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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Im Verlaufe desselben Winters reiste der Graf im Stuhlweißenburger Comitate und kam einmal ziemlich spät bei Nacht nach Czecze. Das Thor des Wirthshauses war schon geschlossen und er befahl seinem Jäger, mit seinem Hirschfänger auf die Fensterläden zu klopfen, um die Leute zu wecken. Der Jäger vollzog den Befehl seines Herrn, trommelte so lange an den Läden, bis man das Thor öffnete und den Wagen einließ. Auch hier führte der Graf die Scene mit dem Kleiderwechseln auf, so daß man ihn zuerst für ein Frauenzimmer, später für einen jungen Herrn, dann für einen Militäristen hielt. Hierdurch wurden die Leute stutzig und sie machten darüber beim Dorfnotar eine Anzeige, denn auch hier hatte man schon Vieles über die von Sóbri begangenen Räubereien gehört, man glaubte ihn in der Nähe und die vom Comitate getroffenen Anstalten zu seinem Habhaftwerden waren sehr streng.

Als der Graf am nächsten Morgen weiter reisen wollte, meldete ihm sein Jäger, das Wirthshaus sei ganz von Comitatspanduren umstellt, so daß er nirgends herauskommen könne. Ihn setzte dies nicht in Verlegenheit, er nahm einen großen Theaterzettel, in welchen die Epauletten seines Jägers eingewickelt gewesen waren, hervor, drückte sein Grafensiegel auf denselben und befahl dem Jäger, einen der Panduren zu ihm in’s Zimmer zu schicken. Der Mann trat ein und erhielt, nachdem durch ihn der Graf überzeugt worden war, daß seine Weiterreise von der Prüfung seines Passes durch den Dorfnotar abhängig sei, die Weisung, den Notar zu schicken. Dieser kam, der Graf versicherte sich vor Allem, daß derselbe Englisch und Französisch gar nicht und Deutsch nur sehr wenig verstehe, und dann spann sich folgendes Gespräch zwischen Beiden ab: „Wie wollen Sie nun aber meinen Reisepaß lesen? Er ist in den drei von mir erwähnten Sprachen, das Meiste ist Deutsch, dies werden Sie vielleicht verstehen, aber das Französische und Englische nicht.“

„Wollen Sie so gut sein, ihn mir blos zu zeigen und dann vorzulesen, vielleicht werde ich es doch verstehen.“

„Sehr wohl. Hier ist der Paß,“ dabei faltete er den Theaterzettel auseinander und wies auf das große beigedruckte Siegel. „Hören Sie also.“ Nun begann er zu lesen: „Mit allerhöchster Bewilligung – verstehen Sie dies?“

„Ja, gnädiger Herr,“ entgegnete der Notar, dem schon das große Siegel Respect eingeflößt hatte.

„,Pesth, den 23. September 1836, verstehen Sie dies?“

„O ja.“

„,König Lear’. Sehen Sie, hier steht der Name mit großen Buchstaben, hier weiter unten mit kleinen: ,Lear, König von Britannien’.“

„Ah!“ rief der Notar verlegen.

„,Der Herzog von Cornwall, der Herzog von Albanien, der König von Frankreich’, hören Sie?“

„So große Herren!“

„,Der Graf von Gloster, der Graf von Kent’. Hören Sie?“

„Ja, ja, ich höre.“

„Hier folgen die Namen der Secretäre: Herr Wagner, Herr Demini, Herr Posinger, Herr Grohmann, Herr Melchior, Herr Schmidt’.“

„Ah, es ist genug, der Paß ist in bester Ordnung.“

„Sie müssen mich aber weiter reisen lassen, ehe meine Zeit um ist. Denn sehen Sie, was hier gedruckt steht:, Anfang um halb sieben, Ende nach zehn Uhr’. Ich muß also bald fort, denn es ist nahe an acht Uhr.“

„Sehr wohl, Herr –“

„Graf Verywell und Baron von Howdoyoudo.“

„Gnädiger Herr Graf, vergeben Sie mir, daß ich Sie belästigte; hätte ich gewußt, mit welch hoher Herrschaft ich die Ehre haben werde –“

„Entschuldigen Sie sich nicht, Sie haben nur Ihre Pflicht gethan, und ich werde es nicht versäumen, Ihrer bei allen den Hohen Herren, deren Namen Sie hier auf dem Reisepässe gelesen, als eines im Dienste eifrigen Mannes zu erwähnen.“

„Ah, Sie sind zu gnädig, Excellenz,“ sprach der Notar und entfernte sich unter zahllosen Bücklingen, befahl dann den Panduren, ein Spalier zu bilden, und Alle standen entblößten Hauptes da, als der Graf weiter fuhr.





Im Lande der Pharaonen.

Von Arthur Stahl.
Das arabische Haus und der türkische Harem.

„Es gehet eine kleine Wolke auf, wie eines Mannes Hand,“ singt der Bote des Elias und ebenso erwartungsvoll betrachteten wir, auf der Terrasse des Hotels in Kairo, das aufsteigende Gewölk, welches den ersehnten Regen bringen sollte. Denn nichts ist so rar und nichts ist so kostbar in Aegypten. Ewig blau spannt sich der Himmel über das schmachtende Land, die Luft ist glühend, trocken, wirkt wie eine elektrische Spannung, die ohne Lösung bleibt, die Bäume und Pflanzen haben keine Farbe mehr, so sind sie von Staub bedeckt, der feste Boden scheint sich auslösen zu wollen in wirbelnde Wolken. Es regnet – und Alles athmet erquickt auf! Die Palmen breiten ihre Fächer aus, um das köstliche Naß bis in’s Herz zu empfangen, das Zuckerrohr richtet sich frisch gebadet auf, die Akazien duften voller, die Lerchen zwitschern lustig, sie nehmen hier ihren Winteraufenthalt, es ist ein großer Feiertag in der Natur.

Aber auch für die Wagen und Eselführer. Denn wenn es in Kairo geregnet hat, so verwandelt sich der Staub in so undurchdringlichen Schmutz, daß auch der an nordische Straßen gewöhnteste Fuß hier nicht ausgehen könnte. Das ist dann nur möglich für die arabischen und nubischen Füße, die sich nicht mit den Ueberflüssigkeiten der Schuhe und der Pantalons befassen und bei jeder Moschee ein geweihtes Wasserbassin finden, um sich zu baden, wie der Koran es gebietet.

Ein solcher Regentag, der es uns unmöglich macht, die Straßen und Spaziergänge aufzusuchen, ist sehr geeignet, sich das Innere der Häuser und des orientalischen Familienlebens zu betrachten, und ich machte zwei Besuche, zu welchen man mich aufgefordert hatte: im Harem eines Pascha und im Hause eines Arabers, der an die Fremden geschnittene Steine verkauft.

Wenn es nun sehr interessant war, nacheinander das Innerste zweier Häuser zu sehen, welche den verschiedensten Rangstufen angehörten, so muß ich zugleich gestehen, daß der Eindruck des letzteren der bei weitem angenehmere war.

Der türkische Harem ist weit öfter als das erstere beschrieben worden. Ich kann nur sagen, daß der tiefste Widerwille mich keinen Augenblick verlassen hat. Da nur der Hausherr selbst Fremden den Besuch in seinem Harem gestatten kann, so pflegt man sich gewöhnlich zuerst mit ihm zu unterhalten. Er erweist sich als ein Mann von europäischer Bildung, ist mit den Culturzuständen, den politischen Ereignissen, den Verhältnissen anderer Länder bekannt; man fühlt sich also geistig mit ihm auf dem Fuße der Gleichheit. Unwillkürlich legt man diesen Maßstab, der bei uns davon unzertrennlich ist, auch an den Zuschnitt seines Hausstandes. Eine Weile wird diese Täuschung noch aufrecht erhalten durch die halb französische Einrichtung der Prachtgemächer, durch welche man geführt wird, doch beginnt sie schon zu schwanken. Denn welch ein mißverstandenes Durcheinander selbst in den Palästen, welch ein stilloses Aufputzen der Gemächer! Wo ist die altorientalische vornehme Pracht? Im Salon ein Büffet und ein Eßtisch, im Speisesaal Nippesschränke und weichliche Polstermeubel! Ueberall erblickt man an sich schöne Gegenstände, von deren richtiger Anwendung man keine Ahnung gehabt hat. Anstatt der kostbaren Seidentapeten von Damaskus hängen jammervolle Oelgemälde an den Wänden, anstatt der prächtigen gewirkten Stoffe vor den Fenstern französische Gewebe oder Papierrouleaux, bemalt mit Jagd- und Blumenstücken, wie bei uns in den Gasthäusern.

Und jetzt, von den schwarzen Scheusalen bewacht, öffnen sich die Thüren des Harems. Wir befinden uns gegenüber den puppenhaften, trägen Geschöpfen, die uns anstarren, unsere Kleider betasten, unsern Schmuck bewundern und uns nicht einmal den


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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_331.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)