Seite:Die Gartenlaube (1873) 653.JPG

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


dort sehr reißenden Zschopau, folgte Cäsar unserem stromaufwärts fahrenden Boot, immer dicht hinter demselben bleibend, und mit prachtvoll regelmäßigem Tempo seiner Pfoten die Strömung bewältigend, während Juno, erst angstvoll am Ufer zurückbleibend, sich zuletzt mit komischer Verzweiflung in’s Wasser stürzte und winselnd, manchmal auch wieder fortgerissen, nur in großer Entfernung nachkommen konnte.

Wenn alle Hunde im Hofe ihres Zwingers versammelt sind, um von ihrem Wärter das Fleisch zugeworfen zu erhalten, welches sie dann geschickt auffangen, dann sitzt Cäsar gleichmüthig an der Wand oder steht bei seinem Herrn, ruhig dem hungrigen Treiben der anderen zusehend. Gilt es ihm aber, einen bestimmten Zweck zu erreichen, so kann nur Eisen und Stein ihm ein Hinderniß sein. Will er zum Beispiel durchaus einer Hündin Gesellschaft leisten, so weiß er irgendwie aus dem vorderen Hofe in den Nebengarten zu entkommen, durchbeißt, wie ich selbst sah, die Stangen, die (rechts auf dem Bilde) diesen Garten begrenzen, und überspringt bei geschlossener Thür die hohe Balkenbarrière, welche (links auf dem Bilde) die Umgrenzung des Zwingers zeigt; das schließliche Durchbeißen der Lattenthür am Hundestall ist dann der Schluß.

Ist Cäsar’s Herr anwesend, so geht er einzig mit diesem aus. Nur wenn derselbe verreist ist, schließt er sich beim Ausgehen der Gattin desselben auch an diese an, nicht aber an Andere. In solcher Zeit ist er stets verstimmt, frißt wenig und verliert an Ansehen. Ich selbst, obgleich er mich bei meiner siebentägigen Anwesenheit gewiß als Freund kennen gelernt hatte, konnte ihn nicht bewegen, zu mir zu kommen, wenn er vielleicht sechs bis acht Schritte entfernt war; von Mitgehen, wenn ich allein ausging, war gar keine Idee. So sehr bewahrt er seine Selbstständigkeit, obgleich er sich sonst sehr gern liebkosen und bewundernd loben läßt. Ein herrlicher Anblick war es, als er zum Gemaltwerden allein über die Barrière zu springen hatte. Mit einer Kraft, einer so imposanten Haltung zugleich vollführte er diese häufig wiederholte Uebung, das herrliche gelbe, schön gelockte und schwarze Fell leuchtete dabei so glänzend im Sonnenschein, der starke, fast löwenartig gemähnte Hals erschien dabei so gewaltig, daß ich vor Bewunderung nur schwer arbeiten konnte.

Dieses in Größe, Farbe und Haltung leuenhafte Aussehen Cäsar’s ist auch die Ursache, daß sehr oft, wenn er an einem Ort, wo er noch unbekannt ist, erscheint, die Kinder ausrufen: „O Gott, ein Löwe!“ wie ich dies selbst erlebte. Ja, in einem Dorfe zwischen Döbeln und Waldheim, welches Cäsar’s Herr mit demselben passirte, fielen drei ungefähr zehnjährige Mädchen, als sie des Hundes unerwartet ansichtig wurden, vor Schreck wie auf Commando gleichzeitig um, erholten sich aber bald, als sie sahen, daß sie nicht sofort gefressen wurden. Als einmal sein Herr in Leipzig mit dem Thier vor einem Kaufladen stehen blieb, sammelten sich so viele Menschen bewundernd um dasselbe, daß ein Polizeidiener den Besitzer höflich bat, nicht länger stehen zu bleiben, da sonst die Passage ganz gesperrt werde.

Cäsar hatte, um in ich einer einzigen Wiederholung aus Nr. 14 der vorjährigen Gartenlaube schuldig zu machen, bereits damals zweiundachtzig Centimeter Schulterhöhe, und zwar diese Höhe als einfach senkrechte Linie gedacht. Das ist bei Messungen nicht unwichtig; so war z. B. eine der bezogenen Hündinnen auch mit einer erstaunlichen Höhe angegeben worden, bei näherer Untersuchung stellte es sich indeß heraus, daß diese Höhe stimmte, wenn man das Maß am Vorderbein aufwärts und bis auf die Mitte der Schulter herumlegte; diese Art zu messen, die ja Niemandem verwehrt werden kann, bringt ein bedeutendes Mehr heraus, als die senkrechte Linie, und noch mehr geschieht dies, wenn man das Maß erst längs der Zehen auflegt, was sich auch ganz vortrefflich ausführen läßt.

Es ließe sich natürlich noch Vieles über diese Zucht sagen, aber die Gartenlaube ist ja kein Fachblatt für Dergleichen. Auch habe ich als Laie keinen Beruf, hier belehrend zu sprechen, sondern mußte mich beschränken, das Gesehene zu schildern. Diese Zeilen sind daher auch nicht für Sachkenner, sondern für’s große Publicum bestimmt, bei welchem die Liebhaberei für schöne, große, langlockige Hunde jetzt so groß, und jedenfalls berechtigter ist, als für Möpse und ähnliche Carricaturen.

L.




Künstler und Fürstenkind.
Von August Lienhardt.
(Fortsetzung.)


11.

     (Graf Werdau an seinen Oheim.)

Da wäre ich nun, mein lieber Onkel, seit mehreren Wochen mit Deiner Zustimmung in der Blumenstadt, und ich kann mir denken, wie oft Du schon ungeduldig den Postboten erwartet hast, um von den Erfolgen Deines Sendlings zu vernehmen. Zu meinem großen Erstaunen traf ich Arsent bereits hier, der Hedwig auf Schritt und Tritt verfolgt und zwar, wie es scheint, mit Billigung des Herzogs Ernst. Ich ließ mich das wenig anfechten, denn trotz seines Reichthums müßte dieser Merinoprinz früh aufstehen, um einen Werdau auszustechen! Mache mir aber auch auf Ehre einen Capitalspaß daraus, den ledernen Kerl recht aufsitzen zu lassen, und zwar, wie ich glaube, mit gutem Erfolg, denn die geistreiche Hedwig kann an seinen nach Schafwolle und Pferden riechenden Witzen auf die Dauer keinen Gefallen finden. Glücklicherweise leistete mir der Kleckser bereits Vorschub; denn er hat sie mit seinem romantischen Gefasel über Raphael’sche Madonnen so nervös gemacht, daß sie bei dem leisesten Stallgeruch in gelinde Nervenzuckungen verfällt. Geschieht ihm schon recht! Warum schlich er so perfide unserer Angebeteten nach, ohne uns etwas davon ahnen zu lassen! Das war nicht fair play, auf Ehre!

Doch was sagte ich „Kleckser“! Da habe ich dem Maler doch unrecht gethan! Der Kerl hat Dir eine Gewandtheit im Copiren, daß ich ihn anstaune. Ich habe freilich nicht Deinen Blick in Kunstsachen, aber gestehen muß ich es doch, daß ich einen Tizian von der von ihm in einer Woche anfertigten Copie nicht unterscheiden konnte.

Ich hatte bei diesem Anblick so meine eigenen Gedanken! Wenn mein Onkelchen nicht so strenge auf das Original versessen wäre und sich mit einer Copie seines angebeteten Rembrandt einstweilen begnügen würde, so wäre uns Beiden geholfen. Meine Aufgabe wäre gelöst! Denn was meinen Theil der Mission betrifft, so betrachte ich Hedwig bereits als die Meine. Sie coquettirt zwar noch ein wenig, um mich zu reizen, mit Arsent, und, um diesen noch feuriger zu machen, sogar mit dem Kleckser – allein, da dieser nicht in Frage kommt, halte ich mein Spiel für gewonnen. Wenn nur Herzog Ernst nicht wäre – mit seinen selbstsüchtigen, finanziellen Familienrücksichten und Bedenklichkeiten, welche eben nur von einem theuren Onkel beschwichtigt werden können.

Ich habe den Gedanken von der Benutzung der Geschicklichkeit des armen Malers nur so hingeworfen und werde, liebes Onkelchen, gewiß noch alle meine Gewandtheit und Diplomatie aufbieten, um Herzog Ernst weich zu machen und zur Abtretung des Rembrandt zu bewegen. Wenn aber Alles nichts fruchtet, wird mein guter Onkel doch nicht hartherzig sein und den vorgeschlagenen Ausweg verschmähen und so seinen lustigen Neffen hindern, zum glücklichsten aller Sterblichen zu werden.

Nimm mit diesen Andeutungen für heute vorlieb, mein Onkelchen! Du weißt ja, daß ich stets meinen Schießprügel besser zu handhaben wußte, als die Feder, welche ich lieber den Federfuchsern überlasse. Auf ewig

Dein Oscar.


12.

Ich nahm die Feder zur Hand, Gottfried, um Dein Ohr mit Klagen über mein Unglück zu füllen, und bedenke jetzt erst, daß ich ja dazu kein Recht habe, denn mir selbst muß ich zurufen: Du hast es so gewollt.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 653. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_653.JPG&oldid=- (Version vom 7.1.2019)