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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

No. 18.   1873.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 16 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Glück auf!
Von E. Werner.


(Fortsetzung.)


„Ich beabsichtige auch die Werke zu vermeiden,“ entgegnete Eugenie. „Ich wollte über die Wiesen nach dem Parke zu gelangen suchen und von dort –“

„Um Himmelswillen, nur da nicht!“ fiel der Alte ein. „Da ist der Ulrich mit seiner ganzen Partei; sie halten Rath auf der Wiese. Ich wollte eben hinüber und ihn noch einmal bitten, doch endlich Vernunft anzunehmen und wenigstens die Schachte freizugeben; es geht ja jetzt gegen unser eigenes Fleisch und Blut; aber er hört und sieht nichts mehr in seiner Wildheit. Nur den Weg nicht, gnädige Frau! Der ist der schlimmste.“

„Nach dem Hause muß ich,“ erklärte Eugenie entschlossen, „koste es, was es wolle! Gehen Sie mit mir, Hartmann, nur bis zu den Beamtenwohnungen! Im schlimmsten Falle bleibe ich dort, bis der Weg wieder frei ist, und an Ihrer Seite werde ich doch wohl vor thätlichen Angriffen sicher sein.“

Der alte Mann schüttelte mit bekümmerter Miene den Kopf. „Ich kann Ihnen da nicht helfen, gnädige Frau. Heute, wo Einer gegen den Andern steht, bin ich kaum selbst meines Lebens sicher in all’ dem Toben, und wenn Sie nun gar erkannt werden, dann nützt es wenig, wenn ich an Ihrer Seite. bin. Jetzt giebt es nur Einen, der sich allenfalls noch Respect verschaffen kann, dem sie zur Noth noch gehorchen, meinen Ulrich, und der haßt[WS 1] Herrn Berkow bis auf’s Blut und haßt Sie, weil Sie seine Frau sind. – Gerechter Gott, da kommt er!“ unterbrach er sich auf einmal. „Es hat wieder etwas Arges gegeben; ich sehe es an seinem Gesichte. Gehen Sie ihm aus den Augen, nur jetzt, ich bitte Sie!“

Er drängte die junge Frau in die halb offene Flur des Häuschens, und in der That ließen sich auch schon in unmittelbarer Nähe Schritte und laute heftige Stimmen vernehmen. Von Lorenz und einigen anderen Bergleuten begleitet, kam Ulrich heran, ohne den Vater zu bemerken. Sein Gesicht war flammend[WS 1] geröthet; auf seiner Stirn lag wieder die Wetterwolke, die jeden[WS 1] Augenblick loszubrechen drohte, und seine Stimme klang in[WS 1] wildester Erregung.

„Und wenn es unsere Cameraden und wenn es unsere[WS 1] Brüder sind – nieder mit ihnen, sobald sie zu Verräthern an[WS 1] uns werden! Wir haben uns das Wort gegeben, zusammenzustehen Einer für den Andern, und jetzt kriechen sie feig zum Kreuze und geben uns und die ganze Sache preis! Das soll ihnen vergolten werden. Habt Ihr die Schachte besetzt?“

„Ja, aber –“

„Kein Aber!“ herrschte der junge Führer dem Bergmanne zu, der sich den Einwand erlaubt hatte. „Das fehlte noch, Verrath in unseren eigenen Reihen, jetzt, wo wir nahe dem Siege stehen! Sie werden mit Gewalt zurückgetrieben, sage ich Euch, sobald sie es noch einmal versuchen, anzufahren. Sie sollen begreifen, wo jetzt ihr Platz und ihre Pflicht ist, und müßten sie es auch mit blutigen Köpfen lernen!“

„Es sind aber ihrer Zweihundert,“ sagte Lorenz ernst. „Morgen werden es Vierhundert sein, und wenn sich der Herr erst einmischt und zu ihnen redet – Du weißt doch, wie das wirkt. Wir haben es oft genug erfahren in der letzten Zeit.“

„Und wären es Vierhundert,“ brauste Ulrich auf, „und wäre es die Hälfte der ganzen Knappschaft, wir zwingen sie mit der andern Hälfte. Ich will doch sehen, ob ich mir nicht mehr Gehorsam schaffen kann; aber jetzt vorwärts! Karl, Du mußt nach den Werken hinüber; bringe mir Nachricht, ob Berkow sich nicht etwa einmischt, ob er mit seiner verdammten Art zu reden uns nicht wieder Hunderte abtrünnig macht. Ihr Anderen zurück nach den Schachten! Seht zu, ob sie hinreichend abgesperrt sind, und laßt Keinen heran, der nicht zu uns gehört; ich komme gleich selbst nach – fort!“

Der Befehl wurde augenblicklich ausgeführt. Die Bergleute eilten in den angewiesenen Richtungen davon, und Ulrich, der jetzt erst seines Vaters ansichtig ward, ging hastig auf denselben zu.

„Du hier, Vater? Du solltest doch lieber –“ er hielt plötzlich inne. Der Fuß wurzelte am Boden; das eben noch so heiß geröthete Gesicht wurde weiß, als sei jeder Blutstropfen daraus gewichen,[WS 2] und die Augen öffneten sich so weit und starr, als sehe er[WS 2] ein Gespenst vor sich. Eugenie war aus der Hausflur hervorgetreten und stand ihm gerade gegenüber.

In dem Kopfe der jungen Frau war ein Gedanke aufgeblitzt, der[WS 2] auch in demselben Moment schon ausgeführt wurde. Sie dachte[WS 2] nicht an die Kühnheit, ja an die Gefahr ihres Wagnisses; sie wollte[WS 2] zu ihrem Gatten um jeden Preis, und da galt es, das Grauen[WS 2] zu überwinden, das sie vor jenem Manne dort empfand, seit sie[WS 2] wußte, worauf sich ihre Macht über ihn gründete; da galt es[WS 2] einzig diese Macht zu gebrauchen, deren Wirkung sie so oft schon erprobt hatte.

„Ich bin es, Hartmann,“ sagte sie, ein unwillkürliches Beben bemeisternd und anscheinend mit vollkommener Ruhe. „Ihr Vater

Anmerkungen (Wikisource)

  1. a b c d e f Wort in der Vorlage nicht erkennbar, übernommen von Google
  2. a b c d e f g h Wort in der Vorlage nicht erkennbar, übernommen von Google
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_285.JPG&oldid=- (Version vom 3.6.2018)