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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Zwei Regenten.

Von C. N. Riotte in New-York.

Ich hatte während des verflossenen Winters (1867–68) in Washington öfter Gelegenheit gehabt, General Grant auf der Straße und im Capitol zu sehen und ihn in Gesellschaft zu beobachten. Da ich aber nicht zu Denen gehöre, welche sich an die Tagesgrößen herandrängen, im Gegentheil vielmehr eine Scheu trage unter ihnen zu erscheinen, so hatte ich sogar das Anerbieten einiger mir befreudeter Congreßmänner, mich ihm vorzustellen, abgelehnt.

Der Eindruck, welchen General Grant’s äußere Erscheinung und sein Benehmen auf mich gemacht, war ein entschieden günstiger. Da war auch nicht die leiseste Spur von Sichgeltendmachen oder Vordrängen, viel weniger von Anmaßung oder Renommiren sichtbar. Mit fast mädchenhafter Scheu und Aengstlichkeit schien er Alles zu vermeiden, was die öffentliche Aufmerksamkeit auf ihn ziehen konnte. Stets war er in bürgerlicher Kleidung mit Ausnahme der Militärweste (dunkelblau mit Einer Reihe goldener Knöpfe), einen kurzen, etwas fadenscheinigen dunkeln Ueberzieher übergehangen. Nie sah ich ihn in militärischer Begleitung; auf der Straße vermied er sichtlich sich dem Angaffen auszusetzen, und in Gesellschaft nahm er, wo immer thunlich, eine stille zurückgezogene Ecke ein, wo er sich in einfachster und anspruchlosester Weise unterhielt.

Präsident Grant. Vicepräsident Colfax.

Wenn mir auch diese Beobachtungen genügten, um die Behauptungen einiger, namentlich deutscher, radicalen nördlichen Blätter, wonach General Grant so beschränkt wäre, daß er einzig von Cigarren, jungen Hunden und Pferden zu reden verstehe, wie nicht weniger die der Rebellen- und der nördlichen demokratischen Blätter unbedingt zu verwerfen, welche ihm schon damals, als dem voraussichtlichen republikanischen Präsidentschafts-Candidaten alle denkbaren Schwächen und Verbrechen andichteten: so waren sie doch nicht hinreichend, mir, abgesehen von seinen Leistungen im Felde und in der Civilverwaltung, genügende Anhaltspunkte zu einem Urtheil über den „Menschen“ Grant zu gewähren. Es war mir daher erwünscht, als meine früheren texanischen Landsleute mich beauftragten, ihm ein Bild ihrer entsetzlichen Lage vorzulegen und ihn um Abhülfe zu ersuchen.

Der Präsident A. Johnson hatte damals den tüchtigen und loyalen General Sheridan, trotz Grant’s Widerspruch, von New-Orleans, dem Hauptguartier von Louisiana und Texas, weggemaßregelt. Der rebellenfreundliche General Buchanan war in das Commando des Departements eingetreten, und unter seinem stillen Zusehen hatten die Rebellen begonnen, sich ungestraft an den treuen Unionsleuten zu rächen und die emancipirten Farbigen durch Mord und Austreibung in Zahl zu vermindern. Die Menge der straflos verübten Mordthaten hatte sich nach Sheridan’s Verbannung verdreifacht, so daß deren während drei Jahren jeden Tag in Texas etwa zwei vorkamen. Von Präsident Johnson Abhülfe zu erbitten, wäre unnütz gewesen, denn er war es ja gerade, der diesen Zustand herbeigeführt hatte.

Ich wurde daher an General Grant gewiesen, welchem durch den Congreß damals eine sonderbare Zwitterstellung neben dem Präsidenten Johnson gegeben worden war, denn er konnte zwar die Militär-Commandanten der Rebellenstaaten nicht anstellen, ihnen auch keine positiven Instructionen geben, aber durch Widerruf ihrer Befehle vermochte er sie lahm zu legen und sie so wegzuhänseln.

Von dem Adjutanten eingeführt, traf ich General Grant in einem großen Saale, seinem Bureau, von mehreren Secretären umgeben und im Gespräche mit einer Dame. Mit einer Handbewegung wies er die dienstthuende Ordonnanz an, mir einen Sessel in seine Nähe zu stellen. Ein leichtes, einfaches, aber freundliches Kopfnicken, – und er fuhr in seinem Gespräche mit der in Trauer gekleideten Dame fort, das sich um die mögliche Auffindung des Begräbnißplatzes ihres Sohnes drehte. Mit sichtbarer Theilnahme ging er alle Wahrscheinlichkeiten mit der Dame durch und dictirte dem in einer Ecke sitzenden Telegraphisten zwei Anfragen, die eine nach Louisiana, die andere nach Georgien, die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_037.jpg&oldid=- (Version vom 8.3.2020)