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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

Der Prinz hatte aber eine an Prinzen sehr seltene, deshalb doppelt schätzbare Eigenschaft: er war sehr bescheiden; hätte man einem amerikanischen Ladendiener das Commando der deutschen Division angeboten, er würde es nicht ausgeschlagen haben; der Prinz jedoch lehnte das Commando der Brigade ab, da er nicht Englisch genug sprach, sie zu commandiren, und wurde daher als Chef des Stabes der deutschen Division zugetheilt.

Da ich sehr viel mit Blenker verkehrte und nicht selten wochenlang mit ihm in demselben Zimmer schlief, so lernte ich auch die Officiere seiner Division genauer kennen und gewann den bescheidenen, höflichen Prinzen lieb, der sich vertrauensvoll, freundschaftlich an mich anschloß.

Das Regiment, dessen Commando der Prinz erhielt, besaß ein Officiercorps, welches vorzugsweise aus Leuten zusammengesetzt war, die mehr republikanische als taktische Kenntnisse besaßen, und an deren Spitze, als interimistischer Befehlshaber, ein Oberstlieutenant stand, dem man weder Geburts- noch sonstigen Adel vorwerfen konnte, und der außerdem den Vorzug hatte, daß er selten nüchtern war. Die Soldaten machten sich über ihn lustig, und wenn er durch die Gassen des Lagers schwankte, rief es aus allen Zelten lachend hinter ihm her: „Er hat!“ – Er war kein schlechter Soldat, und war, glaub’ ich, einmal irgend wo Unterofficier gewesen; außerdem aber ein Radicaler von reinem Wasser, obgleich dieses stark mit Whisky versetzt war. Ein solcher Oberst paßte dem zu ihm passenden Officiercorps vortrefflich und Alle hofften, daß er das Commando des Regiments erhalten werde. Ihre Unzufriedenheit war daher groß, als der Prinz Oberst ihres Regiments wurde.

Da nun dieser allerlei Unannehmlichkeiten voraussah und großes Zutrauen zu mir hatte, so bat er mich, ihn in seinem Lager zu besuchen und ihm in seiner schwierigen Lage mit Rath und That an die Hand zu gehen, zugleich auch seine Frau zu ihm zu begleiten, die es sich nicht nehmen ließ, die Beschwerden des Feldzugs mit ihm theilen zu wollen.

Prinzen sind bei uns „as plenty as blackberries“ und die Zeit ist längst vorüber, in welcher sich die Bevölkerung eines ganzen Städtchens an einem Gasthofe versammelte, um irgendwelche dort abgestiegene Durchlaucht zu sehen. In Amerika sind Prinzen jedoch eine Curiosität, und über ihre Stellung und Macht herrschen dort die wunderlichsten Ideen. Wenn nun auch den Amerikanern das Gefühl durchaus fremd ist, welches den Rücken unserer Väter beim Anblick eines Prinzen krümmte, so ist doch sicher, daß nur wenige Damen widerstehen würden, wenn die Versuchung an sie heranträte, eine „Highneß“ zu werden. – Einem liebenswürdigen und hübschen Manne wie Prinz Felix Salm würde es leicht geworden sein, irgend eine mit Millionen von Dollars beschwerte Amerikanerin zu heirathen, und er hätte sich vielleicht auch entschlossen, eine solche glückliche Schöne durch seinen Titel noch glücklicher zu machen, wenn sich nicht der Confusionsrath Amor in’s Mittel gelegt hätte, der, wie man mir sagt, in dem fürstlichen Hause Salm stets eine größere Rolle spielte, als der olympische Commercienrath Mercur.

Zur Zeit, als Blenker’s Division noch in der Nähe von Washington lag, erschien in dieser Stadt eine junge Dame, welche dazu ausersehen war, die Hoffnungen mancher Amerikanerin zu zerstören. Sie war eine Canadierin, die Tochter eines Obersten Leclerq[WS 1], welche die Vermittelung der dortigen englischen Gesandtschaft in Bezug auf ein streitiges Besitzthum in Cuba suchte, wo sie einen Theil ihrer Jugend verlebt hatte.

Der Prinz sah sie, und es passirte die ewig neue alte Geschichte. Obwohl der Prinz damals kaum ein Wort Englisch verstand und sie kein Wort Deutsch, so redeten doch ihre Augen die bekannte Universalsprache, und Beide verstanden sich vollkommen. Die junge Dame – das kann ich verbürgen – hatte damals auch nicht die geringste Idee von der socialen Stellung eines Prinzen in Europa und verliebte sich bona fide in den jungen hübschen Obersten.

Eines Morgens stand ein Wagen vor meiner Thür, und zu meinem Erstaunen sah ich aus demselben den Prinzen mit einer jungen Dame steigen. Beide kamen, mich einzuladen, Zeuge bei ihrer Trauung zu sein, welche in der St. Patrikskirche von einem katholischen Geistlichen vollzogen wurde.

Die zweiundzwanzigjährige Prinzessin war damals eine Erscheinung, bei deren erstem Anblicke es mir augenblicklich klar wurde, daß irgend welche weise Vorstellungen und Warnungen bei dem Prinzen vollständig nutzlos sein würden. Er war denn auch so verliebt, wie man es von irgend welchem Prinzen in irgend welchem Feenmärchen nur immer verlangen kann und wie ich und Jeder, der sie sah, außerordentlich begreiflich fand.

Sie war von mittlerer Größe und sehr zierlich und elegant gewachsen. Obwohl jede ihrer Bewegungen rasch und elastisch war, würde doch Niemand auch nur entfernt diesem schlanken Körper eine solche Kraft und eiserne Ausdauer zugetraut haben, wie ich dieselbe häufig zu bewundern Gelegenheit hatte. Von der Kraft ihres Armes will ich nicht reden, da sie sich immer darüber ärgert; allein von ihrem Fuße muß ich ganz nothwendig sprechen, da er viel von sich reden machte und noch immer macht, und ich selbst in Amerika, wo die Damen im Durchschnitt reizende Füßchen haben, keinen so kleinen und zierlichen entdeckte. Ich sah sogar Schuhmacher, die darüber in Kunstekstase geriethen, und Damen werden deren Begeisterung begreifen, wenn ich ihnen sage, daß die Prinzessin Schuhe Nummer Eins trägt.

Der reizende Kopf paßt zu dem reizenden Körper; obwohl ihr Gesicht keineswegs regelmäßig schön genannt werden kann, so möchte man es durchaus nicht anders wünschen, als es ist. Das beinahe ganz schwarze, leicht gelockte Haar fällt auf eine glatte, regelmäßige, ein wenig zu sehr kugelförmig gewölbte Stirn. Das schön geformte Gesicht ist durch ein Paar großer, hellbrauner, von schön geschweiften Brauen überwölbter Augen belebt, deren eigenthümlichem Zauber selten Jemand widerstanden hat. Die zierlich geschnittene gerade Nase erinnert mit ihren beweglichen Nasenflügeln an ein freies, feuriges Racepferd; ein Vergleich, den Pferdeliebhaber verstehen und gewiß nicht unpassend finden werden. Der Mund mit seinen frischen, vollen Lippen ist eher groß als klein, aber unendlich reizend wegen der ihn umgebenden Grübchen, in denen Frohsinn und Schalkheit wenigstens zu jener Zeit beständig spielten. Ihr naives, munteres Wesen war wirklich unwiderstehlich, und wenn sie in ein Zimmer trat, klärte sich das finsterste Gesicht. Ich gab ihr daher den Beinamen „sunbeam“ (Sonnenstrahl) und war erstaunt, daß ein Indianerstamm, der in der Nähe von ihres Vaters Hause campirte, sie ebenso, nämlich „Crainona“, getauft hatte. – Was ich als die größte Schönheit der Prinzessin betrachtete, war ihr beständiger Kummer, nämlich ihr leicht olivenfarbener Teint, den sie gar zu gern mit den weißen und rothen Farben der Amerikanerinnen vertauscht hätte.

Bei aller Liebenswürdigkeit, naiven Heiterkeit und Gutmüthigkeit war die Prinzessin jedoch eine sehr energische und verständige Frau, die, wenn sie ein Ziel erreichen wollte, mit eiserner Beharrlichkeit darauf los ging und nicht leicht vor einem anwendbaren Mittel zurückschreckte. Obwohl sie außerordentlich lebhaft und impulsiv schien, so handelte sie doch stets mit großer Ueberlegung, – es sei denn, daß das Herz mit in’s Spiel kam, welches wohl hin und wieder mit dem Kopfe davon lief.

Der Prinz war, wie ich schon bemerkt, ein hübscher Mann, mit einem angenehmen, gutmüthigen Gesicht und dunklen Augen, die er seiner italienischen Mutter verdankte, welche – ich weiß nicht in welcher Weise – mit der napoleonischen Familie verwandt war. Er war immer bescheiden und verbindlich gegen Jedermann und äußerst genügsam und anspruchslos in seinem Wesen. Obwohl ein Aristokrat von Geburt und Officier seit frühester Jugend, hatte er doch keineswegs den unangenehmen Gardeton angenommen, durch den sich, besonders früher, preußische Officiere so verhaßt und lächerlich machten. Um Politik bekümmerte er sich nicht; er war Soldat mit Leib und Seele und wollte nichts Anderes sein. Die Amerikaner mochten ihn sehr gern; allein wenn er auch einzelne Personen unter ihnen sehr hochschätzte, so konnte er sich doch in einem Lande nicht ganz behaglich fühlen, wo Alles so sehr von Dem abwich, was ihm durch die Erziehung zur andern Natur geworden war. Noch viel weniger aber als mit den Amerikanern konnte er sich mit der größern Classe der dort lebenden Deutschen befreunden, unter welchen sich denn auch viele bestrebten, sich ihm so unangenehm als nur immer möglich zu machen.

Das junge Paar bezog zwei Zimmer in einem Farmhause, welches in der Nähe von Blenker’s Lager war, wo ich sie häufig besuchte und sehr heitere Stunden verlebte. Wir waren oft sehr ausgelassen und nichts amüsirte mich mehr, als wenn ich die Prinzessin dazu bringen konnte, mit vor Lachen thränenden Augen zu sagen „make him stop Salem!“ – Das freundschaftliche

Anmerkungen (Wikisource)

  1. William Leclerq Joy (1793–1866), Vorlage: Leclerig
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_026.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)