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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


und das Papstthum eine Usurpation sei, welche sowohl durch die wahre Geschichte wie durch die wahre Verfassung des Christenthums verurtheilt werde. So dachte auch Savonarola.

Seine ersten Versuche, seine Grundsätze zu predigen, fielen unbeholfen und schüchtern aus, und da ihm die frivole Eleganz der damaligen Prediger, von denen man Alles eher als Glauben und Tugend erwartete, gänzlich fehlte, so waren seine Zuhörer dünn gesäet. Er verließ unmuthig Florenz und predigte in anderen Städten, wo er, muthvoller und geschickter auftretend, glücklicher war und sich bald einen Namen machte. Sein Ruhm gründete sich; er wurde zurückberufen, und seine anfänglichen Feinde, die Medici, beschützten ihn jetzt. Da seine Klosterkirche die Menge Derer, die seinen hinreißenden Worten lauschten, nicht fassen konnte, mußte er im Dome predigen, und man sah unmittelbar nach seinen Reden die zerknirschten und erschütterten Sünder fortgehen und ihre Vergehen möglichst wieder gut machen.

Diesen Erfolg verdankte Savonarola allein seiner Verherrlichung der Moral; die mystisch-religiösen Schrullen und Grillen, denen er außerdem huldigte und über welche er mehrere Bücher schrieb, interessirten Niemanden. Auch wäre sein Leben, wenn er sich fortwährend auf die moralischen Predigten beschränkt hätte, ruhig und ungestört dahingeflossen. Erst trat er aber ohne Scheu vor dem Mächtigen gegen Lorenzo’s Prachtliebe, Unsittlichkeit und Despotismus auf und nachdem Dieser, wie erwähnt, aus dem Leben geschieden, gegen die in den Klöstern und bei der Geistlichkeit überhaupt herrschende Glaubens- und Sittenlosigkeit. Er begann mit seinem eigenen Kloster, aus welchem er als Prior allen Luxus verbannte, wogegen er fromme Uebungen einführte. Diese Reformen fanden solchen Anklang, daß sich bald alle Klöster Toscanas dem seinigen unterordneten und unter seiner Leitung ihre Lebensordnung verbesserten.

Wer aber am wenigsten von dem der Lehre Christi so streng sich anschließenden Beginnen des Mönchs von Florenz erbaut war, das war der sogenannte Statthalter Christi, der Papst zu Rom. Diese Stelle nahm zudem damals das entsetzlichste Scheusal ein, welches jemals nicht nur den päpstlichen, sondern überhaupt einen Thron befleckt hat, der sitten-, glaubens- und gewissenlose Alexander der Sechste aus dem Hause Borgia, der Vater dreier Kinder, welche wie Prinzen an seinem Hofe lebten. Dieses Ungeheuers allerdings arge und zahlreiche Sünden griff Savonarola auf der Kanzel freimüthig an. Um ihn zum Schweigen zu bringen, bot ihm der Papst den erzbischöflichen Stuhl von Florenz und den Cardinalshut an. Savonarola wies diese Bestechungen mit Entrüstung zurück und fuhr fort, gegen die Quelle derselben zu eifern. Dies sollte ihm theuer zu stehen kommen.

Er verfolgte indessen seine Ideen rastlos weiter. Es war denselben günstig, daß gerade damals Lorenzo’s feiger und verrätherischer Sohn Pietro vertrieben wurde. In der nun wieder frei gewordenen Republik predigte Savonarola die Demokratie, und da er durch seine Predigten zu großem Einflusse gelangt war, wurde unter seiner Leitung ein vom Volke gewählter großer Rath an die Spitze des Staates gestellt. Es war jedoch bei des beredten Mönches Eigenartigkeit natürlich, daß es nicht bei der Demokratie blieb. Ein von einem religiösen Schwärmer geleiteter Staat mußte zur Theokratie werden. Feierlich proclamirte er Christus als König von Florenz und Schutzherrn seiner Freiheit, hielt jedoch die auf ihn eifersüchtige Geistlichkeit von allem Einflusse im neuen Staate zurück.

Nun begann ein sonderbares Leben und Treiben in Florenz. Der feurige Prediger des Glaubens und der Sitte verbannte Spiel und Tanz, verpönte die Belustigungen des Carnevals, setzte an die Stelle aller Vergnügungen religiöse Festlichkeiten, unterdrückte den Wucher, führte strenge Sonntagsfeier ein und bewirkte durch seine immer stärker besuchten Predigten überall Buße und Reue. Aus den Kindern der Stadt bildete er eine eigene Gesellschaft mit besonderen Gesetzen und ließ durch sie alle Gegenstände, welche der Eitelkeit und dem Vergnügen dienten, in den Häusern zusammenbetteln und unter Trompetenschall und Glockengeläute auf offenem Platze verbrennen. Es befanden sich darunter Schmucksachen, Spiegel, Schleier, falsche Locken, Masken, Musikinstrumente, Schachbretter, Karten, Würfel, Gemälde und Bücher etc.

Die Florentiner hätten aber keine Italiener sein müssen, wenn sich gegen diesen Geist nicht Opposition erhoben hätte. Ihre Leidenschaft für Parteiungen gab sich auch unter Savonarola’s demo-theokratischem Regimente kund. Sie zerfielen bald in Anhänger und Gegner desselben. Die Ersteren nannte man wegen der weinerlichen Rührung, in welche sie durch seine Vorträge verfielen, Piagnoni (Heuler), die Letzteren aber, bei welchen die entgegengesetzte Wirkung eintrat, Arrabiati (Rasende, Wühler). Außerdem gab es noch Nebenfractionen, wie z. B. die Anhänger der Medici und die demokratischen Gegner des mönchischen Wesens. Die eifersüchtige Geistlichkeit, welche sich zu den Arrabiati schlug, führte gegen den kühnen Mönch die Waffen der Inquisition in’s Feld und bewirkte, daß der sitten- und glaubenslose Papst den Prediger der Religion und Tugend nach Rom citirte, um, wie er heuchlerisch vorgab, seine Lehren besser kennen zu lernen. Die „Heuler“ aber ruhten nicht, bis Savonarola den Ruf ablehnte, da ihm schon oft mit Gift und Dolch nach dem Leben getrachtet worden und seine Feinde so eifrig gewühlt hatten, daß die in Besserung der Sitten erzielten Erfolge bereits wieder in Abnahme begriffen waren. Es wurden andere Prediger von seinen Feinden berufen, um gegen ihn aufzutreten, aber ohne Erfolg; ja eine Nonne wollte mit ihm öffentlich disputiren, wurde aber von ihm sarkastisch an den Spinnrocken verwiesen.

Der auf’s Neue von den „Rasenden“ bearbeitete Papst citirte nun den „Verbreiter falscher Lehren“, wie er ihn nannte, abermals nach Rom; als dies nichts fruchtete, untersagte er ihm das Predigen, was aber ebenfalls nichts nutzte, da die Regierung von Florenz das Gegentheil forderte. In Folge dieses Streites verbreitete sich Savonarola’s Ruf durch reisende Florentiner über ganz Europa. Selbst der türkische Sultan ließ seine Predigten in seine Sprache übersetzen und las sie eifrig. Es erschienen zahlreiche Schriften für und gegen ihn. Die „Heuler“ mußten eine Leibwache bilden, um den Reformator gegen Angriffe zu schützen; seine Predigten wurden von den „Wühlern“ gestört, und der Papst excommunicirte ihn. Da trat er endlich, nachdem er bisher noch am Papstthum festgehalten, offen gegen dasselbe auf, verwarf die Unfehlbarkeit des Pontifex und schrieb an die Fürsten Europa’s, daß sie ein Concil versammeln sollten, um den Papst zu entsetzen. Das war dem wüthenden Borgia zu viel. Schon vorher hatten in Florenz in Folge des Treibens der Päpstlichen Savonarola’s Feinde bei den Wahlen gesiegt, und die neue Regierung sperrte ihm die Kanzel. Auf Verlangen der Franziskaner, welche seine ärgsten Feinde waren, wurde nun zwischen ihm und seiner Gegenpartei eine Feuerprobe angeordnet. Trotz seiner Abneigung gegen diesen Aberglauben mußte er sich darein fügen; aber die Ausführung wurde durch einen Regen vereitelt. Da gab man dem thörichten Volke vor, der Reformator sei überwunden, und ein Sturm auf sein Kloster erfolgte, dessen Mönche sich tapfer vertheidigten. Sie unterlagen, und das Kloster wurde erstürmt. Mit Mannesmuth nahm Savonarola von seinen Anhängern Abschied – eine Scene des Schmerzes und der Wehmuth, welche unser heutiges Bild mit dramatischer Lebendigkeit darstellt. Savonarola und sein eifrigster Jünger Fra Domenico wurden gebunden abgeführt, vom wankelmüthigen Volke mit Steinen geworfen, beschimpft, geschlagen und endlich eingekerkert. Ein vom Papste freudig bewillkommneter und durch seine nach Florenz gesandten Inquisitoren geleiteter Proceß, in welchem alle gesetzlichen Formen mit Füßen getreten wurden, endete mit der Verurtheilung Savonarola’s und seiner Mitmönche Domenico und Silvestro zum Feuertode. Vor dem gänzlich umgewandelten Volke, das sie vorher vergöttert hatte, wurden sie am 23. Mai 1498 öffentlich ihrer geistlichen Würde beraubt, dann über einem brennenden Scheiterhaufen an einen Galgen gehängt und ihre Asche in den Arno gestreut. Alle ihnen treu Gebliebenen unterlagen der grausamsten Verfolgung.

Zwei Jahre nach dieser Ketzerverbrennung begann indessen – so schwankt die öffentliche Meinung – eine Reaction zu Gunsten des Gemordeten. Der Platz seiner Hinrichtung wurde am Jahrestage derselben mit Blumen bekränzt; in Rom selbst wurden zu seiner Ehre Medaillen geschlagen, und die folgenden Päpste, besonders Leo X., sprachen sich für ihn aus und stellten durch ein geistliches Gericht die Ehre seiner Rechtgläubigkeit her.

Man hat sich darüber gestritten, ob Savonarola ein Vorläufer Luther’s gewesen oder nicht. Dieser Streit ist überflüssig. Gewiß war der Grundzug des Auftretens Beider derselbe. Luther

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 750. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_750.JPG&oldid=- (Version vom 7.1.2019)