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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

muß ihn als lustigen Papageno und wiederum als tiefernsten „König Thoas“ in Gluck’s Iphigenie, in der einactigen kleinen Rolle des „Schauspieldirectors“ und wiederum in der riesenhaft schwierigen Aufgabe des „Beckmesser“ in Richard Wagner’s neuester Oper „Die Meistersinger“ gehört haben, muß ihn - um eine Idee von der Vielseitigkeit seiner Talente zu bekommen - im traulichen Kreise eins seiner selbstcomponirten einfachen Liedchen, deren Opuszahl schon weit in’s Gebiet der dreistelligen Ziffern drang, vielleicht gerade das weltbekannte: „Mir hat a mol vom Teufel g’träumt“ singen hören, dann wieder eine große dramatische Partie bewältigen sehen und zuletzt ihm, dem gemüthlichsten Gast und Freund, in die zahlreichen Kreise seiner Verehrer folgen, die sein sprudelnder, harmloser Humor in angenehmster Weise zu unterhalten versteht. Wenn er daher eines Abends nach dem Theater plötzlich mit finsteren Mienen in den gewohnten Kreis seiner Freunde trat und statt nach dem geliebten Schoppen zur ersten besten, jedoch möglichst großen Zeitung griff, mehr um sich dahinter zu verbergen, als daraus die ihm langweilende Politik zu studiren, so war dies in der That eine so auffällige Erscheinung, daß jeder im Kreise den Nachbar forschend ansah, bis plötzlich eine Nachricht die Situation aufklärte, die bald darauf nicht nur die Localblätter Wiens, nein – die Theaterzeitungen der ganzen Welt erfüllte: Hölzel war ein Opfer seines mannhaften, geraden und festen Charakters geworden - die Intendanz hatte den Liebling des Publicums ohne Umstände entlassen, weil er sich geweigert hatte, eine Partie zu verunstalten, die als eine meisterhafte, komische Charakterrolle längst zum Eigenthum der gesammten deutschen Nation geworden war.

Es galt dem Capuzinermönche „Tuck“ in Marschner’s Oper „Templer und Jüdin“, dieser Figur voll von echtem deutschen Humor, welche, das Waidwerk im Herzen und die Flasche in der Capuze, als ein meisterhafter Typus des mittelalterlichen Mönchthums und als ergötzlichste Partie der genannten Oper jedermann durch das lustige Trinklied bekannt ist, dessen Refrain „Ora pro nobis“ mit höchst komischem Effect jedesmal in den geistlichen Stil verfällt. Gerade diese charakteristische Seite der beliebten Mönchsfigur war es aber, welche längst schon die Intendanz der kaiserlichen Oper, an welche sich der pfäffische Clerus mit allen haarsträubenden Vorstellungen und Höllenmalereien auf dem nicht mehr ungewöhnlichen Wege durch Beichtväter und Beichtschwestern gewendet hatte, wie ein Dorn in’s Auge stach, weil dieser Capuziner aus einer Zeit, die mehr als ein halbes Jahrtausend hinter uns liegt, leider immer noch ein treffendes Bild aus dem Mönchsleben unserer Zeit bot. So lange indeß Marschner am Leben war, hatte sich Niemand an seinem Meisterwerke zu vergreifen gewagt; denn das schleichende Gesindel, welches überall gern im Finstern wirkt, fürchtet den Scandal – und den hätte es mit dem erzürnten Componisten sicher gegeben. Kaum deckte jedoch Marschner die Erde, als man das Unwetter ahnte, welches mit einem Male jetzt – kaum zwei Jahre nach des Meisters Tod – „von oben“ über diesen „lustigen Bruder“ hereinbrach. Brevi manu bekam der Darsteller desselben, Herr Hölzel, obgleich dem früheren Darsteller der Rolle, Staudigl, nie ein solcher Zwang auferlegt war, in der Probe den Befehl, von heute ab diese Partie nicht in der braunen Capuzinerkutte, sondern in einem langen schwarzen Rock zu spielen und in dem herrlichen Trinkliede statt der Worte „Ora pro nobis!“ (bitte für uns!) die völlig farb-

Nr. 4. Vertheidiger, feuriger Redner.

Nr. 5. Schwergravirende Zeugin.

Nr. 6. Journalisten und Berichterstatter, Stenographen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_061.jpg&oldid=- (Version vom 8.10.2021)