Seite:Die Gartenlaube (1873) 388.JPG

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

Der Modoc-Krieg.[1]


Die Klamath und die Modocs. – Richter Steele als böser Dämon. – Captain Jack geht vor. – Vergebliche Unterhandlungen. – Eröffnung des Kampfes. – Das „Lavabett“. – Neuer Versuch zur friedlichen Beilegung des Streites. – Gewaltthat gegen Canby und Dr. Thomas. – Folgen dieser Frevelthat. – Strategische Schwierigkeiten. – Der Glaube der Indianer an einen befreienden Messias. – Persönlichkeit und Charakter Jack’s.

Der in der südwestlichen Ecke des Staates Oregon vor Kurzem zum vollen Ausbruch gekommene Krieg mit den Modoc-Indianern verdient, klein und unbedeutend, wie er dem fernerstehenden Beobachter erscheinen mag, einer größeren Beachtung als die gewöhnlichen Indianerplänkeleien, und zwar nicht nur innerhalb der Grenzen der Union, sondern auch in weiteren Kreisen. Einmal verleiht die besondere Situation der kämpfenden Parteien diesem Conflict ein, man möchte fast sagen romantisches Interesse, dann aber ist es nicht unmöglich, ja, unter gewissen Umständen sogar wahrscheinlich, daß der hartnäckige Widerstand des Häuptlings, Capitain Jack’s, in seiner Felsenfestung nur der Anfang, das Vorspiel eines Indianerkrieges ist, der in seiner Ausdehnung, Allgemeinheit und Furchtbarkeit alles bisher Dagewesene übertreffen und auf beiden Seiten sehr viel Blut kosten dürfte. Es wird gewiß der Tendenz eines überall gelesenen Blattes, wie die Gartenlaube es ist, angemessen sein, seinen Lesern Mittheilungen bezüglich dieser Ereignisse darzubieten, insofern solche Kämpfe zwischen Civilisation und Barbarei nicht blos ein nationales, sondern ein kosmopolitisches Interesse haben. Und sollten sie sich selbst, wie wir natürlich hoffen, nur auf den gegenwärtigen Kampf mit dem kleinen Modoc-Stamm beschränken, so würden die besonderen Umstände und eigenthümlichen Verhältnisse gerade dieser Fehde die Aufnahme einiger Artikel, welche diesen Gegenstand behandeln, sicherlich rechtfertigen.

Im südwestlichen Theile des Staates Oregon entströmt dem nicht unbedeutenden Klamathsee am Fuße der Cascade-Berge der Klamathfluß, wendet sich bald südlich nach Californien und ergießt sich endlich in den stillen Ocean. An den Ufern dieses Flusses wohnten seit Jahren zwei Indianerstämme, die Klamaths und die Modocs, die, obwohl sie durch gleiche Sprache und Abstammung eng zusammen gehörten, doch bis zum Jahre 1846 als zwei völlig getrennte, von einander ganz unabhängige Banden nebeneinander existirt hatten. Die Klamaths hatten die Gegend nördlich vom Flusse inne; die Modocs lebten am südlichen Ufer desselben und am „Lost-River“. Die Ersteren hatten sich niemals feindlich gegen die Weißen gezeigt, und als die Ansiedelungen dieser sich mehrten, bequemten sich die Klamaths zuerst von allen Indianern Oregons, einen Vertrag mit der Regierung abzuschließen, in welchem sie ihr Land verkauften und dafür eine Reservation angewiesen bekamen, die sie ohne allen Widerstand bezogen. Dies war im Jahre 1860.

Unter der Verwaltung des vom Präsidenten Lincoln ernannten Agenten machten sie nicht unerhebliche Fortschritte in der Civilisation und befanden sich in ihrer neuen Lage so wohl, daß es dem Agenten Huntingdon im Jahre 1864 gelang, auch die Modocs zu bewegen, ihr Land abzutreten und zu ihren Stammesgenossen auf die Klamathreservation zu ziehen. Die Ratification dieses Vertrages durch den Senat zog sich indeß in die Länge, so daß, als General Grant im Jahre 1868 seinen Amtstermin antrat, die Verhandlungen noch nicht endgültig abgeschlossen waren. Grant beschloß zu Anfang seiner Administration die bisher befolgte Indianerpolitik zu ändern und die Wilden unter militärische Verwaltung zu stellen. Ungeachtet dessen brachte der neue Agent der Klamathreservation, Capitain Knapp, den Vertrag mit den Modocs zu einem befriedigenden Abschluß, und der ganze Stamm, Schonchin, der erste Häuptling, und Capitain Jack, der Anführer in diesem Kriege, an der Spitze, zog auf das ihnen als Eigenthum überwiesene Land. So weit schien Alles in bester Ordnung zu sein.

Da wurde durch einen Mann, welcher der so oft Unheil stiftenden Advocatenzunft angehört, der Same des gegenwärtigen gräuelvollen Krieges gesäet. Richter Steele in Yreka war der böse Dämon, der dem ihn consultirenden schlauen Capitain Jack den Rath gab, er und seine Leute sollten, statt auf die Reservation zu ziehen, Regierungsland für Heimstätten beanspruchen und die Abgaben dafür zahlen; dann würden sie nicht mehr unter der Aufsicht des Indianerdepartements von Oregon stehen, sondern kraft des vierzehnten Amendements der Constitution der Vereinigten Staaten, welches allen Bewohnern der Union gleiche Rechte verleiht, als Bürger anerkannt werden müssen. Die nicht einmal streng gesetzliche Auslegung der Constitution fiel wie ein Funke in ein Pulverfaß. Capitain Jack verließ sofort mit seinen Leuten die Reservation und erklärte kurzweg, er werde nicht mehr hingehen, auch nicht den Agenten aufsuchen, sondern ihn in seinem Lager erwarten, wenn er ihm etwas zu sagen habe. Herr Odinell, der derzeitige Agent, übergab die Angelegenheit, wie er nicht anders konnte, der Militärbehörde, das heißt zunächst dem in Fort Klamath commandirenden Obersten Green. Da dieser nur eine unbedeutende Anzahl Truppen zur Verfügung hatte, auch nicht glaubte, daß die Indianer bei ihrer geringen Stärke ernstlich an Widerstand denken würden, so schickte er nur eine kleine Abtheilung Cavallerie (35 Mann) unter Major Jackson ab, um den Streit zu schlichten oder Gehorsam zu erzwingen. Sie fanden Capitain Jack’s Lager an beiden Seiten des „Lost-River“. Ein Dutzend Ansiedler aus der Nachbarschaft erbot sich mit den am östlichen Ufer befindlichen, ihnen gut bekannten Indianern zu unterhandeln, während Jackson mit den Truppen auf der Westseite des Flusses hinaufrücken wollte.

Bei Tagesanbruch, den 29. November (vorigen Jahres) erreichte er das Lager, befahl seinen Leuten abzusitzen und rückte mit nur dreiundzwanzig (die übrigen mußten bei den Pferden bleiben) auf die überraschten Wilden los. Aber, obwohl nicht vorbereitet, reizte sie wahrscheinlich die geringe Zahl der Weißen zum Widerstand, zumal sie den Vortheil hatten, hinter ihren Hütten ziemlich gut gedeckt zu sein, während die Soldaten völlig bloßgestellt waren. Ivan Applegate wurde als Parlamentär abgeschickt, um sie zu bewegen, nachzugeben und mit den Truppen umzukehren. Die erfolglose Unterredung währte etwa eine halbe Stunde, während welcher Zeit die Indianer sich zum Kampfe rüsteten. Zunächst erschien „Scarfaced Charley“ (Karl mit dem Narbengesicht), ein sechs Fuß hoher athletischer Krieger, mit drei Büchsen bewaffnet, vor der Front und forderte durch Worte und Geberden die Weißen zum Kampfe heraus. Major Jackson befahl dem Lieutenant Boutell den Wilden zu verhaften, als dieser, schnell wie der Blitz, eine Büchse auf Boutell abschoß, dann, ehe noch die Soldaten erwidern konnten, sich zu Boden warf und zum Lager zurückkroch, wobei er seine sämmtlichen Büchsen abschoß, um endlich, ohne eine Wunde empfangen zu haben, mit der Miene eines triumphirenden Siegers zwischen den Lagerhütten zu verschwinden.

Jetzt begann das Gefecht im Ernst. Die Indianer feuerten in guter Deckung mit großem Erfolg, während die Soldaten kaum eine einzige Kugel an den Mann bringen konnten. Selbst ganz schutzlos und nur mit kurzen Carabinern bewaffnet, befanden sie sich in einer überaus bösen Lage: acht waren schon gefallen; der Rückzug nach den Pferden war sicherer Tod für Alle. Der Major gab daher den Befehl, das Lager zu stürmen. Mit verzweiflungsvoller Wuth stürzten sich die Leute auf die Hütten und räumten dieselben in kurzer Zeit von ihren Bewohnern, die in wilder Hast in die nahen Gebüsche flüchteten. Major Jackson marschirte eine Strecke weiter den Fluß hinauf, von den berittenen Indianern eine kurze Zeit verfolgt, ging dann über den Fluß und vereinigte sich mit den auf der Ostseite befindlichen, ebenfalls geflohenen Ansiedlern. Die Indianer machten eine halbe Stunde von den Truppen Halt und feierten Abends ihren Sieg mit den üblichen Tänzen und Freudenbezeigungen. Dieses Gefecht war für die Indianer der Ostseite das Signal zu einem blutigen Angriff auf die wenigen Ansiedler am „Lost-River“; siebzehn Weiße wurden ermordet. Capitain Jack und seine Krieger nahmen an diesen Unthaten keinen Theil, sondern zogen sich an der Westseite des Rhettsees nach dem sogenannten „Lavabett“ zurück, der Felsenfestung, in der sie sich gegenwärtig noch befinden und wohin die Mörder von der Ostseite ihnen

  1. Original-Mittheilung unseres Correspondenten in Green-Bay (Wisconsin). D. Red.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 388. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_388.JPG&oldid=- (Version vom 7.4.2019)