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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

angenommen, nur Oesterreich, Italien und die Türkei nicht, weil diese über den Werth von Silber und Papier ihr Lebtag nicht in’s Klare kommen können. Willst Du aber eine kleine Summe nach Oesterreich oder Rußland, oder überhaupt über die Reichsgrenze hinaus schicken, so wirst Du am besten thun, sie in gutem Papiergeld in einen recommandirten Brief zu legen, der immer nur 2 Groschen mehr kostet als ein gewöhnlicher Brief und auch nicht fünf Siegel bedarf, doch darfst Du den Inhalt nicht auf der Adresse declariren. Geht solch ein Brief verloren, so vergütet Dir die Post 14 Thaler.

Es sind mir auch – fährt der freundliche Beamte am Schalter fort – sehr oft Leute vorgekommen, welche irriger Weise meinten, einen Brief, der recht schnell gehen solle, müsse man recommandiren. Das Recommandiren (Empfehlen) aber dient nur zur erhöhten Sicherheit des Briefes; zur schnelleren Beförderung dagegen dient der Vermerk „durch Expressen zu bestellen“ oder „sofort zu bestellen“. Die Bemerkungen „eilig“, „cito“ oder „pressant“ helfen gar nichts. Ja, ein recommandirter Brief, der mehrmals sorgfältig kartirt oder gebucht wird, geht oft sogar langsamer, als ein gewöhnlicher Brief.

Siehe, da bringt ein Kind einen Brief, beschwert mit einem Schlüssel, der die Reisetasche oder die Wäschkiste des Bruders begleiten soll. Ja, aber auch der Begleitbrief darf nur 15 Gramm wiegen, der Schlüssel macht aber doch Uebergewicht, so daß dafür noch ein Groschen mehr gezahlt werden muß! Kannst Du da nicht sparen? Gewiß, nimm nur ein Stückchen Pappe, nähe den Schlüssel darauf und schreibe außer der Adresse noch darauf: „Muster“ oder „Probe“ – dann befördert Dir die Post den Schlüssel für ⅓ Groschen bis an’s Ende von Deutschland, ja bis an die türkische Grenze.

Noch Eins ist wichtig zu wissen und kann nicht oft genug eingeschärft werden: Ein Brief von 15 bis 250 Gramm (= ½ Pfund) kostet im ganzen deutschen Reiche sammt der österreichisch-ungarischen Monarchie 2 Groschen. Du hast vielleicht ein kleines Schächtelchen mit Handschuhen oder Kragen, oder ein Messer, oder ein Notizbuch, oder eine Tafel Chocolade von Dresden nach Hamburg, Berlin oder Leipzig zu schicken. Machst Du ein Paketchen daraus und schreibst einen Brief dazu, so kostet Dich die Sendung nach Hamburg 6 Groschen, nach Berlin 4 Groschen, nach Leipzig 3 Groschen. Schreibst Du aber die Adresse gleich darauf und giebst es als Brief auf, so kostet sie Dich nach Leipzig, Berlin oder Hamburg nur 2 Groschen.

Der gute Generalpostdirector Stephan ist aber auch ein heimlicher Feind aller Siegellackverschwendung. Darum hat er den alten Zopf abgeschnitten, wonach jedes Paket und jeder Begleitbrief versiegelt sein mußte. Wozu auch siegeln? Nimmt die Eisenbahn Güter ohne Siegel an, warum soll’s bei der Post nicht ebenso gut sich machen lassen? Also in Zukunft nur einen soliden Bindfaden um’s Paket, oder ein Schloß vor die Kiste, oder einen Nagel in den Deckel – fürchte nichts! Selbst wenn unsere deutschen Reichspostbeamten nicht alle so ehrlich wären, wie sie sind – so hätten sie ja keine Zeit dazu, Dein Paket zu öffnen, und wenn es ein rechter Pfifficus ist, so kann er’s schließlich auch öffnen trotz Deines Siegels.

Und weiter, lieber Freund, will ich Dir einen Wink geben für Tage der Freude und des Leides. Du hast vielleicht ein Töchterlein zu Haus, die hat Den gefunden, der mit ihr durch’s Leben gehen will; sie möchte nun aller Welt das Glück verkünden: Ich bin verlobt! Du lässest ihr Verlobungsbriefe drucken, die sie an Freunde und Bekannte schicken soll. Halt, Bräutchen, Sparsamkeit ist in der Ehe eine der ersten Tugenden! Stecke nicht jedes Briefchen in ein Couvert, sondern schicke alle offen, nur zusammengefaltet und adressirt (aber nichts hineingeschrieben!), so kostet Dich jeder Brief ⅓ Groschen. Und wenn auch der Briefträger oder ein Unberufener hineinschaut, was thut’s? Dann weiß ja Einer mehr von Deinem Glücke, das die Zeitungen so wie so bald aller Welt verkünden. – Und das gilt ja auch Dir, der Du Briefe mit schwarzem Rande schicken mußt! In solchen Tagen giebt’s so genug zu arbeiten und zu bezahlen, deshalb spare Dir die Mühe und das Geld! Oder Du, Gastwirth oder Gesellschaftsvorstand, der Du zum Balle oder Karpfenschmaus einladest, laß Dir Karten drucken auf Vorrath, das Datum und die Adresse darfst Du mit Tinte nachtragen, und nun brauchst Du nicht mehr die Botenfrau für theures Geld durch Wind und Wetter zu jagen; die Post besorgt dies besser und billiger, und jeder Empfänger steckt sich die Karte, die Dir nur ⅓ Groschen kostet, hinter den Spiegel und vergißt nicht, auf welchen Tag Du ihn geladen hast. – Oder wenn Du nicht so Viele laden willst, daß sich die Druckkosten lohnen, und Du etwa gern Deine schöne Handschrift zeigst, so kaufe Dir – Stephan’s neueste Einrichtung – eine Anzahl Postkarten, die seit dem 1. Juli nur ½ Groschen kosten. Du kennst sie vielleicht schon als Correspondenzkarten von Anno 70 her, wo Dir Dein August aus Frankreich welche schickte, die freilich größer, dafür aber mit Feldpost auch noch umsonst waren. Wie viel kannst Du darauf schreiben, das Jeder wissen kann und darf, z. B. wenn Du nach B. kommen und gern im Hôtel ein Zimmer haben willst, oder was für Waaren der Kaufmann Dir schicken soll, oder Du kannst auch solch eine Karte als Begleitbrief zu einem Paket nehmen, kannst Vorschuß darauf erheben, was den besondern Vortheil hat, daß der Empfänger gleich auf der Karte lesen kann, wofür der Vorschuß erhoben worden ist. Aber vor Einem muß ich Dich warnen: Gebrauche keine Karte als Mahnbrief, denn schon mehr als einmal haben Gerichte solche Mahner wegen Beleidigung und Ehrverletzung verurtheilt, weil eine solche Karte in unberufene Hände, z. B. von Dienstboten, kommen kann.

Nun, lieber Freund, die Expeditionsstunde ist abgelaufen; aber ehe der Schalter geschlossen wird, kaufe Dir noch flugs eine sogenannte Postnachricht für 1 Groschen. Diese nimm Dir zum Studium mit nach Hause, dort kannst Du kurz und deutlich lesen, was erlaubt und nicht erlaubt ist auf der Post. Dann aber wirst Du lernen zu bewundern die Weisheit und dankbar anerkennen die Fürsorge des kaiserlich deutschen Reichsgeneralpostdirectors Stephan.




Eine Thüringer Jubiläums-Höhenkarte. Es muß ein Mann schon etwas Ungewöhnliches sein und geleistet haben in den Augen des Volks, wenn dieses sich veranlaßt sehen soll, ihm eine charakteristische Bezeichnung zu ertheilen. Das Völkchen unseres deutschen Herzgebirges sieht nun seit fünfzig Jahren immer denselben Mann mit seinen Meßgeräthen auf seinen Bergen und Höhen herumsteigen; Alle, die seitdem aus Kindern zu Männern und die mit ihm gleichen Schritts Greise geworden, begrüßen ihn als ihren lieben alten Bekannten, und ihm selbst mag es oft genug bedünken, als ob nicht die Menschen allein, sondern auch die Berge mit ihren Wald- und Felshäuptern ihm um so traulicher zunickten, je öfter er sie wiedersieht. Und wie nennt ihn das Volk? „Waldläufer von ganz Thüringen“ heißt er, ein Ehrentitel, auf den er stolz sein kann. Den Leuten der Geo- und Kartographie ist er wohlbekannt als der um diese Fächer hochverdiente Major A. Fils, der zu Ilmenau, und zwar „1552 Fuß hoch“, seinen Wohnsitz hat.

Beruf, Neigung und die Thüringer Kernnatur trafen bei diesem Manne zusammen, um seine Art von „Waldläuferei“ so erfolgreich für die Orts- und Höhenkunde seiner schönen Heimath und auch der angrenzenden Länder zu machen. Aber es gehörten auch Tausende von Messungen dazu, um die Werke zu ermöglichen, die er nach und nach über die preußischen Kreise Schleusingen und Erfurt, Weißensee und Ziegenrück, über das Herzogthum Koburg-Gotha und Meiningen-Hildburghausen-Saalfeld, über die Schwarzburgischen Oberherrschaften Rudolstadt und Arnstadt, über die Aemter Ilmenau, Ostheim, Eisenach und andere großherzoglich Weimarische Gebiete, sogar über die Gegenden um Kissingen, Warmbrunn, Landeck etc. vollendet und veröffentlicht hat.

Gleichsam das Resultat aller dieser Messungen und Ausarbeitungen stellte er in einer Uebersichtskarte des ganzen Thüringer Waldgebirgs mit seinen Ausläufern nach Nord und Süd dar, und da dieselbe das Ergebniß seines fünfzigjährigen Arbeitens ist, so begrüßen wir sie als unseres Thüringer Waldläufers Jubiläumskarte, die wir, mit herzlichem Glückauf für den wackern Mann, nicht blos den Bewohnern Thüringens, sondern Allen empfehlen, die von draußen her in jährlich wachsenden Schaaren durch ihre Luftschnapperei unsere Berge und Thäler unsicher machen.

Fr. Hfm.




Der Blitz in Amerika. Mit Bezugnahme auf den in Nr. 33 (1872) der „Gartenlaube“ enthaltenen belehrenden „Blitzartikel“ von H. J. Klein wird es Solchen, die mit den Witterungsverhältnissen bei den Antipoden nicht bekannt sind, gewiß interessant sein, zu erfahren, daß Californien und Oregon gleichsam meteorologisch privilegirte Länder sind, in denen der Blitz wenig oder gar nichts zu sagen hat. Der Tod durch einen sogenannten Donnerkeil mag, nach der unbestrittenen Angabe meines gelehrten Mitarbeiters unserer „Gartenlaube“, ein besonders angenehmer und daher ein wünschenswerther sein; aber wir Goldlandbewohner ziehen das Sterben in einem Springfederbett, oder, wenn es ein gewaltsames sein muß, durch einen ritterlichen Revolverschuß jenem fremdartigen Todesboten, von dem man nicht weiß, ob er aus der Erde heraus oder vom Himmel herunter gefahren kommt, denn doch bei Weitem vor! – Hier im Goldlande sind die Gewitter eine noch seltnere Erscheinung, als in Deutschland ein Erdbeben. Seit zehn Jahren wohne ich an der Westküste Nordamerikas und erinnere mich, während dieser langen Zeit nur zwei Gewitter dort erlebt zu haben: ein ziemlich heftiges im vorigen Jahre während einer stürmischen Mitternacht in San Francisco und eins, wenn ich nicht irre, vor fünf Sommern in The Dalles in Oregon. Ein sich an einem Telegraphenpfosten einen bissigen Mosquito von der Seite abreibender Ochse ward das Opfer des letztgenannten Gewitters und wurde der Getödtete von den Bewohnern jenes Goldhafens damals mit großem Mitleid betrachtet, so zu sagen als ein Märtyrer seines Glaubens an die Nichtigkeit der Gefahr vor Gewittern in Oregon. Außer jenem tragischen Todesfälle habe ich nie vernommen, daß ein lebendes Wesen an dieser Küste vom Blitze erschlagen worden sei.

Kurze Zeit nach der Entdeckung des Goldes in Californien, als dieses bis dahin fast ganz unbewohnte Land wunderbar schnell besiedelt wurde und neue Städte wie Pilze aus der Erde wuchsen, kam ein speculativer Yankee auf den unglücklichen Gedanken, eine Schiffsladung von Blitzableitern von Boston nach San Francisco zu senden, an welchem letzteren Orte er dieselben an die Besitzer neuer Gebäude mit etwa fünfhundert Procent Nutzen vortheilhaft zu verkaufen hoffte. Den Aerger des Yankee, mit seinen schönen stählernen Stangen in ein blitzloses Land gekommen zu sein, kann man sich vorstellen!

Was aus den paar tausend Blitzableitern geworden ist, vermag ich mit Gewißheit nicht anzugeben (eine Anzahl derselben soll als Fenzpfosten Verwendung gefunden haben); sicher ist aber, daß nie einer derselben den Giebel eines californischen Hauses oder einer californischen Kirche gekrönt hat, denn es wäre Unsinn, einen Blitzableiter in diesem Lande aufzustellen. Franklin hätte, wäre er ein Californier gewesen, nie die Natur des Blitzes entdecken und den elektrischen Funken, der jetzt, dem Menschen dienstbar, Länder und Welttheile verbindet, vom Himmel herabholen können. Jener Blitzableiter-Importeur aus dem Yankeelande aber wird Franklin wenig zu Dank verpflichtet gewesen sein; seine meteorologische Unkenntniß Californiens mußte er mit dem Ruin seiner zeitlichen Güter büßen und wurde obendrein noch verlacht.

Was die Ursache jener fast gänzlichen Abwesenheit von Gewittern an dieser Küste sein mag, darüber eine Erklärung zu geben, steht leider nicht in der Macht meines Wissens. Aber als von großem Segen muß dieselbe für das Goldland betrachtet werden; und wenn uns dafür die Mutter Erde mitunter ein klein wenig rüttelt und schüttelt, so geschieht ja auch dieses hier in San Francisco stets auf freundliche Weise und gewiß nur deshalb, damit wir Bewohner des herrlichen Goldlandes uns auf die bevorzugte Stellung unserer Adoptivheimath unter den Ländern dieser Welt nicht zu viel einbilden sollen. Jedenfalls sind die Erdbeben in San


Hierzu der „Weihnachtsanzeiger“, Extrablatt der „Allgemeinen Anzeigen zur Gartenlaube“, Verlag von G. L. Daube & Co.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 812. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_812.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)