Seite:Die Gartenlaube (1868) 108.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

dem Besitz eines ähnlichen Instituts in deutschen Mittelstädten erreicht wird. Man hat namentlich in Betreff des Fürstenthums Hildesheim fleißig gesammelt und eine gute Anzahl von Alterthümern aus diesem, ein schönes Cabinet dort vorkommender Petrefacten und beinahe alle auf die Stadt und das Stift bezüglichen Drucksachen sowie viele Urkunden und Handschriften zusammengebracht.

Der tausendjährige Rosenstock.

Von den noch gottesdienstlichen Zwecken geweihten Kirchen nenne ich die Seminarkirche, die früher zu einem Capuzinerkloster gehörte, die Kreuzkirche, ein Gemisch aus romanischen Resten des ursprünglichen Baues, gothischer Zuthat und Jesuitenstil, die Jacobikirche mit ihrem hohen Thurm und die sehr große Hauptkirche der Protestanten, die, nach dem Apostel Andreas benannt, in einigen ihrer Theile bis in den Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts zurückreicht, sonst aber nichts Bemerkenswerthes hat, nur der Vollständigkeit wegen. Von größerem Interesse ist die Magdalenenkirche, in welcher man einen Sarg mit St. Bernward’s Gebeinen, zwei Leuchter, die der Heilige geschaffen, und ein prächtiges mit edlen Steinen, Gemmen und Perlen besetztes Kreuz mit Filigranarbeit zeigt, in welchem derselbe eine Reliquie von Christi Kreuze aufbewahrte. Das Kreuz that früher Wunder, indem es Krankheiten verscheuchte, bei großer Dürre Regen herbeiführte und jedem Betrübten, der sich vor ihm niederwarf, Trost verlieh.

Das Knochenhauer-Amthaus

Nicht fern von der Magdalenenkirche erhebt sich auf einem kleinen Hügel die von Bernward 995 gegründete, 1033 vollendete Michaeliskirche, einst der größte und schönste Bau Hildesheims, auch noch jetzt äußerlich stattlich und im Innern ein überraschend prachtvolles Muster romanischen Stils. Die Kirche, die vielfache Schicksale und Umwandlungen erfahren hat, sogar einmal zur Kegelbahn für die in die Gebäude des Michaelisklosters verlegte Irrenanstalt herabgesunken war, ist, ebenfalls durch Römer’s Bemühungen, mit Geschmack und Verständniß restaurirt und seit dieser Erneuerung ein wahres Kleinod romanischer Baukunst. Einige der Capitäle der alten Säulen, welche ihre Decke tragen, gehören zu den schönsten Erfindungen dieser Art, und das große Gemälde, das in brennenden Farben die flache Decke ziert, ist, die Heilsidee vom Paradiese bis auf Christus darstellend, das größte und vielleicht auch das kunstvollste Denkmal der Malerei des Jahrhunderts, dem es seine Entstehung verdankt. Höchst merkwürdig sind ferner die um dieselbe Zeit entstandenen Stuckarbeiten, die sich an der Wand einer Capelle neben dem Chor befinden, und die in den Gesichtern ihrer Figuren und namentlich im Faltenwurf der Gewänder eher an das griechische Alterthum, als an das Mittelalter erinnern, welches sie schuf. Endlich muß noch des Kreuzgangs gedacht werden, der das Michaeliskloster mit der Kirche im Norden verband und welcher, der spätromanischen Zeit angehörend, in seinen ebenso zierlichen wie mannigfaltigen Säulenknäufen, die leider zum Theil von der Witterung gelitten haben, die höchste Entwickelung dieser Bauweise zeigt.

Das Rathhaus und der Roland.

Wuchtig, massiv und doch nicht ohne Zierlichkeit, halb dunkel, aber erfüllt von farbigen Bildern, die wie ein Stück geöffneter Himmelsglorie von der Decke in die Dämmerung herabblicken, empfängt die herrliche Schöpfung Bernward’s den Eintretenden. Er selbst aber, der Erbauer dieser Andachtsstätte, hatte sich unter ihr sein letztes Bett bereitet. Noch steht sein steinerner Sarkophag dort. Daneben aber sprudelt eine Quelle lauteren Wassers, das Symbol des ewigen Lebens auf das die Inschrift des Sargdeckels hofft.

Einen großen Bau spätromanischer Zeit, der auch äußerlich

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_108.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)