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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

gar manche Stunde, und nie hatte sein Instrument mehr geklagt und stürmischer gegrollt und gedonnert in Schmerz und Lust, in Seligkeit und Verzweiflung als in den nächsten Wochen.

Eines Tages kam ein Brief, mit dem Poststempel Burg, „An den Prinzen Ludwig von Preußen.“ Der Hans Werner meldete in dem Briefe seinem gnädigsten Herrn und General, der immer so gut zu ihm gewesen sei, daß er in acht Tagen seine Hochzeit begehen werde und daß die schöne Cläre Kleemann sich nun doch entschlossen habe, seine Frau zu werden. Am nächsten Sonntag sollte die Trauung stattfinden, und er habe sich unterstanden, das Seiner königlichen Hoheit zu melden, weil dieser ihm doch gerathen, nicht zu verzagen, damals als sie ihm den Brief vorgelesen. Prinz Louis Ferdinand faltete den Brief zusammen und sah lange gedankenvoll vor sich hin auf das Papier nieder.

Der Achensee mit dem Wirthshaus der Scholastica

„Süße Cläre, Du hast also Dein Herz zusammengefaßt in Pflicht und Treue, hast überwunden! Wie lange wird’s dauern, so hast Du mich vergessen, und nur zuweilen in stillen Abendstunden wird der Gedanke an mich wie ein süßer Traum in Deinem holden Herzen auftauchen. Ja, wie lange wird es dauern, so hast Du mich vergessen, denn Alles vergißt sich auf Erden: der Schmerz und die Liebe! Ich habe es an mir selber ja genugsam erfahren, und wehe mir, daß ich’s erfahren habe! Ich wäre sonst nicht, was ich bin: ein liederlicher toller Bursche, der mit sich selbst und mit der ganzen Welt unzufrieden ist. Aber nicht mit Dir, Cläre! Du hast gehandelt gut und brav, und wenn ich schier verzagen möchte an der ganzen Menschheit, will ich an Dich denken, Du holdes, reines Kind der Natur!“

Dorf Kreuth.

Er zerriß den Brief und beantwortete ihn auch nicht, aber am selbigen Tage trug der Haushofmeister ein kleines Paket zur Post. Prinz Louis Ferdinand hatte es selber verschlossen und gesiegelt, und Niemand wußte, was darin enthalten war. Es war ein Medaillon an einem goldenen Kettchen, das Medaillon mit Diamanten eingefaßt und drinnen in der kleinen Kapsel eine dunkelbraune Locke. Ein einfaches, aber reiches Geschenk, wie es sich für eine ehrsame und wohlhabende Bürgersfrau geziemen mochte, es an ihren Festtagen zu tragen. Das Paket war adressirt: „An Jungfer Cläre Kleemann!“ – Der Prinz hatte selber die Adresse geschrieben, und der Haushofmeister sah sie ganz verwundert an; er hatte noch niemals diesen Namen gehört und wußte nicht, was das wohl zu bedeuten habe.

„Es wird irgend eine Liebschaft sein, die der Prinz jetzt abfindet,“ sagte er zu sich selbst, als er das Paket zur Post trug.

Prinz Ludwig hatte es nicht gewagt, der Cläre selbst zu schreiben. Nur ein Zettel lag im Paket, darauf stand: „Der ehrsamen Cläre zum Hochzeitsgeschenk.“

Und zwei Tage darauf kam mit der Post aus Burg ein Paket an den Prinzen Ludwig Ferdinand von Preußen.

Er zuckte zusammen, als der Haushofmeister es ihm überreichte und fragte, ob er es öffnen solle.

„Nein, ich will es selbst thun, geht nur hinaus!“

Und als der Haushofmeister gegangen war, da öffnete er mit zitternder Hand und hastig, als gälte es einer Überraschung, das Paket.

Da war dasselbe kleine Etui, das er nach Burg gesandt, und in dem Etui lag das mit Diamanten eingefaßte Medaillon, ganz so, wie er es ihr gesandt, nur die Locke war aus der Kapsel verschwunden.

Und das war die ganze Antwort.




Der Frühling in den Alpen.

Reiseskizze von M. von Humbracht.

Vielleicht nirgends ist der Frühling reizender und entzückender als am Fuße der Alpen. Der Zauber, welcher in der Blüthenwelt des Mai überhaupt liegt, er wird in den Alpenthälern gesteigert durch jene Welt von Schnee, die schimmernd alle Berge deckt. Und wie prächtig sind alle Gründe geschmückt! Die Wiesen, die niederen Hänge der Berge, der kleinste Rain, sowie das Gebiet des Waldes – Alles und Alles durchsät, ja bedeckt mit den schönsten aller Frühlingsblumen – den Alpenenzianen, die mit ihren prächtigen Glocken wohl kühn an die Seite der berühmten Almenrosen treten können.

Nur Eines ist mir wieder und immer wieder in diesen bairischen Alpen aufgefallen, daß die Vorzeit dort fast gar nicht mit Sage und Geschichte, mit irgend welcher Tradition in unsere Tage eingreift. Ich erwähne dagegen nur das Rheinland, das ihm benachbarte Westphalen, den Harz oder den Taunus. Wie sind all’ diese Striche deutschen Landes von der Sage, von der Romantik durchweht! – Reste grauer

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 453. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_453.jpg&oldid=- (Version vom 20.6.2019)