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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

ich ruhig denken und sprechen kann. So. Und jetzt mußt Du auch nicht erschrecken, Genovefa; und zuerst mußt Du mir auch noch versprechen, daß Du mir’s glaubst, daß ich nicht schlecht bin, wirst mir’s aber nicht glauben wollen, Vefa, daß ich den Wald angezündet hab’!“

„Jesus Maria! – Gregor!“ schrie die Magd auf, deckte ihr Gesicht mit der Schürze zu und zitterte.

„Ei ja, das hab’ ich mir gedacht, Ihr Weiber seid Alle so, daß Ihr Alles gleich in die Welt hinausschreit. Hätt’ ich’s wohl auch thun mögen, als es brannte, aber was hätt’s genützt? Sollst Dir doch denken, daß es nicht blos Bosheit giebt, sondern auch Unglück, und so eins ist uns jetzt halt auch begegnet. – Am Samstag zum Feierabend bin ich in das Dorf hinüber zum Segen gegangen, um zu beten, daß es regne – das weißt Du. Ist rechtschaffen weit hinüber für Unsereinen, und auf dem Rückweg da bin ich auf einmal so müde geworden mitten im Wald – nu, Du weißt, Vefa, wenn man alt wird – das Korntragen war auch so schwer den ganzen Tag. Da hab’ ich mich halt ein wenig hingesetzt auf einen Stein und hab’ mir gedacht: Ein Stücklein Brod wäre jetzt wohl gut. Aber weil Du kein Brod hast, Gregor, so zünd’ Dir ein Pfeifchen an, das stärkt auch. Hab’ mir darauf das Zündholzkästlein aus der Tasch’ genommen, aber die Hölzlein werden bei dem vielen Schweiß einmal zu feucht, sie zünden wohl, löschen aber wieder aus, und keines hat mir brennen wollen. Nehme mir da ein wenig Moos und dürres Reiser, wie es genug um mich herum lag, und damit ging’s. Ja, ich glaub’, es ging, und so, beiläufig, mußte es gewesen sein, ich weiß das nicht mehr recht; bin dann noch sitzen geblieben und hab’ ein wenig geschlafen. Als ich wach geworden, hat Alles gebrannt, das Moos, die Reiser, Alles, und an den nahen Baumstämmen ist das Feuer hinaufgestiegen und ist oben auf den Aesten herumgeflogen wie ein Vogel mit goldenen Flügeln. Jesus Maria! denk’ ich, jetzt brennt der Wald! Auf die Reiser bin ich getreten, hab’ meinen Hut und Rock auf die Flamm’ geworfen; auf die Bäume hab’ ich wollen und das Feuer tödten; ersticken mit den Händen; mit meiner Brust; bin zurückgefallen auf den Boden und wäre zuletzt selbst bald mit verbrannt. Das kann ein großes Unglück werden, denk’ ich noch, und lauf’ heim, was ich laufen kann, und weck’ die Leut’ ... weißt es ja so, Vefa. – Wenn doch nur wieder ein Regen käm’, da – da drinnen brennt’s so wild fort und das kann kein Mensch dämpfen.“

„Aber jetzt geh’ ich, Gregor, und werde den Bauer bitten, daß er sogleich um den Arzt fährt.“

„Nein, aber wenn Du mir den Caplan holst, so ist’s mir schon recht. Ich schlaf’ da derweil, mußt aber bald kommen, Vefa!“

Da lief die Magd fort und lief, was sie konnte, gegen das Haus und dachte unterwegs: Heiliger Gott, jetzt hat Der den Wald angezündet!

Als sie zum Grübner kam, rief sie ihm beinahe athemlos zu: „Bauer, ich bitt’ Euch um Gotteswillen, fahrt geschwind zum Bader und zum Pfarrer, der Gregor liegt drüben im Wald; er hat sich völlig verbrannt!“

Der Mann horchte auf. „Verbrannt hat er sich? Was geht denn der Narr zum Feuer! Nu; wegen mir magst in’s Dorf gehen, hab’ nichts dagegen wegen ein, zwei Stunden, aber fahren kann ich nicht, das Roß ist auf der Weid.“

Hierauf nahm der Bauer Stein und Schwamm heraus und schlug sich Feuer. Die Pfeife zwischen den Vorderzähnen fragte er dann die rathlose Magd: „Wo liegt er denn?“

Diese schluchzte in die Schürze und entgegnete: „Dort; wo das Feuer ausgeloschen ist.“ Dann trocknete sie sich die Augen und eilte fort gegen das Dorf.

Im Dorfe war noch große Verwirrung. Da standen im Freien Kästen, Schränke und anderes Geräthe; und die Leute gingen zwischen den Dingen hin und her und sprachen laut und schnell miteinander und lachten. Sie schafften nun die Sachen wieder in die Häuser; die Feuersgefahr war ja vorüber.

Als der Arzt und der Caplan im Chorrocke durch den Wald hinabstiegen und Genovefa mit dem Licht in der Laterne vorausging, kam ihnen Gertraud, die Dienstgefährtin der Genovefa, entgegen. Sie hatte den Verunglückten gesucht, aber nicht gefunden und schloß sich nun den drei Menschen an. Als sie schon eine Weile durch den hohen, finsteren Wald hinabgegangen waren und nun gegen die Lichtung kamen, wo das Gebrände anfing, blieb Genovefa stehen und war im Begriffe, ihrer Gefährtin die Laterne zu geben, aber sie schloß den Henkel fester in die Hand und ging noch einige Schritte weiter.

Plötzlich standen sie vor dem alten Knecht. Aber er war todt. Er lag auf dem Angesichte und um ihn herum war das Moos aufgewühlt.

Der Arzt untersuchte die Leiche und sagte dann halblaut zum Priester: „Der Mann hat viel gelitten!“ Dann gingen die zwei Männer wieder durch den Wald hinauf gegen das Dorf.

Genovefa und Gertraud hatten lange vor dem Todten gekniet und gebetet. Die Mittagssonne blitzte durch die hohen Baumkronen nieder und von Zeit zu Zeit hörte man einen Vogel zwitschern. Endlich flochten die Mägde zwei Aeste ineinander, legten den Gregor hinauf und trugen ihn gegen den Grübnerhof.

Der Bauer stand an der Thür, hatte die Arme über die Brust geschlagen und rauchte seine Pfeife. Als sie mit dem Todten herankamen, trat er einen Schritt bei Seite, nahm die Pfeife ein wenig aus dem Munde und winkte gegen die Wand, wo die Bodenstiege war.

Man stellte sofort unter der Stiege ein paar lange Stühle zusammen und legte die Leiche darauf. Dann kam die Bäuerin, bedeckte den Todten mit einem Leintuch und zündete daneben ein Oellichtlein an. Dann gingen sie zum Essen und nach dem Essen Jeder an seine Arbeit wie jeden Tag.

Den andern Morgen zogen sie Alle in das Gebrände hinüber und schafften die halbverbrannten Baumstrünke gegen die Kohlstatt hinaus. Die zwei Knechte hieben die noch stehenden Stämme um und schlugen die schwarzen Aeste von denselben. Die Mägde trugen und zogen die halbverkohlten Stücke an bestimmte Plätze, wo dieselben durch die Schlarpfe weitergeschafft wurden. Da Gregor nicht mehr war, so führte der Bauer das Pferd. Dabei hatte er allerlei Gedanken. Der schöne reiche Wald ist nun todt und verbrannt zu Kohlen; aber nicht zu solchen, die man draußen verkaufen kann um schweres Geld. – Der Mann biß sich derb in die Lippen; das Pferd hätte er aus Zorn schlagen mögen mit dem Peitschenstock – aber dann wäre es ihm mitsammt der Schlarpfe hinabgerannt über den Hang und hätte sich gar alle Beine gebrochen.

Gustl, der einzige Sohn des Grübner, kam mit dem Mittagsmahle. „Komm her, Bub!“ schnaubte ihm der Bauer entgegen, und als der Junge bei ihm war, stieß er ihn, daß die Suppe aus dem Topfe floß, und dann schlug er ihn erst, weil er das Essen halb verschütte.

Im Gebrände selbst gab es sonderbare Erscheinungen. Da lagen gebratene Vögel herum und auch ein verkohltes Reh hatten sie gefunden. Das Merkwürdigste war ein Eichhörnchen – oder war’s ein Wiesel, man kannte es nicht mehr recht – es hing an einem Baume und hatte sich fest um einen dicken, halbverkohlten Ast geklammert, war aber ganz schwarz und durchgebrannt bis auf die bleichen Beinchen. Unter all dem waren jedoch gar viele lebendige Würmer und Mücken; die sind klein und zart und leben fort hinaus über das Verderben und Unheil.

Aber wie es denn geschehen sein mochte und wie es begonnen hatte? Das fragte der Grübner zehnmal. Es hat doch kein Blitz eingeschlagen in der sternenhellen Nacht! Am Ende haben Vagabunden im Walde gelagert und ein großes Feuer angemacht, wie dergleichen Gesindel gern thut, oder – es ist gar von einem Nachbar geschehen aus Bosheit und Schlechtigkeit. Ja, schlecht sind sie genug, diese Menschen, und darum haben sie meinen Wald auch brennen lassen und nur das Gemeindeholz retten wollen. Der Greßbacher kann’s auch gethan haben, der ist so Einer, der! – So war das Denken des erbitterten Mannes.

Gegen Abend, als er am Wege noch einige Brände auflud, fand er im halbversengten Moose eine Tabakspfeife und ein Zündholzkästlein aus Bein. „Aha!“ rief er aus, „das ist dem Gregor sein Zeug und da liegen die Hölzlein noch herum – hat Der mir den Wald –?“

Da trat Genovefa zum Bauer und sagte, daß sie Alles wisse, und erzählte auch Alles, was sie wußte, setzte aber hundertmal hinzu: „Seid nicht bös auf ihn, Bauer, zu Fleiß hat er’s nicht than und er hat deswegen sterben müssen!“

Der Grübner schwieg anfangs dazu; aber später sagte er: „Ist mir immer so vorgekommen, daß dieser Mensch mein Unglück

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