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verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Nur in warmen Zimmern gelingt es nicht. Ebenso ist das Einschlafen bei Gelegenheit von Sonnenfinsternissen beobachtet. Ob der Wegfall des Lichtes die Ursache war? Eine andere Art von Versuch bestand darin, daß man mehrere sensitive Pflanzen in einen warmen dunklen Keller stellte. Das Spiel der periodischen Bewegungen blieb unverändert, doch wurde es mit der Zeit etwas schwächer. In die Kühle gebracht hörte es sogleich auf.

Aus diesen und anderen Erfahrungen zu schließen, ist das ganze Licht, wie es auf die Augen wirkt und nach dem die Blätter und Blumen sich hinwenden, zum Oeffnen der sensitiven Grünblätter allerdings nöthig. Durchaus aber nicht auch zum Erwachen der Blumen. Diese sind noch feinfühliger. Sie brauchen nicht einmal den Reiz des ganzen ungetheilten Lichtes. Ist doch das Licht aus vielartigen Strahlen zusammengesetzt, aus chemisch wirkenden und wärmenden vor Allem. Es können ja die Wärmestrahlen auch künstlich isolirt werden, und bei Unterdrückung der anderen Strahlengarben wirken sie in der That im Dunkel so energisch, daß man Pulver mit ihnen anzünden kann. Diese sind es nach allen Betrachtungen allein, welche die traumhafte Faltung und das Oeffnen der Blumenkronen veranlassen. An die Wärmeschwankungen zwischen Tag und Abend und Nacht ist das Wachen und Schlafen gebunden, und das Licht von oben ist nur in soweit dabei betheiligt, als eben auch wärmende Strahlen von ihm ausgehen. Jede Blume entfaltet sich, gesetzt, daß die bestimmte Feuchtigkeit – diese ist der andere gleichzeitige Factor – vorhanden ist, bei einer gewissen Summe von Thermometergraden und ist somit allerdings von der Sonne, als der ausschließlichen Wärmespenderin unserer Erde, abhängig. Der Zustand der Sättigung findet bei den meisten Pflanzen des Morgens statt. Da blühen sie auf; nur an kühlen Tagen findet die Entfaltung nicht oder wenig statt. Wenn sie aber einmal entfaltet oder geschlossen sind, so beharren sie eine längere oder kürzere Zeit in diesem Zustande.

Jede Pflanze hat aber ihren eigenthümlichen Stoffwechsel, die Fasern jeder Art haben ihre eigene Elasticität. Dadurch löst sich auch das Räthsel, daß manche Blumen ihre eigene Weise und ihre besonderen Stunden des Wachens und des Schlafens haben. Dagegen wird der Satz aufgestellt: „Jene Pflanzen, welche ihre Blüthe dann erschließen, wenn bei uns der Abend zur ruhigen Verschlossenheit mahnt, sind alle dort heimisch, wo zu dieser Zeit erst der Tag beginnt. Auch sie folgen also dem allgemeinen Gesetze, daß sich dem Lichte alle Daseinsformen entgegendrängen; daß aber ihrem Zuge zum Licht die Heimath fehlt, und daß sie deswegen als Störer des Gesetzes auf einem Boden erscheinen, der ihnen doch nicht ursprünglich angehört – dafür können doch die armen Blumen gar nichts.“ Es läge hinter solcher auch unter anderen Längengraden der Erde fortbestehenden und sich fortvererbenden Heimathsnatur ein über alles Begreifen und Verstehen gehendes Geheimniß, wobei alle Naturwissenschaft aufzuhören hätte, welche ja durchgehends zeigt, daß alle Erscheinung von den äußeren Verhältnissen bedingt ist. P. K.     




Ein gutes Volks-, Familien- und Prachtbuch von Berthold Auerbach.

„Der Krappenzacher, der einen Stelzfuß hatte, war der sogenannte Heirathsmacher in der Gegend.“ (Barfüßele Seite 23.)

Dem von Berthold Auerbach geschaffenen neuen Zweige der Volkspoesie hat das deutsche Volk und die gesammte gebildete Welt durch die außergewöhnlich glänzende Aufnahme der „Dorfgeschichten“ die höchste Anerkennung erwiesen.

Eine Perle dieser Dichtungen ist sein „Barfüßele“: ein Werk, wie aus dem Urquell des Volksgemüthes entsprungen, vom Hauche unserer heutigen Empfindung, unseres gegenwärtigen Lebens bewegt; ein Werk rein in der Gestaltung, anziehend und beruhigend zugleich, erquickend für Jung und Alt, für die Eltern und die Kinder, die offengelegte Entwicklung einer starken Menschenseele,


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verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1869, Seite 608. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_608.jpg&oldid=- (Version vom 5.10.2022)