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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Er saß, mit dem Rücken dem Ballsaal zugekehrt, im Spielzimmer und beantwortete jede Frage, ob er schon seiner gestrengen Tante oder seinen schönen Cousinen vorgestellt sei oder ob er es nicht zu thun wünsche, mit einem gleichgültigen „Es hat Zeit, nachher“.

Inzwischen hatte auch Frau von Fuchs schon von der Anwesenheit des Neffen gehört, den sie selbst nie gesehen, mit dessen Vater sie aber in mancherlei Beziehungen stand. Halb ärgerte sie sich über die Ungezogenheit des Sohnes, halb freute sie sich, unter so Vielen, die ihren Verhältnissen, wenn auch nicht ihr selbst, Aufmerksamkeiten erwiesen, endlich Einen zu finden, der sich, um ihren eigenen Gedanken wiederzugeben, den Teufel um sie und ihr Geld scheerte. So waren ihre Empfindungen sehr getheilt, als plötzlich während des Cotillons Brücken, der seine Partie beendet, quer durch die Reihen der Tanzenden hindurch auf sie zugeschlendert kam, sich gerade vor sie hinstellend und ihr so die gesuchte Aussicht abschneidend, mit einer leichten aber graziösen Verbeugung freundlich sagte:

„Gnädigste Tante, ich gebe mir die Ehre mich Ihnen selbst vorzustellen, ich bin ein Brücken.“

„Gut,“ sagte die Dame, seinen verbindlichen Gruß mit steifem Kopfnicken erwidernd, „gut, mein Herr von Brücken. Es laufen viel bunte Hunde in der Welt herum und sind deshalb doch nicht alle mit einander verwandt.“

„Aber wir bunten Hunde sind es,“ entgegnete er lächelnd. „Ich bin der Sohn des Major von Brücken.“

„So hör’ ich; aber die Verwandtschaft ist auch nur von Adam und Eva her.“

„Verzeihung, gnädigste Tante – meine Mutter war eine geborne Fuchs, meine Großmutter –“

„Sie nehmen mir ganz und gar die Aussicht, Herr Neffe, ich sehe dem Cotillon gern zu,“ unterbrach ihn die Dame.

Brücken trat mit einer artigen Verbeugung zur Seite und da er zufällig in der Nähe einen leeren Stuhl sah, rückte er diesen neben die Tante.

„Wenn Sie erlauben?“ sagte er und nahm Platz.

„Der Stuhl wird sich sehr freuen,“ entgegnete sie kurz.

Ein kurzes fröhliches Auflachen folgte dieser Abweisung. Brücken hatte, ebenso wie einen hübschen sonoren Sprachton, so auch etwas Melodisches in seinem Lachen. Es klang frisch aus dem Herzen herauf und wirkte leicht ansteckend. Frau von Fuchs hatte wohl am wenigsten diese harmlose Erwiderung ihrer unhöflichen Bemerkung erwartet. Sie sah ihn ganz erstaunt an, fühlte sich aber unwillkürlich geneigter ihm zuzuhören, als er ganz ruhig wieder von seiner Großmutter anfing und die Bemerkung einfließen ließ, daß diese eine intime Freundin von Tante Rosinens Mutter gewesen sei.

„Ich wollte, sie wäre es nicht gewesen, ich habe den verwünschten Namen von ihr geerbt,“ brummte Frau von Fuchs. „Rosine! Wie kann man ein Kind Rosine nennen, es zu dem Zustand vertrockneter Süße prädestiniren! Ha, nichts gräulicher als süß sein! Das ist nicht ’mal an einem Courmacher angenehm. Rosine! In meiner Jugend wollten sie Rose daraus machen. Das habe ich mir verbeten. Ich habe nie etwas von einer Rose gehabt, es müßten denn die Dornen gewesen sein“ – sie blickte ihren Nachbar herausfordernd an, als wolle sie Widerspruch herauslocken, nur um das Recht zu haben, sich über die Schmeichelei zu ärgern, aber seine Aufmerksamkeit war nur eine halbe gewesen. Zum Theil unbewußt, wie er in den Kreis der Tanzenden schaute, war ihm auf einmal ein Blick aus zwei blauen Mädchenaugen begegnet, so allerliebst verwundert, so schelmisch neugierig und so ohne alle Koketterie unbefangen, daß sein für Frauenschönheit sehr empfänglicher Sinn sich wunderbar getroffen fühlte.

Die junge Dame schossirte vorüber auf einen in nächster Nähe der Frau von Fuchs sitzenden Herrn zu; zu gleicher Zeit kam von der entgegengesetzten Seite des Saales ein anderes junges Mädchen leichtfüßig einhergehüpft, denselben Herrn in die Tour zu wählen. Lachend blieben Beide stehen. Es waren die Zwillingsschwestern. Im Fluge wurden ein paar Worte ausgetauscht.

„Es ist wirklich Hexerei, daß wir immer dasselbe thun und denken,“ meinte Liddy.

„Hexerei? Sage doch lieber Zauberei,“ entgegnete Elly.

Sie nickten einander zu und wollten der Tour folgen, da sagte Letztere noch eilig:

„Liddy, weißt Du, wer der Herr ist, der neben der Tante sitzt?“

Jene schüttelte den Kopf.

„Bemerkt habe ich ihn auch, aber ich weiß es nicht,“ entgegnete sie schnell.

Dies flüchtige Zusammentreffen der Beiden, ihr kurzes Zwiegespräch fiel störend zwischen der Tante letzte Aeußerung und die in halber Zerstreuung gegebene Gegenbemerkung:

„Was thut der Name zur Sache?“

„Sehr viel; er bezeichnet sie und sollte es wenigstens thun,“ sagte Frau von Fuchs. „Was denken Sie sich z. B. unter Elly und Liddy?“ fragte sie, den Blick auffangend, der den Schwestern folgte.

„Zwei nette kleine Bologneser Hündchen,“ antwortete er.

„Unsinn!“ fuhr sie auf. „Bologneser Hündchen!“ und sie drehte ihm den Rücken zu.

Brücken lachte wieder still in sich hinein, aber diesmal unhörbar, und somit blieb ihr Antlitz abgewendet. Eine Weile saß er schweigend neben ihr.

„Wer sind die beiden blonden Mädchen, die einander so ähnlich sehen, gnädigste Tante?“ redete er sie dann wieder an, „Sie sind recht artig, in der That!“

„Recht artig, in der That!“ wiederholte sie. „Welch nichtssagendes Lob! Es sind meine Nichten, Liddy und Elly; vielleicht übertreffen sie ein wenig die Phantasie von den Bologneser Hündchen, hm?“

Brücken lehnte sich in den Stuhl zurück, schlug ein Bein über das andere und sagte in einem zwischen Unverschämtheit und Gleichgültigkeit schwankenden Tone:

„Recht artig in der That; was bekommen sie mit, Tante?“

„Drei Geschwister und mich, sowie die alte Dore, die noch weniger eine Rose ist und noch mehr Dornen hat als ich. Uebrigens werde ich sorgen, daß sie Keinen heirathen, der nach der Mitgift fragt,“ antwortete sie scharf.

„Da haben Sie auch Recht; denn wer erst nach der Mitgift fragt, hat das Mädchen gewiß nicht lieb,“ sagte Brücken so treuherzig, daß sie ganz irre wurde.

Hatte er denn nicht in seinem Interesse die unverschämte Frage gewagt? Was dachte er sich überhaupt dabei?

„Die Leute sagen, Vetter Hasse, Ihr Universalerbe, Tante, würde einmal ein verteufelt reicher Kerl als Besitzer von Gülzenow,“ fuhr Brücken mit unerschütterlicher Ruhe fort.

(Fortsetzung folgt.)




Die Geschichte eines Biberjägers.
Von Guido Hammer.

Meine diesmalige bildliche Darstellung einer auf dem Continent dem Aussterben nahen Wildgattung, die des Bibers, habe ich nicht auf meinen Jagdzügen, sondern mit Hülfe von Naturstudien entworfen, die sich mir bei besonderer Gelegenheit boten. Auch war ich nicht in der Lage selbst Beobachtungen über die Natur dieses wundersamen Thieres anzustellen und beschränke mich deshalb bezüglich des naturgeschichtlichen Theiles meines heutigen Artikels auch nur auf so viel, als zur Illustration beigegebenen Bildes unerläßlich ist; dies Wenige jedoch gestützt auf die Erfahrungen und mündlichen Mittheilungen eines alten Jägers, der selber noch auf deutschem Boden Biber zu jagen und sie in ihrer vollen Ursprünglichkeit zu beobachten so glücklich gewesen, wie eines ehemaligen Schulcameraden, den die Sehnsucht nach der einst verlassenen Heimath über den weiten Ocean zurückgeführt hatte, über welchen er, dem Drange seines ungestümen Herzens folgend, hingezogen war, dort in einem der biber- und überhaupt wildreichen Territorien als Trapper seinem unbegrenzten Hang zu ungebundener Freiheit Rechnung tragen zu können.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 630. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_630.jpg&oldid=- (Version vom 19.10.2022)