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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)


dauerhafter, aus einem Stück gepreßter und silberblank verzinnter Küchengeräthe, während diese früher nur durch Hammerwerke erzeugt werden konnten. Diese beiden Firmen repräsentiren den ganzen Eisenwaarenhandel Stubais. Ihre Niederlagen sind zugleich Ablagerungsstätten der übrigen Groß- und Kleinschmiede des Thales, von denen sich acht in Neustift, sieben in Telfes und Plöven, fünf in Mieders befinden.

Man kann sich nicht leicht einen malerischeren Anblick denken, als den einer solchen Kleinschmiede, die für das Landschaftsbild die wünschenswertheste Staffage bildet. Das Innere der Werkstätte ist tief geschwärzt, der Raum ungewöhnlich hoch, das Licht bricht von oben durch geöffnete Läden und glitzert auf dem blanken Ambos un den Hämmern. Ein rußiger Geselle drängt uns plötzlich auf die Seite, ein gewaltiges Stück durchglühten Eisens in der Hand – ein Ruck an einem eingehackten Strick – draußen rauscht das Wasser stärker – und der größte Hammer hebt sich und fällt mit donnernden Schlägen auf das untergeschobene Eisen; man meint, die Felsstücke müssen bersten, in dem die Ambose ruhen – der Boden zittert – und der ganze schwere Holzbau kracht in seinen Fugen; ruhig aber, seine Pfeife im Munde und von den Funken umsprüht, steht der markige Geselle; unter wohlberechneten Drehungen hat sein Eisen die bestimmte Form erhalten, er hängt den Strick wieder ein, und unbeweglich ruht der Hammer. In gleichmäßiger steter Bewegung bleibt nur das Rad, welches vermittelst einer Welle die Blasbälge hebt und drückt. Im hintersten und dunkelsten Theile der Werkstatt dreht sich langsam und wuchtig ein Schleifstein, so groß wie ein Mühlstein; vor ihm, über und über mit dem Schlamm des Steines beworfen, sitzen zwei Männer auf Schwungbretern, welche bis ziemlich zur Mitte des Steines reichen; das Eisen, welches sie unter dem Bret anlegen und mit allem Kraftaufwand mit diesem zugleich gegen den knirschenden Stein drücken, ist nur roh geschmiedet und trotz des reichlich zufließenden Wassers sprühen Funken umher; es ist eine harte Arbeit, vermittelst welcher die so zum Schneiden bestimmten Artikel, wie Pflugschaar, Sensen, Aexte und Werkzeuge der verschiedensten Handwerke, aus dem Gröbsten zugeschliffen werden. In einem andern, eine Stiege höher befindlichen Raume finden wir eine Reihe kleinerer, feiner, schnurrender Schleifsteine; hier bekommen die Artikel das glänzende Aussehen, und hier werden auch die Schneiden vollendet.

Neben der eigentlichen Werkstatt sind noch kleine abgeänderte Räume, in denen gefeilt und die nöthige Schlosserarbeit geliefert wird; seitwärts führt ein schmaler Gang in ein freundliches Zimmer, wo junge Mädchen und Kinder bei lustigen Liedern die letzte Hand an’s Werk legen; dort entsteht die glitzernde Politur der feinen Artikel, die einzelnen Theile werden durch Schräubchen zusammengesetzt, die fertigen Gegenstände verpackt u. dergl.

Noch einmal gehen wir zurück, um das hübsche anregende Bild der Werkstatt zu überschauen – da klingt ein helles Glöckchen durch das Hämmern und Prasseln hindurch – ein Ruck des Altgesellen an einer herabhängenden Schnur, die Räder draußen stehen still, das Wasser verläuft sich, die Feuer sinken auf dem Heerde zusammen – es ist Mittag.

Die Werkstatt ist verlassen; draußen im Dorfe läutet die Glocke den Mittagssegen – der alte Meister aber mit seinen Gesellen steht, die Hände gefalten, um den einfachen Tisch – die helle Stimme der Schaffnerin des Hauses betet vor und tiefen Tones fallen die Männer in den altherkömmlichen Segen ein ....

Der Hauptheerd der Fabrikation bleibt immer Vulpmes, dem die ergiebige Wasserkraft des Schlickbaches zur Verfügung steht. Leider hat dieser Brodvater oft schlimme Launen und bedroht bei heftigen Gewittern nur zu oft die gewerbthätigen Stätten mit arger Verwüstung. So riß er im Jahre 1807 einundzwanzig Wohnhäuser und Schmieden weg, und die Schreckensnächte des letzten Herbstes sind noch in frischem Gedächtnisse. Ueberhaupt ist Stubai gefährlichen Hochgewittern mit Wolkenbrüchen sehr ausgesetzt. Gegen die vernichtende Wuth des entfesselten Elementes hilft kein Wehren und Dämmen. Schauerlich wimmert dann die Sturmglocke von Ort zu Ort; wie losgerissene Ungethüme fluthen die hochgeschwellten Wasser mit donnerähnlichem Gebrause einher, Häuser, Ställe, Brücken mit sich fortreißend, während pechschwarze Nacht über dem Thale liegt. Und solche Unglücksfälle ereignen sich mehr oder minder fast jedes Jahr und sind besonders den tiefer drinnen liegenden Ansiedelungen verderblich, denen sie das gute Erdreich von Wiese und Acker wegschwemmen, so daß die Getroffenen dasselbe handvollweise sammeln und in Körben auf die verödete Stelle tragen müssen. Trotz dieser und anderer Drangsale, wie sie fast jedes tirolische Thal mit sich bringt, sind die Stubaier ein fröhliches, aufgewecktes Völkchen, das auf Zucht und Sitte hält, aber nach gethaner Arbeit gerne lebt, singt und einen lustigen Kirchtag feiert. Wer ein gesundes Volksleben sehen will, der komme nach Vulpmes, am besten an einem Feiertage, wenn die brausenden Räder und die polternden Hammerwerke schweigen und ein sonntäglicher Frieden über dem Dorfe ruht. Da sieht man sie dann stehen, die Ehrenmänner mit den schwieligen Händen, ihre kurzen Holzpfeifen im Munde, in Gruppen vergnügt plaudernd oder vorübereilende Dirnen neckend. Wer möchte in diesen schmucken Burschen mit den blutrothen Nelken und der Trutzfeder am Hute die rußigen Gesellen erkennen, die noch gestern an der prasselnden Esse die wuchtigen Hämmer schwangen! Aus dem Wirthshaus aber tönt heller Jubel, Tanz und Gesang:

„Lustig wir Schmiedler,
Müssen uns plagen,
Müssen die Guldenzettel
Aus dem Eisen außerschlagen.“

Der gellende Juchzer darauf beweist, daß die harte Arbeit den guten Humor nicht verdorben hat. –




Blätter und Blüthen.

Pauline Lucca. Die Veröffentlichung kleiner Charakterzüge aus dem Leben berühmter und hervorragender Persönlichkeiten hat immer einen gewissen Reiz, da sich aus vielen kleinen Zügen auf das Große und Ganze des Charakters schließen läßt. Ist die Person, von der erzählt wird, obendrein eine so beliebte und fast in der ganzen civilisirten Welt gefeierte, wie die Primadonna der Berliner Hof-Oper, Pauline Lucca, so gewinnt die Sache ein doppeltes Interesse und der Erzähler ist wohl entschuldigt, wenn er eine Episode mittheilt, über die bereits fünf Jahre hinweggegangen sind.

Pauline Lucca sprach schon damals auf dem Theater und in „conventionellen“ Kreisen ein gutes Hochdeutsch, das durch einen leichten Anklang an den Süden eine um so weichere und herzgewinnendere Modulation erhielt; wo sie sich aber frei von jedem Zwange wußte, wie bei der in Rede stehenden Visite, da liebte sie es, „a Bissel sans géne, auf gut Oesterreichisch“ sich gehen zu lassen, und der Wiener Dialekt klang von ihren Lippen so wunderherrlich wie die reizenden Lieder-Melodien Ferdinand Gumbert’s, ihres besonders bevorzugten Lieblings. – Deshalb möge die jetzige „Frau Baronin“ dem Erzähler verzeihen, wenn er – a Bissel indiscret – ihre Worte von damals in österreichischem Dialekt – den sie, nebenbei bemerkt, jetzt ganz überwunden hat und bei dessen Lauten sie heute „ein Grauen überkommt“ – möglichst treu wiederzugeben sich bemüht.

Es war am Vormittage des ersten Weihnachtsfeiertages 1864 – also zu einer Zeit, wo der Theaterzettel des königlichen Opernhauses zu Berlin vor dem gefeierten Namen Lucca noch nicht das doppelte Würde verleihende Fr. (Frau) trug. Um der heidnischen Kinder-Symphonie mit blechernen Weihnachtstrompeten, Knarren, Tambourins und Schreipuppen zu entgehen, hatte ich mich auf mein Arbeitszimmer zurückgezogen und war hier über dem Lesen des „Struwwelpeter“, den mir mein kleiner Albert zur Unterhaltung vorgelegt hatte, sanft eingenickt.

Da rollt ein Wagen vor die Thür und gleich darauf wird die Glocke gezogen. Schnell ermuntert öffne ich und vor mir steht ein herrschaftlicher Jäger in großer Livrée, der, eine Visitenkarte überreichend, die Frage stellt: ob der „Herr Doctor“ auf einige Minuten zu sprechen sei.

Die Karte enthielt den Namen Pauline Lucca.

„Wird mir eine besondere Ehre sein,“ sagte ich und der Jäger machte Kehrt.

Nun erst sah ich das Mißliche meiner Lage ein: ich war nämlich noch im Schlafrock. Durfte ich die berühmte Sängerin im Negligé empfangen? – Unmöglich! Ehe ich mich jedoch nur zweimal umgedreht hatte, klopfte es bereits und „Paulinchen“ in Lebensgröße trat herein.

„Brrr! – ’s ist kalt heut’! – Guten Morgen.“

„Verehrtes Fräulein –“

„Lassen Sie mich nur erst sitzen! – So – Nun reden Sie weiter!“

„Vor allen Dingen muß ich –“

„Wer ich bin, haben Sie wohl auf der Karte gelesen! – Ich heiße Pauline Lucca.“

„Und wenn ich blind wäre, würde ein einziger Ton dieser melodischen Stimme hinreichen, die liebenswürdige Primadonna daraus zu erkennen.“

„Das haben Sie sehr hübsch g’sagt. Aber wollen Sie denn nicht Platz nehmen?“

„Ich muß bei dem höchst schmeichelhaften, jedoch unerwarteten Besuche zuvor um Entschuldigung bitten, daß ich so im Negligé –“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_031.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)