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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

eben noch so lebenswarm pulsirenden Jäger auf den kalten Stein todt hinbettet, während drüben das duftblaue Wölkchen vom verziehenden Pulverdampf noch langsam dahinschwebt.

Wer war der Unselige, der diese meuchelnde That vollbracht? So fragt gewiß jeder Theilnehmende, dessen Herz sich vielleicht auch nicht eben im Leben für den Gefallenen zu erwärmen vermochte. Lösen wir – nach eigener Aussage des später ermittelten Verbrechers – dieses Räthsel.

In gleicher Absicht wie der Geopferte und zur selben Stunde hatte sich der eingangserwähnte böhmische Wilderer und geschworene Feind unseres Försters aufgemacht, dem von ihm ebenfalls längst gekannten Balzorte zu nahen. Ebenso war er dann, nur von der andern Seite, an den Hahn angesprungen, als plötzlich die Kugel des Försters dem Unberechtigten sein schon sicher geglaubtes Ziel entrückte. Bis dahin hatten die beiden feindlichen Schützen natürlich keine Ahnung von einander gehabt, aber der gefallene scharfe Büchsenknall verrieth nur allzusicher dem Rachsüchtigen sein Opfer. Und kaum seinen Feind erspähend und ihn erkennend, hatte der freie Sohn des Waldes auch schon das Gewehr nach jenem gerichtet, und mit kaltem Herzen und durchdringendem Auge fest und sicher zielend, als gälte es nur gewinnbringender Beute, so gab der wilde Bursche erbarmungslos Feuer auf seinen ebenso rohen und herzlosen Gegner – und so lösten zwei Ebenbürtige ihr frevelnd gegebenes Wort ein.




Verlassen und Verloren.

Historische Erzählung aus dem Spessart.
Von Levin Schücking.
(Fortsetzung.)

Benedicte schritt vorauf, die beiden Officiere folgten ihr auf dem Fußstege, nur von einem der zwei Husaren begleitet, die ihnen vorher vorausgeritten waren, der andere war auf einen Wink des Bubna genannten Officiers bei diesem an dem Steinkreuz zurückgeblieben.

Während die beiden Männer, welche sie führte, dicht nebeneinander auf dem schmalen Pfade ritten, sprachen sie lebhaft, aber so miteinander, daß Benedicte ihre Worte nicht verstand.

Als sie vor dem offenstehenden eisernen Gitterthor angelangt waren, das von dieser Seite durch eine niedrige Mauer in den Garten von Goschenwald führte – man hatte nur noch zwischen einigen mit hohem altem Buchsbaum eingefaßten Beeten bis zum Hause zu gehen – wandte sich Benedicte zurück:

„Wenn die Herren hier absteigen wollen,“ sagte sie, „so kann ich Sie unmittelbar in’s Haus führen. Die Pferde jedoch muß Ihr Begleiter hinab an dieser Mauer und an dem Gebäude entlang führen und an der Vorderseite durch die Thoreinfahrt in den Hof, er wird dort gleich die Stallung sehen …“

„Sehr wohl!“ antwortete der junge General und stieg rasch aus dem Sattel, um dem herankommenden Husaren die Zügel zuzuwerfen.

Er blieb einen Augenblick stehen, um seinem älteren und weniger behenden Cameraden, den er Sztarrai genannt hatte, Zeit zu lassen, auf den Boden zu gelangen; dann folgten die beiden Männer dem jungen Mädchen.

Benedicte führte sie durch eine Glasthür in’s Haus, dann durch einen niedrigen Gang, der in ein hohes Stiegenhaus leitete – aber bevor sie noch dieses letztere erreicht, warf sie rechts eine Thür auf und bat die Herren einzutreten.

Ein großer, durch drei auf den vorderen Hof hinausgehende Fenster erleuchteter hallenartiger Raum umfing sie. Rings an den Wänden lief ein hohes Täfelwerk von dunklem Eichenholz umher, über dem mancherlei groteske Jagdbeute des Spessartwaldes an der Wand befestigt war, seltsam ausgewachsenes Gehörn und Geweih – in der Mitte der den Fenstern gegenüberliegenden Wand prangte auch eine Trophäe; aber sie bestand nur aus harmlosen Waidtaschen, Hifthörnern und alterthümlichen Pulverhörnern – die Waffen, die dazwischen die leer gewordenen Stellen gefüllt, waren fortgenommen worden – hatten sie sich vor dem französischen Machtgebot unsichtbar gemacht, oder dienten sie eben bei dem blutigen Handgemenge drüben im nächsten Thal, Rache an dem französischen Machtgebot zu nehmen?

Der gestrenge Herr Schösser hätte es müssen wissen, aber seine Knechte wußten es besser!

Der gestrenge Herr saß eben oben in diesem Saal – auf der Bank neben dem riesigen Kachelofen, mit dem Rücken sich an die kalten Platten desselben lehnend, die Arme über der Brust verschränkt und von der Höhe seines langen Oberkörpers herab auf zwei Gruppen von Leuten blickend, die sich in dem Saale an zwei verschiedenen Tischen, welche unter den Fenstern des Raumes hinliefen, befanden.

An dem oberen Tische saßen zwei weibliche Wesen, Frau Marcelline und ihre Zofe. Frau Marcelline hatte ihren Hut auf einen Stuhl neben sich geworfen und drüber ihr Fichu und ihre langen, bis zum Ellenbogen reichenden Handschuhe; das Sacktuch und ein silbernes Riechbüchschen lagen neben ihr auf dem Tisch, während ihre beringte Hand einen kleinen Spiegel hielt, in dem sie sich beschaute, um den in Verwirrung gerathenen Scheitel wieder zu glätten. Hinter ihr stand die Zofe und steckte ihr mit Haarnadeln den losgegangenen Chignon wieder fest, denn der Chignon gehörte zur Tracht der Damen des achtzehnten Jahrhunderts, wie er es heute that. Von ihren Schläfen hingen lange Locken nieder, dunklen, fast blauschwarzen Haares, wie es ganz paßte zu dem schönen und zugleich pikanten Gesicht, den feingeschnittenen, ein wenig scharfen Zügen den schmalgeschlitzten Augen, die unter schwarzen beweglichen Brauen durch die langen Wimpern der Lider feurige, zuweilen ein wenig stechende Blicke schossen. Ihr Mund war roth, voll, geschnitten wie nach dem Muster vom Bogen Amors, nur die Winkel waren stark genug nach unten gezogen, um diesem reizenden Munde einen gewissen Ausdruck von Hochmuth oder Härte oder Verachtung zu geben, der Frau Marcellinens Gesicht nicht anziehender machte. Ihr Teint war ein wenig abgebleicht, unfrisch, fatiguirt vielleicht nur vom Staub des Weges, von den Mühen der Reise und nicht von den Jahren – sie konnte kaum sechsundzwanzig oder siebenundzwanzig Jahre zählen.

An dem zweiten Tisch weiter unten in dem Raum saß der Capitain Lesaillier mit seinem alten Grognard von Wachtmeister – sie hatten ihre Säbel in den alten Messingscheiden und die Czakos mit den grünen Federbüschen auf den Tisch geworfen, die rothen Revers ihrer grünen Uniformen aufgeknöpft und waren eifrig damit beschäftigt, den Erfrischungen zuzusprechen, welche die Beschließerin ihnen auftrug, wobei der Wachtmeister seinen Vorgesetzten durch einige Späße unterhielt, die er über die seltsame und, wie er es nannte, austrogothische Figur des am Ofen lehnenden Lieutenants außer Dienst und gestrengen Herrn Schössers machte.

„Welch’ ein Biedermann!“ hatte er eben lachend gerufen – „er sieht aus wie aus Pappendeckel geschnitten, um im Marionettentheater den grausamen Feldherrn Ahitophel vorzustellen!“

„Und Das hält sich für einen Soldaten!“ sagte der Capitain lächelnd.

„Sagen Sie mir, mein Capitain,“ fragte der Wachtmeister, „ist je eine ganze Armee solcher mörderischer Kerle in’s Feld gerückt?“

„Eine Armee? Wie wäre die zu Stande gekommen! Diese kleinen deutschen Tyrannen brachten kaum einige Regimenter zusammen – der Eine von ihnen lieferte dies, der Andere das; der Eine gab für die Compagnie einige arme Hungerleider her, der Zweite den Hauptmann und der Dritte die Trommel, den Tambour und die Kochtöpfe. Eine freie Reichsstadt musterte ein halbes Dutzend Reiter, eine Aebtissin besorgte den Cornet und ein dritter Souverän lieferte das Sattelwerk und Riemenzeug – geh’ und frag’ die rothe Vogelscheuche dort, und er wird Dir sagen, daß ihm zu seiner Ausrüstung ein armes Gräflein den

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 503. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_503.jpg&oldid=- (Version vom 14.8.2022)