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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Leitung, das Quecksilber, zu dem ein zweiter Draht von untenher durch die Glaswandung tritt, den andern. So wie die Quecksilbersäule nun steigt und mit ihrer Kuppe den oberen Draht erreicht, wird damit die Stromleitung geschlossen, und die im Comptoir oder sonstwo angebrachte Glocke macht so lange einen Heidenlärm, bis dem Uebelstande abgeholfen ist. Die deutschen Professoren Gebrüder Laudois haben einen selbstthätigen Brüte-Apparat nach diesem Principe eingerichtet, bei welchem der sonst am Läutewerk thätige Elektro-Magnet sofort die Gasflamme zurückschraubt, wenn das den Brütraum umspülende Wasser diesem bedachtsamen Thermometer zu warm vorkommt. Vielleicht werden wir uns, Dank dieser Erfindung, bald nicht mehr von den alten Aegyptern in Ausnützung der Thatsache, daß ein Huhn im Jahre fünfmal mehr Eier legen als ausbrüten kann, beschämen zu lassen brauchen.

Derselbe Apparat kann auf jede beliebige Temperaturgrenze und mithin auch so eingestellt werden, daß er erst bei einer sehr großen Hitze zu wirken beginnt, also als Wächter in leer gelassenen Fabrikräumen, Magazinen etc. dienen kann, um eine ausbrechende Feuersbrunst rechtzeitig zu melden. Die französischen Ingenieure A. Joly und P. Barbier haben zu diesem Zwecke ein geeignetes Kabel construirt, um die zu schützenden Räume mit demselben zu durchziehen. Dasselbe besteht aus zwei Metalldrähten, welche durch eine Lage von Guttapercha oder eine ähnliche schmelzbare Substanz von einander isolirt und durch eine besondere Procedur stark zusammengedreht werden. Sobald nun in irgend einem von dem Kabel durchzogenen Raume eine Feuersbrunst ausbricht und die isolirende Substanz zum Schmelzen kommt, tritt sofort die Gefahr anzeigende metallische Berührung der Drähte ein. Oft kann es nun sehr erwünscht sein, ein Sinken unter eine bestimmte Temperatur, z. B. in Gewächshäusern, schleunigst gemeldet zu erhalten. Ein diesen Zwecken gewidmetes elektrisches Alarm-Thermometer hat unter Anderm der Mechanicus Hane in Berlin construirt. Die Schiffer, welche sich in bestimmten Meeresregionen und Zeiten (z. B. im Frühjahre unweit der Küste von Neufoundland) bei Nacht und Nebel nur schwierig vor dem Zusammenlaufen mit schwimmenden Eisbergen schützen können – wie dies noch im vorigen Frühjahre das Verunglücken des Packetbootes „Europa“ bewies – haben hier ein leichtes Mittel, die Gefahr einer solchen Nähe zu erfahren. Da das Wasser der Meeresoberfläche im weiten Umfange dieser Kolosse mehrere Grade unter die mittlere Temperatur sinkt, so ließ man in solchen gerade dort häufigen Nebelnächten einen Bootsmann beständig Wasser schöpfen und die Temperatur messen. Diese Arbeit kann man aber, wie der Ingenieur Michel gezeigt hat, viel besser einem an den Flanken des Schiffes angebrachten in einer Kapsel enthaltenen Metallthermometer, einem aus zwei verschiedenen Metallen gebildeten, spiralig gedrehten Doppelstreifen, überlassen, bei dem ein Uhrzeiger, sobald er rückwärts geht, die Stromschließung durch Metallberührung vollendet und die Gefahr nach der Bootmannscoje meldet.

Der Turiner Officier Lanzillo will nun gar dem galvanischen Strome geradezu die Dienste eines Haushundes aufbürden, der jedes Oeffnen der Thür eines verschlossenen leerstehenden Hauses, falls die Vorrichtung nicht vorher außer Thätigkeit gesetzt ist (was von außen nur durch einen besonderen Schlüssel möglich ist), als Einbruch nach dem städtischen Polizeibüreau meldet. Die Häuser einer Stadt wären also hierbei durch elektrische Klingeln mit dem Polizeibüreau zu verbinden, und eine ähnliche Vorrichtung, wie in Hôtels die Zimmernummer kund thut, würde hier Straße, Nummer des Hauses, in welchem eingebrochen wird, oder ein Brand im Entstehen ist, kurz, wo man Hülfe braucht, anzeigen.

Nicht minder nützlich und vertrauenswürdig sind die Signalapparate, durch welche Siemens in Berlin und andrerseits die französischen Ingenieure Lartigue und Forest dem galvanischen Strome den Sicherheitsdienst auf Eisenbahnen übertragen haben. Die zur Auslösung des Signals – hier einer forttönenden Dampfpfeife – führende metallische Berührung wird dadurch hervorgebracht, daß die Locomotive eine an irgend einer Wegstelle angebrachte metallne Platte inmitten des Schienenweges mit einer an ihrem Bauche befindlichen metallenen Bürste abfegt. In demselben Augenblicke, wo dies geschieht, meldet eine Dampfpfeife auf der nächsten Station, daß der erwartete Zug eben jene Stelle passirt, der betreffende Schienenstrang also besetzt ist. Die Locomotive sorgt mithin durch eine nie versagende Vorrichtung selbst für ihre Sicherheit.

C. St.




Es giebt noch gute Menschen, und zwar überall, möchte ich hinzusetzen. Schickt mir da neulich ein unbekannter R. aus B–m, ohne alle Anregung von meiner Seite und nur weil er meint, die Noth klopfe wohl öfters an die Thür der Gartenlaube, volle fünfundzwanzig Thaler ein – für „wirklich bedürftige Arme“, dann aber, wie er wörtlich schreibt, „in einem Satz, daß der oder die Empfänger wirklich Segen davon haben.“ Es muß wohl eine unverhoffte, liebe Freude gewesen sein, die den unbekannten Geber dazu drängte, in seinem Jubel unbekannter Armen zu gedenken, die vom Glück weniger bedacht sind als er. Jedenfalls quittire ich dankend über den Betrag. –

Aber nicht genug damit. Die Leser der Gartenlaube erinnern sich vielleicht der Briefkastennotiz in Nr. 43, worin ich über das Elend einer Soldatenmutter berichtete. Ohne die vielgeplagten Freunde meines Blattes wieder zu Liebesgaben aufzufordern, hatte ich einfach aus einem mir zugekommenen Briefe die betreffenden thatsächlichen Mittheilungen zusammengestellt und nur die Bemerkung angefügt, daß trotz der Unterstützung des Reichs wohl noch manche Wunde blute. Das Unglück der armen Wittwe Bartel, die vor Metz ihren einzigen Sohn und mit ihm ihre einzige Stütze verloren, sprach auch eindringlicher, als ich hätte schildern können. Und siehe, die Notiz, welche keine Bitte aussprach, war kaum erschienen, als sofort von vielen Seiten Briefe und Gaben einliefen. Da schickt ein „alter Abonnent aus Barmen“, ohne seinen Namen zu nennen 25 Thlr.; ein W. F. aus Frankfurt a. M. ebenfalls 25 Thlr.; ein G. Fiedler in Teplitz 10 Thlr.; ein nicht genannter „Verehrer der Gartenlaube“ 5 Thlr.; A. Pollack aus Ravicz 3 Thlr; ein Leipziger Landsmann in Moskau 5 Rubel; A. Küßner in Danzig 2 Thlr.; Brl. in Pößnek, ein Ungenannter, S. W. in Dresden, H. G. in Aschersleben und Eine, deren Bruder gesund von Metz zurückgekehrt, je Einen Thaler, zusammen also 75 Thaler und 5 Rubel, mit den oben von R. in B. eingesandten 25 Thalern im Ganzen 100 Thaler und 5 Rubel – Alles Früchte einer kleinen unbedeutenden Notiz.

Die Sender dieser Liebesgaben mögen wohl sämmtlich der begüterten Classe der Gesellschaft angehören und in ihren Börsen die kleinen Abgänge kaum gefühlt haben. Aber wenn demnächst die Weihnachtskerzen auf ihrem Tannenbaume leuchten, dürfen sie schon freudigeren Herzens die reichen Christgaben annehmen und austheilen; sie haben ihr Herz dem Mitleiden nicht verschlossen und nach Kräften den Weihnachtsabend – nein, die ganze nächste Zukunft einer alten vereinsamten Mutter erhellt, die auf Erden nur noch auf Eins hoffte – auf einen baldigen Tod.

E. K.




Ein neues Richter-Album. Von Ludwig Richter, diesem volksthümlichsten und in einem gewissen Sinne zartesten unter den deutschen Zeichnern der Gegenwart, welchen man nicht unrichtig den Idyllendichter mit dem Stifte nennen könnte, erschien soeben bei J. D. Sauerländer in Frankfurt am Main ein Richter-Album, eine Sammlung der von unserem Künstler allein gezeichneten Illustrationen zu W. O. Horn’s Schriften. Es haben in diesen von echtester Poesie erfüllten Blättern des greisen Zeichners sinniger Ernst und köstlicher Humor einen so innigen Bund geschlossen, es reichen sich in ihnen kindliche Einfalt und gereifter Schönheitssinn zu so glücklicher Vereinigung die Hände, daß das Werk einen wahren Born der Erquickung allen Denjenigen bietet, welche vom beunruhigenden Getriebe unserer vielbewegten Tage auf Momente im Anschauen wahrer Kunstgebilde ausruhen wollen.




Neueste Fahr- und Reisegelegenheiten. Die Erleichterung des Passagier- und Verkehrwesens im Allgemeinen gehört sicherlich nicht zu den letzten Errungenschaften unserer Zeit, aber nur selten begegnen sich völlig zufriedengestellte Reisende, denn das Menschenherz ist ebenso unerschöpflich im Wünschen, wie der Geist im Erfinden. Man reist so sehr nobel in einem Wagen erster oder zweiter Classe, aber wenn die Schienen schlecht sind, so bekommt man auch da noch sein gerütteltes und geschütteltes Maß und verspürt nach einer längern Fahrt immer noch die Empfindungen einer gelinden Räderung. Der Franzose Giffard will deshalb die theureren Wagenclassen mit Hülfe einer doppelten Aufhängung von allen Stößen befreien, so daß man wie im Schooße einer Wolke, und sanfter selbst als in einem Nachen, die Grenzen von aller Herren Ländern übergleiten würde. Der Naturforscher-Congreß, welcher im Sommer in Lille tagte, konnte bereits eine solche „Eisenbahnhängematte“ benutzen und dabei sein Votum dahin abgeben, daß nach einigen lebhafteren Schwankungen beim Abgange des Zuges die Schwingungen bald so rhythmisch und sanft geworden seien, daß man mit der größten Bequemlichkeit habe lesen und schreiben können, während allerdings die Neigung zum – Einschlafen befördert worden sei, was, wenigstens für Schlafwagen, kein Schaden wäre. Der Engländer Bessemer hat bekanntlich einen großen Raddampfer mit einem ähnlichen schwebenden Schiffssalon für den Verkehr auf dem meist sehr lebhaft bewegten Canale erbaut, um das unendliche Welt-Elend der seekranken Engländer und Franzosen zu lindern. Es wird aber bezweifelt, daß es ihm gelingen werde, diesem tragikomischen Leiden den Boden zu entziehen. Praktischer dürfte der Gedanke seines Collegen A. Bois sein, mit einer „Dampffähre“, welche ganze Eisenbahnzüge aufnehmen soll, diesen Verkehr zu erleichtern. Die Maschine würde inmitten der auf kahngestalteten Parallelschwimmern ruhenden Platform angebracht werden und, ohne ein Umwenden erforderlich zu machen, die Fähre hin- und zurückbewegen – Eine der originellsten Reisegelegenheiten der Neuzeit verspricht aber die einschienige Eisenbahn oder „Dampfkarawane“ zu werden, welche der Engländer Haddan, Ober-Ingenieur der ottomanischen Regierung, auf der einhundertsiebenundfünfzig Kilometer langen Strecke zwischen Alexandrette und Aleppo in Syrien zu bauen beabsichtigt. Die Bahn wird einen einzigen Schienenstrang erhalten, der auf einem Mauerfundamente von zwei und einem Viertel Fuß Höhe und vierzehn Zoll Breite ruht. Die eigenthümlich gestalteten kleinen Wagen des Zuges, sogenannte Zwillinge, reiten gleichsam auf dieser Schiene, indem ihre Hälften, wie die Körbe eines Lastesels, zu beiden Seiten der Mauer herabhängen. Die Locomotive wie der Schlußwagen müssen durch horizontale Klemmräder mit Lederbeschlag, wie sie bei einigen Bergbahnen in Anwendung gebracht worden sind, gegen das Fundament um so stärker angepreßt werden, je größer die vorhandene Neigung des Bahnkörpers ist. Jede Wagenhälfte soll zwei, der ganze Zug sechsundneunzig Personen aufnehmen. Als Vortheile dieses Systems von Wüsteneisenbahnen werden sehr geringe Baukosten angegeben; sie sollen einen Schnellverkehr in Gegenden möglich machen, in denen nicht leicht auf größere Bahnanlagen zu rechnen wäre.

C. St.




Kleiner Briefkasten.

B. N. in Nbg. Allerdings ist noch Mangel an guten dramatischen Lust- und Schauspielen für die Jugend, aber ganz, wie Sie meinen, ist dieses Genre unsrer Literatur noch nicht eingeschlafen. Wir empfehlen Ihnen vor Allem das in Stuttgart erschienene „Kindertheater“ von Charlotte Krug, geb. Schnorr von Carolsfeld, das außer vier andern allerliebsten Stücken auch das preisgekrönte Lustspiel „Vetter James“ enthält. Das Buch wird sich ganz für Ihre Zwecke eignen; wenigstens dürfen wir Ihnen versichern, daß sämmtliche darin abgedruckten Stücke bereits die Feuerprobe der Aufführung bestanden haben.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 814. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_814.jpg&oldid=- (Version vom 28.6.2020)