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verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

worden und verdient um so mehr Beachtung, da sie für solche Zwecke bisher noch wenig benutzt und doch sehr gefügig ist.

Es würde aber ein großes Unrecht sein, wollten wir nicht auch den Rosen der übrigen Aussteller unsere volle Anerkennung zu Theil werden lassen. Eine Gruppe von fünfzig wurzelechten Rosen der Varietät Souvenir de Malmaison des Herrn Otto aus Altona, sodann die Trauerrosen von der Varietät Bourfault von Johann von Ehren in Nienstädten bei Altona, ferner ein Rosenbeet der Herren Soupert und Notting in Luxemburg, vorzugsweise in Remontante-Rosen bestehend und außerdem zahlreiche sehr prächtige Exemplare berühmter französischer Varietäten enthaltend, ferner das geschmackvoll arrangirte Rosenbeet des Herrn Jürgens aus Nienstädten mit gegen eintausend Exemplaren niedriger weißer und zartrother Varietäten – dies dürften die hervorragendsten Leistungen auf diesem Gebiete sein, und lobend zu erwähnen sind schließlich auch die Bourbon-, Thee- etc. Rosen der Gärtnerei des Herrn Wigand in Eisenberg, die beiden Gruppen von fünfundsiebenzig Rosen des Herrn Westenius aus Hildesheim und die Gruppe von hundert Rosen des Pomologenvereins in Boskoop in Holland.

Nimmt die Rose von vornherein die Aufmerksamkeit eines jeden Blumenfreundes in hohem Grade in Anspruch, so bietet sie hier ein vorzugsweise reiches Material zu anregenden Betrachtungen. Hier gruppiren sich mit Geschmack und Verständniß alle Formen und Farbenschattirungen, alle Größen und Füllungsgrade, von der Riesengestalt der Rose Anna von Diesbach oder der Baroneß Prevost bis zur winzigen Rose Louise Darzens; von der schneeigen Weiße der Aimée bis zum Dunkelpurpur der Rose Alfred de Rougemont, vom lichten Rosa der Louise Odier bis zum Dunkelroth der Kaiserrose von Marokko, vom bläulichen Purpur der Rose Alphons Damaizin bis zum strahlenden Gold des Maréchal Niel. Und unter ihnen allen strahlt in köstlichster Pracht die Königin aller, die in Form und Farbe hochvollendete Centifolie mit allen ihren Varietäten.

Nicht Jedermanns Liebling ist die Georgine, obwohl ihre Farbenpracht die zahlloser anderer Blumen bei Weitem übertrifft. Hier kommen sie uns in einem Glanze und einer Pracht entgegen, wie sie der Jahreszeit entsprechend sind. Wir können uns nicht enthalten, wenigstens den Neuheiten für das Jahr 1870 des Herrn Sieckmann in Köstritz, Fürstenthum Reuß, unsere Aufmerksamkeit zu schenken, unter denen wir die Georginen E. Marlitt, Goldelse, Graf Bismarck, Freiherr von Beust, Dr. Giskra, Dr. Berger, Präsident Grant etc. in prachtvollen großblumigen Exemplaren erwähnen wollen, gleichviel, ob sie es vorzüglich gewesen, um deren willen ihr Aussteller den ersten Preis erhalten hat.

Auch die Fuchsien zeigen zahlreiche neue Sorten, welche bis dahin im Handel noch nicht existiren und unter denen wiederum die hochstämmigen Exemplare des Herrn Harms im prachtvollsten Farbenschmelz alle Anerkennung verdienen.

Mit wohlthuenden Gefühlen schweift der Blick über das ganze Terrain der Ausstellung und haftet hier und da gern ausruhend an einzelnen schönen Gegenständen. Von dem lieblich saftgrünen Rasen heben sich in geschmackvollen Formen Gebilde ab, welche man schlechthin als „Rasen-Decorationen“ zu bezeichnen pflegt. Es sind symmetrisch geordnete Figuren, Sterne, Riesenblätter, Rondele, Boskets, Rosetten und dergleichen bildend, wie sie eben die Gartenkunst unserer Zeit liebt und schön herzustellen weiß. Ihre Füllung besteht in den sogenannten Teppichpflanzen, die, mannigfaltig verschieden, durch ihre vielfarbigen Blätter geschmackvolle Zusammenstellungen ermöglichen. In ähnlicher, jedoch abweichender Weise ist eine schwimmende Insel in Form eines riesigen und geschmackvollen Sterns zusammengesetzt, in dessen Mitte ein riesiger Cycla revoluta (jenes herrliche Palmengewächs, mit dessen Zweigen man namentlich in Sachsen die Särge zu schmücken pflegt) hervorragt.

Unter den anmuthigen Spielereien – so dürfen wir sie fast nennen – mit denen in unserer Zeit die Gartenkunst sich beschäftigt, verdienen die Farrngruppen vorzugsweise Beachtung. Diese zierlichen Gebilde, deren volkstümliche Namen, als: Frauenhaar-, Streifen-, Tüpfel-, Schild-, Vogelnest-, Hirschhorn-Farrn (Platycerium grande, in einem prächtigen Riesen-Exemplar, zum Preise von fünfzig Thaler, ausgestellt von Herrn Gireout, Garteninspector in Sagan) etc, neben den lateinischen Bezeichnungen und zugleich mit der Liebhaberei an diesen Gewächsen überhaupt immer mehr in alle Kreise der Gebildeten dringen, sind hier ebenfalls äußerst zahlreich vertreten.

Nicht minder schön und absonderlich in ihrer Eigenthümlichkeit erscheinen die Cactus-Gewächse, welche auf dieser Ausstellung unter Anderen in einer geradezu unübertrefflichen Sammlung von Charles Pfersdorfs aus Paris in hundertneunundfünfzig Sorten vorhanden sind, und ebenso die wunderniedlichen Miniaturpflanzen zur Zimmer-Decoration in geschmackvollen Etageren.

Auch die in Töpfen cultivirten einheimischen und fremdländischen Waldbäume, die Miniatur-Zierbäume und -Sträucher mit bunten Blättern und dergleichen, welche neuerdings noch immer beliebter geworden, gehören, streng genommen, in diese Rubrik. Daß sie aber in der jetzigen Gartencultur keinen geringen Rang einnehmen, davon zeugt der Umstand, daß ihre Aussteller, unter Anderen Ohlendorff in Hamburg, mehrfach den ersten Preis für schöne Leistungen auf diesem Gebiet davongetragen haben. Noch mannigfaltiger und wichtiger erscheint aber die neuerdings auch bedeutend erweiterte Cultur der Coniferen oder Nadelholzgewächse aller Art, unter denen auf dieser Ausstellung die herrlichen riesengroßen Araucarien, die zu den beliebtesten Decorationsbäumen der Gegenwart gehörenden Andentannen oder Andenfichten gelten müssen, und unter welchen die unübertroffenen des Herrn Jean Berschaffelt aus Gent in Belgien mit Recht mit dem ersten Preise belohnt wurden. Für eine sehr schöne Araucaria Cunninghami erhielt auch Herr Egide Rossels aus Löwen in Belgien dieselbe Auszeichnung.

Für den Liebhaber ist eine Gruppe von fünfundzwanzig sehr verschiedenartigen Arten Epheu in Töpfen von Herrn Choné aus Berlin erwähnenswert. Der größte Theil dieser Exemplare ist in der Blüthe begriffen, und abgesehen von der an sich schon so beträchtlichen Verschiedenheit der Blätterform und -Färbung bei den einzelnen Varietäten, kommt nun auch noch die sonderbare Erscheinung zur Geltung, daß die Blätter jedes blühenden Epheus ihre bisherige Gestalt verändern und in eine mehr und mehr gerundete übergehen.

So feiert denn wiederum die Industrie und Gewerbthätigkeit hier ein hohes Fest, welches zu den erhebendsten Erscheinungen gehört, die eine friedensvolle segensreiche Thätigkeit der Menschenarbeit hervorzurufen vermag, und welches jeden Menschenfreund mit Jubel und Entzücken, mit Respect vor dem menschlichen Geist erfüllen muß.

Als in den letzten Tagen der Pariser Weltausstellung, nächst den noch herbeigeströmten zahllosen fremden, Hunderttausende von Landleuten aus der Umgebung das ermäßigte Entrée benutzten, als dann zugleich sämmtliche Gemeindeschulen von Paris ihre kleine schaulustige Bevölkerung in die ungeheuren Räume ergossen, als dann sämmtliche Maschinenwerke der Ausstellung von den kolossalen Mahlwerken bis zu den kleinsten Modellen herab in Bewegung gesetzt wurden, als dann die großen und kleinen Glockenwerke ihre ehernen Stimmen erhoben, die ganze Mannigfaltigkeit der musikalischen Instrumente, von winzigen Spieluhren bis zu gewaltigen Orgelwerken hinauf, dazu erschallten, als der weitschweifende Blick über dem ungeheuren Menschengewimmel den bunten Schmuck der Fahnen und Flaggen vom milden Hauch in Bewegung gesetzt überschaute, als er keinen noch so geringen Punkt entdecken konnte, auf welchem nicht irgend ein Werk des Friedens in seiner vollen Wichtigkeit zur Geltung kam – da konnte der Menschenfreund wohl die Kanonen und Menschen-Vernichtungswerkzeuge mindestens für kurze Zeit vergessen und, frei aufathmend, aus vollem frohen Herzen einstimmen in die hehre Jubelfeier des beglückenden Menschenthums. Doch nur zu bald wurde man damals daran erinnert, daß diese Feier der Industrie vielleicht nur ein Todtenfest sei – daß über diese ganze freudige und segensreiche Thätigkeit friedlicher Menschen wahrscheinlich nur zu bald die brandenden Wogen zusammenschlagen würden eines furchtbaren blutigen Völkerkrieges, unter dessen Wunden zuckend und wimmernd die Industrie ihre gegenwärtigen Triumphe bald genug vergessen müßte.

Jetzt ist es anders. Als ein schönes ungetrübtes Friedensfest haben wir die Hamburger Ausstellung jubelvoll zu begrüßen. Ist sie auch nur auf ein beschränktes Gebiet abgegrenzt, so dürfen wir dieses doch als eines der wichtigsten in der ganzen Menschenthätigkeit ansehen. Man schmäht unsere Gegenwart, man fühlt sich beängstigt und gedrückt in ihrer Unsicherheit und ihren

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verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1869, Seite 625. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_625.jpg&oldid=- (Version vom 16.10.2022)