Seite:Die Gartenlaube (1868) 105.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

erscheinen einzelne Boote, und einige Minuten später ist der ganze Jagdzug, das Wild sowohl wie die Verfolger, vor dem Eingange des Hafens angelangt. Hier wird einige Augenblicke Rast gehalten. Die riesigen Fische schwimmen noch sorglos innerhalb des von ihren Verfolgern gebildeten Halbkreises hin und wieder, während die Boote ihre Reihen zum Angriff ordnen, die in der Hitze der Verfolgung entstandenen Lücken wieder ausfüllen und ihre Lanzen, zwei an jedem Ende der vorn und hinten spitzen Boote, in Bereitschaft setzen. Einzelne Boote bekunden, durch eine am Hintertheil auf einer Stange angebrachte Flagge, daß sie einen sogenannten „Grindeformand“, d. h. einen für diese Jagden durch Wahl auf je drei Jahre ernannten Anführer an Bord haben, fahren geschäftig hin und her, treffen ihre Anordnungen und ertheilen Befehle. Endlich sind alle Vorbereitungen beendigt, und in raschem, gleichmäßigem Tempo bewegt die vordere Reihe der Angreifer sich wieder auf den Grind zu, durch erneuertes Steinwerfen, Rufen und Aufschlagen der Ruder einen Höllenlärm erregend, um die nun zu beiden Seiten vom Lande eingeschlossene Heerde an den Strand zu jagen, während die beiden äußeren Linien langsam nachfolgen, um bei einem etwa versuchten Durchbruch der Fische sie noch aufhalten zu können.

Durch den Lärm erschreckt, eilen die armen Schlachtopfer in rascher Fahrt ihrem Verhängniß entgegen, unter betäubendem Lärm von ihren Drängern hart verfolgt, bis der Vortrab der Heerde etwa nur einen Flintenschuß weit vom Ende des Hafens entfernt ist. Da schießt plötzlich aus der Reihe der Verfolger ein Boot pfeilschnell hervor, auf die Nachhut der geängsteten Ungethüme zu, und die im Vorderende mit den Lanzen bereitstehenden Fischer schleudern diese mit großer Gewandtheit, Kraft und Präcision auf einen der Nachzügler und verwunden ihn möglichst nahe am Schwänze, wo die meisten Gefühlsnerven liegen. Sich selbst suchen sie in ehrerbietiger Entfernung von dieser furchtbaren Waffe zu halten, während sie gleichzeitig die Lanzen mittels der am Schafte befestigten Leinen zurückziehen, um den Angriff zu erneuern. Ein langer Blutstreif färbt sofort die klare Fluth, das verwundete Thier bäumt sich vor Schmerz. Mit dem gewaltigen Schweife peitscht es das Wasser unter donnerähnlichem Getöse zu Schaum, stürzt sich auf seine nächsten Cameraden und reißt diese in wilder Flucht mit fort, während jetzt Boot auf Boot aus der Reihe hervorgleitet und die Lanzen so nachdrücklich gebraucht, daß das durch die rasende Schnelligkeit und die ungestümen Bewegungen der flüchtenden Thiere sowohl wie durch die raschen Schläge der Hunderte von Rudern in milchweißen Schaum verwandelte Wasser bald wie ein Blutmeer erscheint.

In einem Nu ist die kurze Strecke bis zum Strande zurückgelegt; die geängsteten Ungethüme beachten in der Hast ihrer Flucht nicht die Nähe desselben und mühen sich zu spät, umzukehren, denn bei der augenblicklichen Stockung fließt der durch die reißende Fahrt beim Heranstürmen der Heerde gleich einer Ueberschwemmung mitgeführte Wasserschwall zurück. Etwa die Hälfte der Thiere ist wehrlos gefangen, auf dem Sande festgebannt und der Gnade der am Lande Stehenden anheim gegeben, deren activer Antheil an der Affaire jetzt beginnt, indem sowohl Männer wie Frauen sich sogleich über ihre Opfer hermachen. Mit ihren langen, haarscharfen Messern durchschneiden sie theils den Speck am Nacken, hinter dem Blaseloche, um dann das Rückenmark zu durchstechen, theils schlagen sie die vorerwähnten eisernen Haken in die weiter draußen liegenden Fische ein, um sie mittels der an denselben befestigten Leinen mit vereinten Kräften weiter auf’s Trockene zu schleppen und für neue Ankömmlinge Platz zu machen. Dabei waten sie oft bis an die Arme in Blut und Wasser.

Mittlerweile sind die Ueberbleibsel der Heerde umgekehrt, stürzen sich, von panischem Schrecken erfaßt, gegen die Boote und suchen, unter die vordere Reihe durchtauchend, dem Geschick ihrer Gefährten zu entfliehen, allein umsonst, denn durch Furcht und Schmerz betäubt, rastlos und wegen der Trübung des aufgerührten, mit Sand, Schlamm und Blut untermischten Wassers außer Stande, länger um sich zu sehen, werden sie bald von den weiter in der See postirten Booten zurückgetrieben und auf’s Neue umzingelt, und nun beginnt ein solches Gemetzel, daß bald der ganze Hafen mit Blut gefüllt erscheint und Walfische und Boote, in wirrem Knäuel durcheinanderwogend, von Schaum und Blut umzischt, sich kaum unterscheiden lassen. Die gehetzten Thiere, aus unzähligen Wunden blutend und rasend vor Angst und Schmerz, schießen planlos nach allen Richtungen umher, um der überall drohenden Gefahr auszuweichen; sie sind in Schaumwolken eingehüllt und spritzen Schaum und Blut hoch empor, während das Wasser, durch die ungestüme Bewegung aufgeregt, seine blutigen Wellen mit dem Getöse einer starken Brandung gegen das Ufer schleudert. Dazwischen bilden das Schnauben und Stöhnen der verwundeten Thiere, das Rufen, Jauchzen und Brüllen der erhitzten Verfolger, das Krachen der zusammenstoßenden Boote im Verein eine Scene, die man sehen und erleben muß, um sich von derselben einen Begriff machen zu können, da alle Schilderungen weit hinter der Wirklichkeit zurückbleiben. Dort rennt ein Walfisch in seiner ungestümen Eile den Kopf durch die Planken eines Bootes, daß dieses krachend und berstend, sich augenblicklich mit Wasser füllt und die Insassen desselben kopfüber in ein unfreiwilliges Bad expedirt, aus welchem sie indeß von den herbeieilenden Cameraden unverweilt wieder herausgezogen werden. Hier schlägt die Mannschaft eines Bootes ihren Haken in einen Walfisch, der sich unvorsichtig zu nahe herangewagt hat, zieht ihn fest an die Seite des Bootes hinan und macht ihm mit dem Messer das Garaus, während das Opfer im letzten ohnmächtigen Rettungsversuche das Fahrzeug eine Strecke fortschleppt und das Wasser peitscht, bis eine dichte Wolke von Wasserstaub die Scene unserm Anblick entzieht. Endlich werden die Anstrengungen des bereits erschöpften Ungethüms schwächer, noch ein gewaltiges Aufbäumen – das Messer des gewandten und erfahrenen Fischers hat den Weg zum Lebensnerv gefunden – und der nun plötzlich regungslose Kämpe wird an’s Land bugsirt.

Weiterhin springt ein gewandter Bursche, in der Aufregung des Augenblicks keine Gefahr achtend, aus einem Boote und einem vorbeischwimmenden Wallfische rittlings auf den Rücken, das blutige Messer zwischen den Zähnen, mit welchem er den Nacken seines neumodischen Reitpferdes bearbeitet, bis der Koloß, im Todeskampfe um sich schlagend und seinen tollkühnen Reiter mit Blut und Wasser überspritzend, an’s Ufer rennt und beim Anprall das schon halb durchschnittene Genick bricht, während der kühne Reiter sein verendetes Schlachtopfer verläßt und lachend und sich schüttelnd an’s Land watet. Ein anderes Boot hat seinen Haken in dem Leibe eines der Riesen begraben, allein dieser ist nur wenig verwundet und noch zu kräftig. Alle Anstrengungen, um das Thier an’s Boot hineinzuziehen, sind erfolglos; mit reißender Schnelligkeit braust es wie eine Locomotive mit dem Fahrzeug dahin, während Alles aus dem Wege eilt, um nicht überrannt zu werden; plötzlich kommt noch ein Boot, sogar von einem Doppelgespann gezogen, in fliegender Eile dahergesaust; hoch schäumt das Wasser am Bug empor, und augenscheinlich müssen beide Boote, wenn sie die jetzige Richtung einhalten, da wo sich ihre Bahnen kreuzen, zusammenstoßen. An ein Lenken der wilden Rosse ist nicht zu denken und die Lage der Mannschaft in beiden Fahrzeugen wird kritisch. Immer näher rückt der entscheidende Moment, jetzt sind sie dicht an einander, in beiden steht man bereit, den Stoß wo möglich zu pariren, nun kracht es, Splitter fliegen umher, ein Augenblick banger Erwartung tritt ein; in der nächsten Minute aber sind beide Boote wieder weit auseinander, unaufhaltsam von ihren wilden Gespannen fortgerissen, und nur einige Splitter von dem einen treiben an der verhängnißvollen Stätte, da es der Gewandtheit und Erfahrung der Mannschaft gelungen, sowohl die Kraft des Zusammenstoßes zu mindern, als ihn auf eine weniger gefährliche Stelle ihrer Fahrzeuge zu beschränken. Endlich ermüden die ungestümen Renner; es gelingt nach und nach sie an’s Land heranzuziehen, wo der letzte Kampf stattfindet, in dem sie schließlich bewältigt und darauf an’s Land bugsirt werden.

Unterdeß sind auch die übrigen Boote nicht müßig gewesen. Fortwährend gehetzt und verwundet, ist der Rest der Heerde auf den Strand gelaufen oder in eben beschriebener Weise auf flottem Wasser getödtet und auf das Trockene geschleppt worden. Vergebens spähen die vom Kampfe erhitzten Jäger nach neuer Beute; die blutige Arbeit ist vollbracht und es geht jetzt an’s Zählen der erlegten Opfer. Zweiundvierzig der getödteten Riesen liegen, in der Mehrzahl mit unzähligen Stichwunden bedeckt, mit durchschnittenem Nacken und viele mit hervorquellenden Eingeweiden, in langen Reihen am Strande hingestreckt. Nachdem sämmtliche der erlegten Fische, soweit Platz vorhanden, völlig an das Ufer gebracht sind, beginnt der „Sysselmann“, ein Beamter, dessen Posten etwa der Stellung eines Kirchspielvogtes entspricht, nebst zwei Gehülfen,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_105.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)