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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


Ort und Stelle, Rücken an Rücken, in die bereits gegrabene Grube gebettet. So weit ging französische Willkür und Vergewaltigung, daß den Hinterbliebenen sogar das Tragen von Trauerkeidung untersagt wurde; wie denn die französische Justiz ängstlich bemüht war, die That der der Welt zu verbergen. Erst später wurde den Opfern dieser traurigen Periode ein schönes Denkmal errichtet; neben demselben steht heute ein zweites Denkmal zur Erinnerung der im letzten Kriege Gefallenen. Die Sage geht, daß der Vorsitzende des Kriegsgerichts, Le Preux, kurze Zeit darauf erkrankte und, von den Furien des Gewissens gequält, im Wahnsinn verschied. ‚Alle Schuld rächt sich auf Erden!‘“ –




Blätter und Blüthen.

Asyl für stellenlose Erzieherinnen. In Karlsruhe soll unter Mitwirkung des Frauenvereins, der unter dem Protectorate der Großherzogin Louise von Baden steht, durch Fräulein Fanny Trier ein Asyl für stellenlose Lehrerinnen und Erzieherinnen gegründet werden. Wer da weiß, was es heißt, ohne Zufluchtsort zu sein und dabei die Sorge für die Zukunft im Herzen zu haben, der wird den Segen einer solchen Anstalt leicht erkennen. Vielleicht braucht dieser Plan nur bekannt zu werden, um den Wohlthätigkeitssinn Vieler anzuregen, vor Allem aber alle Erzieherinnen zu veranlassen, das Ihrige dazu beizutragen, daß Fräulein Trier’s Ideen verwirklicht werden. Dieses Asyl würde die erste derartige Anstalt in Deutschland sein. Engländer und Russen sind uns darin längst zuvorgekommen.

Fräulein Trier, in deren Hause in Paris ich vor zehn Jahren, als ich selbst noch Lehrerin war, mehrere Monate zugebracht habe, hat dort schon lange Jahre für dieselbe Sache gearbeitet, der sie jetzt alle ihre Kräfte widmen will. Sie nahm damals gegen geringes Kostgeld, oft sogar ganz ohne dasselbe (ihre eigenen Mittel waren durchaus nicht bedeutend), so viele junge Mädchen in ihrem Hause auf, als sie irgend konnte. Und wahrlich, es war eine Wohlthat, bei ihr aufgenommen zu werden; denn wir Alle fanden an ihr eine mütterliche verständige Freundin. Sie sorgte dafür, daß die Zeit des Wartens auf eine neue Stelle, eine sonst so schwere Zeit, durch nützliche zweckmäßige Thätigkeit ausgefüllt wurde und die Muthlosigkeit nicht aufkommen konnte.

Der Krieg hat Fräulein Trier in ihr Vaterland zurückgeführt; das soll nun die Früchte ihrer vielen Erfahrungen ernten. – Seit dem 1. Januar dieses Jahres besteht, durch sie gegründet und unter ihrer Leitung, in Karlsruhe eine Central-Nachweiseanstalt, die den Zweck hat, „Erzieherinnen auf eine der hohen Bedeutung ihrer Stellung würdige Weise den Familien zuzuführen und Eltern und Erzieherinnen der unangenehmen Nothwendigkeit zu entheben, sich einander ohne Gewährleistung zu begegnen.“ Die Nachweiseanstalt übernimmt die Vermittelung zwischen den Familien oder Erziehungsanstalten und den Erzieherinnen unentgeltlich.

Die Familien oder Erziehungsanstalten, welche sich an die Anstalt wenden wollen, werden ersucht, die Verhältnisse der von ihnen angebotenen Stellen so genau als möglich anzugeben, ebensowohl was von den Erzieherinnen gefordert wird, wie die Vortheile, die geboten werden, Gehaltsangabe etc.

Die Erzieherinnen haben einzuschicken:

1) einen kurzen Lebenslauf (mit Angabe des Geburtsortes, des Alters, der Religion, der Stellung der Familie etc.);
2) ein beglaubigtes Zeugniß des Vorstandes der von ihnen besuchten Schule oder der betreffenden Schulbehörde;
3) ein beglaubigtes Zeugniß der Familien oder Anstalten, in denen sie bereits gewirkt haben;
4) beglaubigte Abschriften der Zeugnisse über etwa bestandene Prüfungen.

Zuschriften werden franco erbeten, mit Einlage von Marken, wenn man frankirt Antwort zu erhalten wünscht, unter der Adresse: Centralanstalt für Erzieherinnen, in Karlsruhe.

Fräulein Trier schreibt mir darüber:

„Unsere Nachweiseanstalt ist seit dem 1. Januar eröffnet; der erste Monat hat ein unerwartet gutes Ergebniß geliefert; viele Familien habe sich an uns gewandt, und schon sind viele günstige Engagements geschlossen worden; die Sache bedarf nur des Bekanntwerdens, um segensreich zu wirken, und das ist auch Alles, was ich will. Die Nachweiseanstalt ist nur die Introduction zu einer größern Institution, von der ich mir den größten Einfluß verspreche, die aber nur dann gegründet werden kann, wenn ich die nöthigen Fonds gesammelt haben werde. Deshalb habe ich zu dieser Gründung die Hülfe meiner Freunde und aller guten Menschen nöthig, die an gemeinnützigen Bestrebungen Theil nehmen. Ich will nämlich ein Asyl für stellenlose Erzieherinnen gründen, wo diese für eine sehr mäßige Pension anständiges Unterkommen finden, bis die Nachweiseanstalt für sie gesorgt hat. Mit dieser Anstalt aber soll eine Fortbildungsschule eröffnet werden, in welcher Mädchen, die mangelhaft für den Beruf der Erzieherin vorbereitet sind, den nöthigen Unterricht finden, damit sie wenigstens den Elementarunterricht nach den Ansprüchen der Gegenwart ertheilen können. Der Krieg hat solch arme, zu nichts Rechtem vorbereitete Mädchen in Menge geschaffen, die von Stelle zu Stelle gehen, überall unzulänglich gefunden werden, am Ende die Achtung Anderer und die ihrer selbst verlieren und traurig zu Grunde gehen.“

So weit der Brief. Man sieht aus ihm, welch hohe Ziele sich Fräulein Trier gesteckt hat; möchte es ihr vergönnt sein, dieselben zum Wohle so Vieler zu erreichen!

Gruschewka, den 5. März alt. St. 1873.

Anna Schumacher, geb. von Stwolinska.

Ein bestrafter Turco. (Mit Abbildung, S. 231.) „Unvergeßliche Tage reichster Eindrücke waren es,“ schreibt uns der Maler des Bildes, Herr Professor W. Camphausen in Düsseldorf, „als ich im denkwürdigen Kriegsjahre 1870 in den sonnigen Octobertagen meine öfteren Ausflüge in die benachbarten Feldlager der französischen Kriegsgefangenen unternahm, um dort Studien für meine Mappe zu machen. Und wahrlich, die Wahner Haide bei Köln, wie das Rheinwerth vor Wesel boten hierzu die ausgedehnteste Gelegenheit. Von der frühen Morgenstunde nach kurzer Rast in einem der dortigen Strohzelte, das mir einer der dienstthuenden Officiere bereitwilligst angeboten hatte, bis tief in die Nacht hinein durchzog ich die langen Reihen der Zeltgassen, und begreiflicher Weise fesselten mich namentlich die braunen Söhne Afrikas, von denen weit über tausend dort campiren mußten. Von ihnen ist denn auch eine ganze Sammlung in mein Skizzenbuch gewandert, und so auch die nebenstehende kleine Gruppe, die wenigstens den Vorzug hat, direct nach der Natur entstanden zu sein. Oft genug kam es nämlich vor, daß irgend einer der braunen Gesellen ‚etwas ausgefressen‘ hatte, so namentlich kleine Diebstähle, mit denen Einer den Andern bedachte. Da gab es denn ein grimmiges Gestreite und Zähnefletschen unter ihnen, dem erst ein Ende gemacht wurde, wenn der herbeigerufene Officier du jour den ertappten Missethäter zum nächsten Wachtposten entführen ließ, wo er dann während einiger Stunden, abseits der wortreichen und lauten Gruppen, im Innern des Lagers Muße zu beschaulichen Betrachtungen über die Situation fand.

Ein solcher Moment ist der dargestellte, bei dem sich der Contrast zwischen dem finster blickenden schwarzen Burschen und dem ehrlichen rothbärtigen Schwaben vom hohenzollernschen Füsilierbataillon Nr. 40 der Reserve zu einem so prägnanten gestaltete, daß ich nicht unterlassen konnte, mir die Scene rasch zu skizziren, obgleich das Original so ungefragt nicht ohne Mißtrauen dazu dreinschaute. Dabei das malerisch improvisirte Schilderhaus mit den darangeklebten neuesten Siegesdepeschen, dahinter die langen weißen Zeltreihen und am fernen Horizonte der mächtige Kölner Dom, das ehrwürdige Wahrzeichen, das mich dort oft genug daran mahnte, wirklich und wahrhaftig am freien deutschen Rheine und nicht in der afrikanischen Wüste zu sein, besonders auch in stiller Mondnacht, wenn aus den Zelten wilde Wüstenlieder wie Schakalgeheul über die friedliche Haide der Heimat ertönten. Das waren denn die edlen Vertreter und Genossen der übermüthigen grande nation, das die Erfüllung ihres uralten Begehrens der natürlichen Grenzen, nur freilich etwas anders, als die lärmenden Politiker und Gamins der Pariser Boulevards wenige Monden zuvor, als sie ihr à Berlin durch die welsche Babel gebrüllt, sich gedacht hatten.“


Ein Dorf-Sydow. Was der Berliner Oberkirchenrath dem Berliner Pfarrer Sydow angethan, hat Entrüstung und Theilnahme in den weitesten Kreisen erregt, und dem verfolgten Manne ist Beides zu Gute gekommen. Darf wohl ein armer Dorf-Pastor, welcher derselben kirchenräthlichen Ungnade zum Opfer gefallen, auf ähnliche Berücksichtigung Anspruch erheben? Pastor Collmann zu Uedem bei Cleve ist, nach einem langen Conflict mit den Behörden unter dem Ministerium Mühler, in welchem er die Rechte der Kirche und der Gemeinden gegen Bureaukratie und Ultramontanismus vertheidigt – allerdings nicht immer mit Sanftmuth, sondern oft mit allen Waffen der Verbitterung –, in diesen Tagen vom Oberkirchenrathe definitiv ohne Pension seines Amtes entsetzt. Sein Hauptverbrechen war sein Beitritt zu dem Protestantenvereine gleich bei der Gründung desselben und sein Kampf in der Presse seit 1863, wo er die Redaction der „Evangelischen Gemeindeblätter“ (Elberfeld, Bädeker) leitete. Collmann hatte endlich ihm lange vorenthaltene Actenstücke beigebracht, die sein Recht klar erwiesen haben würden, und die neuen Gesetzesvorlagen würden zugleich ihn vollends geschützt haben – da kam dem Allen der Oberkirchenrath zuvor und wies den längst Mißliebigen mit Weib und sieben Kindern aus der Pfarre hinaus in – wie man in der guten alten Zeit zu sagen pflegte – in das Elend.

Herr Collmann (Herausgeber des verbreiteten „Theologischen Universal-Lexikons“, Elberfeld, bei Friedrichs) besitzt kein anderes Vermögen als sein Wissen und seine Arbeitstüchtigkeit in den Jahren der höchsten Manneskraft. Es gilt nun, daß ihm Gelegenheit geboten werde, dieses Capital zu verwerthen. Der tüchtige, feder- und wortgewandte Gelehrte würde ebenso bei einer Redaction wie auf einem Lehrstuhle an seiner Stelle sein. Wir vermitteln gern Anträge an den bedrängten Mann.


Bock’s Briefkasten.

Für die Dummen, damit sie nicht alle werden, aber auch nichts Schwaches, Schlechtes und Schlimmes mit sich herumtragen, sorgt Herr Bierey, der Besitzer der Schulbuchhandlung, mit der größten Aufopferung – für seinen Geldbeutel. Und zwar nicht etwa blos durch das von uns früher besprochene teuflische Schundbuch „Die Selbstbewahrung“ von Retau – wobei sich Herr Bierey selbst vor Strafe dadurch zu bewahren weiß, daß er sich schlauer Weise vor der Welt mit Doctor und Apotheker innig gesellt, – sondern auch noch durch eine Menge wunderbar und einzig wirkender, aber nur in der Schulbuchhandlung echt zu habender Geheimmittel. Beim Brauen und Verkaufen dieser Mittel fehlt nun aber der Dritte im Bunde, nämlich der sanctionirende Schulbuchhandlungsdoctor, und es sollte deshalb diese Bierey’sche Handlungsweise dem Staatsanwalte und Gerichtsarzte verfallen. – Die Geheimmittel braut Herr Bierey entweder selbst (wie zum Beispiel die Stanley’sche Kraftessenz) oder er läßt

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_233.JPG&oldid=- (Version vom 3.6.2018)