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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

uns die gute Verzinsung des nur 450,000 Thaler betragenden Actiencapitals außer Zweifel stellen.“ – Nur 450,000 Thaler!! Fürwahr eine Kleinigkeit! Und auch mit der „guten Verzinsung“ hatte die „Neue Börsenzeitung“ Recht. Im „ersten Geschäftsjahr vertheilte der von Herrn Leopold Hadra aus der Michalkowsky’schen Fabrik componirte „Vulcan“ wirklich sieben Procent Dividende, seitdem aber keinen Heller mehr. Deshalb notirt ihn die Börse auch heute mit 16; wir fürchten sogar, daß er sich auf dieser Höhe nicht lange erhalten, sondern noch tiefer, viel tiefer sinken wird.



Blätter und Blüthen.


Salicylsäure. Die diesjährige Nr. 7 der „Gartenlaube“ hat einen sachgemäßen kurzen Aufsatz über Salicylsäure gebracht, welcher einiger kleiner Berichtigungen bedarf. – Die nach dem dort mitgetheilten und in allen Staaten Europas und für Amerika patentirten Verfahren gewonnene Salicylsäure wird nicht so in den Handel gebracht, sondern zuvor einem sorgfältigen Reinigungsprocesse unterworfen, um sie von anfänglich noch beigemengten harzigen und färbenden Verunreinigungen zu befreien. Man würde zuversichtlich der rohen unansehnlichen Salicylsäure nicht die freundliche Aufnahme bereitet haben, der sich jetzt die schneeweiße reine Verbindung rühmen darf.

Irrthümlich in jenem Aufsatze ist die Angabe, daß die durch ihre antiseptischen Wirkungen ausgezeichnete Salicylsäure, in kleiner Menge dem Biere beigemischt, das Sauerwerden desselben verhindere, auch wenn dasselbe in offenen Gefäßen der Luft ausgesetzt ist. Nicht das Sauerwerden des Bieres vermag die Salicylsäure unter jenen Umständen zu hindern, wohl aber und vollständig jegliche Pilz- und Schimmelbildung, d. h. das Rahmigwerden des Bieres. – Die Fähigkeit der Salicylsäure, Kuhmilch eine Zeitlang vor dem Sauerwerden und Gerinnen zu bewahren, steht außer Zweifel; aber da hierbei die Temperatur und die Menge der beizumischenden Salicylsäure, auch die Art und Weise des Eintragens von Belang sind, so bedarf es, um jene Eigenschaft praktisch zu verwerthen, erst noch einer Anzahl von Versuchen, welche am besten von intelligenten Landwirthen in größerem Maßstabe angestellt werden.

Dasselbe gilt vom Conserviren des Fleisches. Wenn schon die Versuche im Kleinen überaus günstige Resultate gegeben haben, so ist auch hier das zweckmäßigste Verfahren, große Mengen Fleisch wochenlang vor Fäulniß zu schützen und wohlschmeckend zu erhalten, durch besondere Versuche noch zu ermitteln.

Die unlängst im „Journal für praktische Chemie“ veröffentlichte Arbeit des Professors Neubauer in Wiesbaden über die gährunghemmende Wirkung der Salicylsäure, welche in Bezug auf die Weingährung die schon früher von Professor Kolbe und Dr. von Meyer gemeinschaftlich gemachte Beobachtung bestätigt, daß kleine Mengen Salicylsäure die gährungerregende Wirkung der Hefe auf Zucker zu hemmen oder ganz zu vernichten vermögen, verspricht besonders für die Weintechnik von großer Wichtigkeit zu werden. Professor Neubauer spricht sich darüber am Schlusse seiner Abhandlung mit folgenden Worten aus. „Die Nachgährungen sind und bleiben eine Calamität für den Weinproducenten wie für den Weinhändler; sollte es gelingen, sie durch Salicylsäure zu beseitigen, und ich zweifle keinen Augenblick daran, so hätte die Weintechnik einen ungeheuren Fortschritt gemacht. Ebenso steht zu erwarten, ja ist mit Sicherheit anzunehmen, daß sämmtliche Weinkrankheiten, die durch Pilze eingeleitet werden, sich durch Salicylsäurezusatz werden verhindern lassen.“ –

In überraschender Weise scheint die von Professor Kolbe ausgesprochene Vermuthung sich bestätigen zu wollen, daß die mit so hervorragenden antiseptischen Eigenschaften begabte Salicylsäure nach innerlichem Gebrauche als Arzneimittel bei Diphtheritis, Masern, Scharlach, Pocken, Cholera und andern Blutkrankheiten von günstigem Erfolge sein möge. Von mehreren anerkannt tüchtigen Aerzten sind in dieser Beziehung, zumal bei Diphtheritis, bereits glänzende Resultate erzielt worden.

Endlich sei noch die Bemerkung gestattet, daß mit den in Nr. 7 dieses Blattes erwähnten Zahnmitteln wohl die in ganz vortrefflicher Weise bereiteten Zahnpulver und Mundwässer der Engelapotheke in Leipzig (R. H. Paulcke) gemeint sein dürften, sowie daß die Salicylsäure selbst dem größeren Publicum nur nach und nach durch die Droguenhandlung zugänglich gemacht werden kann, da mein Etablissement erst seit Kurzem in größeren Betrieb gekommen ist und deshalb die massenhaften Aufträge eben noch kaum zu bewältigen sind.

Dresden.

Dr. F. von Heyden.


Klagen einer Mutter. Erstaunlich ist es, welche Grundsätze gerade jetzt das Herz und die Vernunft eines heranwachsenden Weltbürgers zu verwirren drohen.

Vor kurzer Zeit kam z. B. mein Töchterchen aus der Schule zurück, wo eben ein junger Professor der Naturwissenschaften einen Feuerbrand in die jungen Seelen geworfen hatte. „Mama, denke nur, der Herr Professor hat heute gesagt, der liebe Gott bekümmere sich blutwenig um das, was wir Menschen hier unten machen – ist denn das wahr?“ Diese gefährliche Doctrin zu bekämpfen war nun meine Sache.

Kaum eine Woche nachher kam die Kleine wieder ganz erregt, ganz Feuer und Flamme für das Wundertractätlein, demzufolge das Mädchen in Bois d’Haine schon seit 1872, außer der täglich genossenen Hostie, ganz ohne Nahrung geblieben sein und jeden Freitag aus den deutlichen Wundmalen Christi an Händen und Füßen Blut ausgeschwitzt haben soll. Der Religionslehrer – sonst ein sehr liebenswürdiger und toleranter Mann – hatte doch nicht umhin gekonnt, dieses jüngste kirchliche Märchen mit den entsprechenden Deutungen als die neueste göttliche Offenbarung zu verkünden.

Nun frage ich Einen, ob man nicht wahrhaft Salomonischer Weisheit bedürfte, um ein Kinderherz durch solch widerstreitende Angriffe, wie die beiden angeführten Fälle sind, schadlos hindurchzuführen.

Die Erzählung des albernen Märchens halte ich jedenfalls immerhin noch für unschädlicher, als die unzeitige Offenherzigkeit des Naturforschers. Letzterer beraubt das Kinderherz, ohne ihm Ersatz bieten zu können, während der eifrige Diener der Kirche so übermenschlich viel giebt, daß jede gesunde Natur sofort das Uebermaß zurückstößt. Wie sehr wäre zu wünschen, daß Lehrern der Jugend das Maßhalten als erste Pflicht vorschwebte. Man glaubt nicht, wie instinctiv ein Kind jedes Ueberschreiten der Grenzlinie würdevoller Mäßigung empfindet und wie sehr gerade in den Augen der Kinder ein Erwachsener verliert, der – ob Lehrer oder nicht – Ansichten preisgiebt, mit denen er vielleicht selbst noch nicht ganz im Reinen ist.



Amerikanischer Humbug. Ein Thee- und Kaffeehändler in Boston, der zu den Feiertagen ein gutes Geschäft machen wollte, stellte vorn in seinem Laden einen kolossalen Theekessel zur Schau aus und lud Jedermann ein, dessen ungefähren Inhalt zu schätzen, wobei er für diejenigen, welche am besten riethen, zwei Preise aussetzte: eine Kiste Thee und fünfundzwanzig Pfund Kaffee. Zwölfhundert Competenten ließen ihre Schätzungen von zehn bis dreitausend Gallons registriren. Am Neujahrstage wurde in Gegenwart von fünf- bis sechstausend Menschen der Theekessel öffentlich gemessen und die zwei Preise vertheilt. Der Kessel maß genau zweihundertsiebenundzwanzig Gallonen, zwei Quart, ein Pint und drei Gills. Die nächste Schätzung reichte bis drei Gills, und acht Personen hatten dieselbe gemacht, weshalb ihnen die Theekiste zur Vertheilung unter sich gegeben wurde. Den zweiten Preis, die fünfundzwanzig Pfund Kaffee, hatten sieben Personen unter sich zu theilen, welche bis auf fünf Gills richtig gerathen hatten. Selbstverständlich machte der Mann, der diesen echten Yankee-Einfall hatte, ein enormes Geschäft.



Von Karl Schurz, unserem Landsmanne in Amerika, ist eine „Geschichte der Vereinigten Staaten“ zu erwarten, welchem Werke er seine jetzige volle Muße widmen will. Ein hervorragender Amerikaner hat in Bezug hierauf schon vor einigen Jahren die Aeußerung gemacht, „daß der einzige Mann, der die politische Geschichte Amerikas gründlich kennt, ein Deutscher ist“, dem auch alle Fähigkeiten zur Verfassung eines solchen Werkes im höchsten Grade gegeben seien.



Bitte. Eine seit drei Jahren durch Gelenkgicht gelähmte Dame wendet sich mit der inständigen Bitte an solche Leidensgefährten, welche. die Höhle Monsummano in Toscana besucht haben, ihr möglichst genaue Auskunft über dieselbe, über den wirklichen Erfolg der Cur und die Art und Dauer des Leidens, gegen welches sie gebraucht worden, zu geben. – Gütige Mitteilungen wolle man an die Redaction der Gartenlaube richten.




Kleiner Briefkasten.

Anonymus A. Z. Geruch aus dem Munde entsteht durch Zersetzungsprocesse; eine radicale Beseitigung des Uebels ist nur durch Entfernung der Ursache möglich. Worin bei Ihnen die Ursache liegt, wird Ihnen wahrscheinlich jeder rationelle Arzt sagen können.

Langjähriger Abonnent in Breslau. Ein Arzt, welcher ein werthvolles neues Heilverfahren entdecken und dasselbe als Privatgeheimniß für sich ausnutzen würde, wäre in den Augen seiner Collegen und aller rechtlichen Menschen als Verräther an der Ehre seines Berufs geächtet. Er würde sich übrigens durch ein solches Verheimlichen auch vom rein „geschäftlichen“ Standpunkte mehr schaden als nützen. Sie können vollkommen sicher sein, daß die Geheimmittel-Doctoren ohne Ausnahme Schwindler sind.

M. in P. Der fragliche Briefwechsel ist bei Hoffmann u. Campe in Hamburg erschienen, und kostet der erste Band, worin das Gewünschte abgedruckt ist, drei Thaler.

Alter Leser in Lg. Von Zeit zu Zeit werden gewisse Substanzen unter chinesischen Namen als Heilmittel angepriesen; dahin gehört auch das Pen-tsao. Der einzige wirklich werthvolle Arzneistoff, welchen uns Ostasien liefert, der Rhabarber, ist bereits regelmäßig noch Europa gebracht worden, bevor es einen directen Verkehr mit China gab. Würden die Chinesen noch irgend welche andere besonders ausgezeichnete Arzneimittel besitzen, so würden wir dieselben längst auf dem gewöhnlichen Handelswege erhalten haben. Die übertriebenen Anpreisungen von angeblich chinesischen „Heilmitteln“ sind daher einfach als Geschäftsreclamen zu betrachten, da keine der chinesischen Arzneipflanzen – Rhabarber ausgenommen – wesentliche Vorzüge vor den einheimischen besitzt.

Abonnent in Gießen. Die Erzählung von E. Werber: „Eine Leidenschaft“ ist ebenfalls in der Gartenlaube und zwar im Jahrgange 1872 erschienen.

B. in O. Trunksucht läßt sich nicht heimlich und nicht ohne die willenskräftige Mitwirkung des Patienten heilen. Am meisten Aussicht auf Erfolg bietet ein längerer Aufenthalt in einer Anstalt für Nervenkranke; lenksamere Naturen, die an jenem Uebel leiden, werden auch in einer Kaltwasserheilanstalt genesen können. Sie werden sich vielleicht schwer zu einer solchen Cur entschließen, allein Sie dürfen nicht vergessen, daß durch das Probiren von allerlei Mittelchen kostbare Zeit verloren geht, während welcher das zu bekämpfende Leiden festwurzelt.

Austriacus, H. E. und B. Walther. Nicht geeignet. Das Manuscript steht zu Ihrer Verfügung.



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