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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)


Gärten und Parks, und der Ingrimm über all die vorgefundene Ausstattung des Luxus, die ihr brennendstes Verlangen nicht stillte, verführte dann die Getäuschten zu solchen beklagenswerten Kraftäußerungen der Vernichtungswuth.
Dagegen ist es ebenso verbürgte Thatsache, daß die meisten Vernichtungen von der französischen Besatzung selbst ausgingen. Wie aber die Pariser Art jetzt einmal ist, werden nach dem Kriege, wenn die Eigenthümer ihre Grundstücke im Zerstörungskreise der Forts wieder aufsuchen, all die Gräuel, die sie dann vorfinden, den Deutschen allein zugeschoben werden, und es wird sich ein großes Geheul der unterdrückten Civilisation über die Schandthaten der Barbaren erheben. Für diesen Fall wäre es gut, wenn überall, wo sie hingehört, die Inschrift zu lesen wäre, die ich in einer der oben genannten benachbarten Villa, in welcher man sogar das Tuch eines Billards zerschnitten hatte, mit Kohle an eine Wand geschrieben fand. Sie lautete: ‚Nicht wir, sondern die Franc-Tireurs haben hier Alles zerstört. Ein Deutscher, welcher darnach hierher gekommen ist.‘ Ich gestehe Ihnen, daß mir diese Worte eine große Beruhigung waren, denn die Ehre der Unsrigen muß uns ja doch über Alles gehen.
Ehe ich Sie zur Gruppe unserer Illustration führe, begleiten Sie mich einmal auf die Vorposten vor Paris. Am 28. September Nachmittags kamen wir, zugleich mit dem hundertsechsten Regiment, nach Montfermeil in Quartiere. Den folgenden Morgen, gleich nach sechs Uhr, wurden unsere Jäger zum Schanzenbau verwendet. Ich schloß mich einer solchen Abtheilung an und während die Jäger ihre Verhaue vollendeten, durchstreifte ich ein wenig die Gegend.
Bei diesen äußersten Vorposten ist die Vorsicht üblich geworden, die Helme verkehrt aufzusetzen und außerdem noch die Spitze derselben mit einem dunkeln Stoff zu umwickeln; noch häufiger hängen sie den Helm an das Seitengewehr und bedecken den Kopf mit der Mütze. Bei Nacht wird der Mantel ‚ungeröllt‘ benutzt und der Tornister abgelegt. Allezeit hält sich der Mann so versteckt wie nur möglich.
Ich besuchte nördlich von Gagny die hinter einem Kalkbruch stehende äußerste Feldwache, sowie den letzten Posten auf der nahen Anhöhe. Von da aus konnte ich durch ein gutes Glas ganz deutlich die Befestigungen von Paris sehen: links vor mir das Fort Rosny, unweit davon Zeltlager und fortwährende Truppenbewegung auf den Straßen; rechts in Nebel gehüllt Paris, wahrscheinlich Vorstädte, St. Denis etc. Während ich alle Sehkraft anstrengte, um von dem so lange ersehnten Babel des Abendlandes soviel als möglichen zu erspähen, erhob sich ein Luftballon von bedeutendem Umfang aus dem Nebel der Weltstadt empor, schwebte eine Zeitlang auf einer Stelle und fiel dann wieder; er hatte wahrscheinlich eine Recognoscirungsfahrt gethan. Das geschah um zehn Uhr.
Mein Standort war so schön, daß ich ihn nicht verlassen mochte. Kurz nach Mittag sah ich plötzlich in etwa anderthalbstündiger Entfernung alle Anzeichen einer starken Feuersbrunst; der qualmige Rauch deutete auf einen Waldbrand. Kurz vorher waren einige Patrouillen unserer Vorposten mit den feindlichen Vorposten in einen ziemlich lebhaften Kugelwechsel gerathen. Währenddessen hatten unsere Jäger mit einem Zuge Infanterie unter Leitung des Premierlieutenants Overbeck vom 106. Regiment, des Hauptmanns Schubert vom ersten Bataillon desselben Regiments und des Pionnierhauptmanns v. Naundorf ihre Schanzarbeit tüchtig gefördert und wurden um drei Uhr durch andere Mannschaft abgelöst. Unsere Jäger konnten sich jedoch von der Stätte nicht trennen, ohne noch einen kecken Streich auszuführen: mit äußerster Schlauheit hatten sie sich bis in’s Dorf Villemomble hineingeschlichen und kehrten glücklich mit der süßen Beute vom Wein, Liqueur u. dergl. beladen zurück. Begleitet von dem fernen dumpfen Donnern der Geschütze der Forts vollführten wir den Rückmarsch und trafen hundemüde und dickbestaubt gegen fünf Uhr in unserem Montfermeil wieder ein.
Nach einem gründlichen und ruhigen Nachtschlaf, wie man ihn nach solch einem Vorpostentag redlich verdient hat, benutzte ich den schönen Morgen zu einem Gang durch das Dorf, wenn eine stattliche Sammlung von Palästen den bescheidenen Namen eines Dorfs beanspruchen darf. Auf diesem Gange war es, daß ich zu unserem Bilde kam. Ich schlenderte eben durch den Park der Villa, die man mir als die Mac Mahon’s bezeichnet hatte, ward durch fröhliche Stimmen zu einem Schuppen oder Stall in der Nähe der Ruinen des Landschlosses hingelockt, und hier fand ich die originellste Bescheerung, die mir in diesem Kriege vorgekommen ist.
In einem Theil des ehemaligen Blumengartens saß die Einquartierung von Artilleristen, welche die noch bewohnbaren Räume der Villa besetzt und den Holzschuppen zu ihrem Pferdestall veredelt hatte, soeben beim Frühstück - und mit welchem Behagen und in welcher Umgebung! Die aus der Villa herausgeworfenen und noch unzertrümmerten Hausgeräthe, ein prächtiger Tisch mit Damastdecke, Lehnsessel mit schwellenden Polstern und feines Sèvres-Porcellan diente hier den robusten Jungen irgendwelcher deutschen Erde, den derben Fäusten und Manieren, wie die Behandlung von Roß und Geschütz sie verlangen, zum alltäglichsten Gebrauch. Ihre Achtung vor den Erzeugnissen des höheren Luxus ist nicht weit her, denn auf die feine Tischdecke stellen sie ungerührt ihren rußigen Kaffeekessel, während die offenbar mit Vergoldung und Porcellanmalerei geschmückte Terrine bei der vornehmen Portraitgesellschaft aus dem Ahnensaal unberücksichtigt steht. Ebenso wenig scheint von dem großen Spiegel und von dem Pianino Gebrauch gemacht zu werden, das hinten neben dem Stall seinen Platz gefunden hat. Aber Ritterlichkeit steckt doch in den Tapferen, denn einigen Frauenbildern wiesen sie, in Ermangelung einer Wand, eine Ehrenstelle an den nächsten Bäumen an. Und welches köstliche Kraut rauchen denn wohl der Herr Oberfeuerwerker so behaglich? Auch das gehört zu den blühenden Contrasten dieses Bildchens: ,geroocht muß sind!‘ Und weil von Tabak weit und breit keine Spur mehr zu finden, so trocknete der Brave sich eine Partie Lindenblüthen und schmaucht nun diese zu seinem Mokka. Ein Genuß, um den ich nicht beneidete!“ --




Drei Mächtige zwischen ihren vier Wänden.
Skizze aus dem großen Hauptquartier.

Die drei hervorragendsten Männer, welche in dem deutsch-französischen Kriege die Hauptrollen spielen, - Wilhelm der Erste, König von Preußen, sein erster Minister, Graf Bismarck, und endlich Graf Moltke, der Chef des Generalstabes – haben seit einigen Wochen ihren Wohnsitz in Versailles aufgeschlagen, um von hier aus die ferneren kriegerischen Operationen wie die diplomatischen Verhandlungen zu leiten. Berlin hat momentan aufgehört, Sitz der preußischen Regierung zu sein - die preußische Regierung befindet sich in Versailles, mit ihr die Großen des Reichs, sowie die Fürsten vieler deutschen Staaten, und von hier aus wird das zukünftige Schicksal Frankreichs und wohl auch Deutschlands entschieden werden. Es dürfte deshalb für alle Leser Ihres Blattes, welcher Richtung sie auch angehören, wohl von Interesse sein, in das Leben dieser drei mächtigen Herren zwischen ihren vier Wänden einen Einblick zu erhalten.

Der König, welcher im Präfecturgebäude in der Avenue de Paris wohnt, hat auch hier nichts in der einfachen Lebensweise geändert, welche er in Berlin zu führen pflegt, und wahrhaft erstaunenswerth ist die Thätigkeit, der er sich trotz seiner dreiundsiebenzig Jahre mit seltener Rüstigkeit hingiebt. Er steht früh sieben Uhr auf, sein Nachtlager besteht aus einem niedrigen Feldbett mit nur einer Matratze, das er stets mit sich führt; er rasirt sich selbst und wird bedient von je nur einem seiner beiden Kammerdiener Engel und Krause, Beides gediente Soldaten mit militärischen Ehrenzeichen. Während des Anziehens, wobei außer dem Kammerdiener der Garderobier beschäftigt ist, spricht der König mit Niemandem; er trägt im Hause den gewöhnlichen Militärdienstrock und bleibt, da er keine Bequemlichkeit kennt, von Kopf bis zu Fuß während des ganzen Tages angezogen bis zum späten Abend. Von Orden trägt er nur das eiserne Kreuz, sowie den russischen Georgenorden vierter Klasse, welche beide Orden er sich Anno Vierzehn bei Bar sur Aube verdiente, und um den Hals den pour le mérite, jedoch

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 766. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_766.jpg&oldid=- (Version vom 11.11.2019)