verlassen auf dem Felde stehen sehen und als königliches Eigenthum erkannt. Es hat dies nebenbei das Gute, daß König Jerôme alsdann nicht sagen kann, wir hätten ihm Pferde und Wagen gestohlen.“

„Und dann?“ fragte Elise.

„Dann wird es meine und Wilhelm’s Aufgabe, den Schatz getheilt, jedes Mal so viel wie ein Mann davon bei sich tragen kann, fortzuschaffen. Wir werden dazu verkleidet, bald in diesem, bald in jenem Costüme und hauptsächlich des Nachts wandern müssen. Die nöthigen Kleidungsstücke können wir uns in dem Grenzorte, bei dem Agenten, der uns erwartet, verschaffen.“

„Das scheint mir allerdings besser,“ sagte Elise, „als wie Sie es ursprünglich vorhatten. Und wo bleibe ich?“

„Sie bleiben hier, bei meiner Mutter … verborgen, unter einem andern Namen … als eine Hausarbeiterin, welche sie angenommen hat. Sind Sie damit einverstanden?“

„Ich bin es zufrieden.“

„Nicht wahr, es ist auch besser, als wenn Sie die Gefahren einer heimlichen Reise mit dem Wagen theilten?“

„Es ist besser, gewiß!“

„So wollen wir nicht säumen!“

Mensing sprang auf und ging hinaus. Nach etwa einer Viertelstunde kam er zurück. Er trug vier lederne Beutel, die er auf den Tisch stellte.

„Wir haben eine der Kisten geöffnet,“ sagte er zu Elisen, die er auf ihrem alten Platze fand, während die Mutter hinausgegangen war. „Hier ist, was unsern ersten Transport bilden soll. Wilhelm spannt eben die Pferde wieder ein, um zu dem Brunnen zu fahren … es ist noch so dunkel und nächtig draußen, daß uns Niemand entdecken wird – –“

Er hatte kaum ausgesprochen, als draußen ein Hufschlag erscholl – gleich darauf hörte man das Hofthor rütteln und den Ruf:

„Holla he!“

„Teufel,“ rief Mensing erschrocken auffahrend, „was ist das?

… wenn das La Croix mit seinen Gensd’armen ist …“

„So sind wir verloren!“ fiel tief erblassend Elise ein.

„Nur die Ruhe bewahrt,“ flüsterte Mensing, „ich will sehen, was es ist. …“

„Holla he!“ scholl noch einmal ein donnernder Ruf durch die Stille der Nacht.

„Es ist der Oberst – kein Zweifel – ich erkenne seine Stimme. Elise, zu meiner Mutter; sie soll Wilhelm mit dem Fourgon über den hintern Hof auf’s Feld hinaus zu dem Brunnen führen – rasch fort – nur rasch … ich öffne dem Obersten unterdeß und denke ihn schon zu beschäftigen, bis Ihr fort seid.“

Dabei warf er die vier Beutel unter den Tisch und eilte hinaus.

„Ich komme, ich komme,“ rief er, über die Schwelle der Hausthür tretend, um auf einen dritten Anruf zu antworten.

Ueber den Hofzaun herüber sah er die Gestalt eines Reiters, der eben abstieg; ein Fußgänger im Kittel stand neben ihm.

Es war der Oberst La Croix, der Mensch neben ihm ein Müllerbursche, den der Oberst in der Neuen Mühle bei seiner nächtlichen Arbeit gefunden und als Wegweiser zu dem Pachthof mitgenommen.

„Oeffnen Sie … öffnen Sie!“ rief der Oberst.

„Ich werde den Schlüssel holen,“ versetzte Mensing, „im Augenblick.“

Er ging zurück und ließ ein paar Minuten verfließen, ehe er kehrte.

„Zum Teufel, wo bleiben Sie? Auf mit dem Thor!“

Mensing öffnete langsam und zögernd das Hofthor.

„Wie, Sie, Oberst?“ sagte er mit dem Tone großer Ruhe, als La Croix, sein Pferd hinter sich ziehend, in den Hof kam.

„Ich bin’s, mein Herr Lieutenant, um Sie für den Maskenanschlag, den Sie sich mit mir erlaubt haben, zur Rede zustellen und mir ein wenig genauer Ihren Fourgon anzusehen. Im Namen des Königs, Sie sind verhaftet, Lieutenant Mensing.“

„Ich beuge mich vor dem Namen des Königs,“ antwortete Mensing mit demselben äußern Gleichmuth.

„Führen Sie mich augenblicklich zu dem Wagen.“

„Der Wagen … was wollen Sie bei ihm?“

„Das ist meine Sache.“

„Er ist nicht mehr hier …“

„Herr,“ donnerte der Oberst, „gehorchen Sie oder …“

Der Oberst griff zu seinem Säbel.

„Herr Oberst,“ versetzte Mensing achselzuckend, „Ihr Säbel ist keine Zauberruthe, womit Sie den verschwundenen Wagen wieder herbeizaubern. Er ist nun einmal fort und aus Ihrem Bereich!“

„Halte mein Pferd,“ schrie der Oberst den Müllerburschen an.

Der Bursche sprang herbei, das Pferd zu nehmen. In diesem Augenblick wurde aus der Gegend des zurückliegenden Oekonomiegebäudes das Rollen eines Wagens vernehmbar.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_078.jpg&oldid=- (Version vom 3.10.2021)