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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

Ilm, in dem alten Häuschen, das er sich repariren ließ, in diesem „engen, gemüthlichen Neste“ war „Crone“ mit ihrer Freundin Probst und ohne dieselbe oft bei Goethe ganze Tage lang, oft bis zur Nacht und ihrem herrlichen Mondscheine. Einmal zeichnete er sie, und noch jetzt ist in seinen Sammlungen das damals von ihm gezeichnete Bild Corona’s erhalten; im Winter vergnügte er sich mit ihr auf dem Eise; dann wieder begleitete sie ihn auf einem Ritte nach Ilmenau weit in’s Land hinein. In dem Felsenwerke in den entstehenden Parkanlagen diesseits der Ilm hielt er sich oft mit der Künstlerin und dem Herzoge auf. Wieland traf sie einmal in dieser wunderbar künstlichen, anmuthig wilden Grottenpartie und berichtet darüber: „Beim Grottenmachen trafen wir Goethen in Gesellschaft der schönen Schröterin an, die in der unendlich edeln attischen Eleganz ihrer ganzen Gestalt wie in ihrem ganz simpeln und doch unendlich raffinirten und insidiosen Anzuge wie die Nymphe dieser anmuthigen Felsengegend aussah.“ Ein anderes Mal berichtet Wieland, wie der Herzog, Goethe, die Schröterin dort „offen unter Gottes Himmel und in den Augen aller Menschen, die da von Morgens bis in die Nacht ihres Weges vorübergehen“, ihr Wesen treiben.

War die Liebe Goethe’s zur schönen Corona nur eine seiner „Miseleien“, wie sie vorübergehende Liebschaften in der Zigeunersprache des Hofgenies nannten? Der Frau von Stein suchte es der Dichter einzureden; doch die scharfblickende Frau ließ sich nicht täuschen; sie fühlte, daß sie ihre Herrschaft über das Herz des Dichters jetzt theilen mußte. Anfangs sah sie einmal Corona mit Goethe und dem Herzoge bei sich zu Tische; später scheint sie alle persönlichen Beziehungen zu der Künstlerin aufgegeben zu haben. Schon im April 1777 zeigte sich die Eifersucht der Frau von Stein so rege, daß Goethe ihr schrieb: „Ich kann nichts thun, als Sie im Stillen lieben. Ihr Betragen zu denen andern Sachen, die mich plagen, macht mir so einen seltsamen Druck auf die Seele, daß ich muß suchen mich loszureißen.“ Immer von Neuem bekannte er ihr, daß er sie sehr lieb habe. Im October 1777 schrieb er ihr: „Warum das Hauptingrediens Ihrer Empfindungen neuerdings Zweifel und Unglaube ist, begreif’ ich nicht. Das ist aber wohl wahr, daß Sie Einen, der nicht festhielte in Treue und Liebe, von sich wegzweifeln und bannen könnten.“

Corona’s hohe Gestalt und ihre Begabung für plastische Darstellung, durch welche sie die Vorläuferin einer Schröder-Devrient war, konnte in den kleinen Singspielen und Possen des Liebhabertheaters nicht zur vollen Geltung kommen. Das fühlte Goethe und so hatte er schon in den Schwank „Die Empfindsamen“ ungebührlicher Weise ein Monodrama, „Proserpina“, eingelegt, in jenem freien, rhythmischen Schwunge gehalten wie Prometheus und der Künstlerin Gelegenheit bietend zu edler großer Deklamation und dem Adel plastischer Pantomime. Für die Freundin dichtete er aber auch seine erste „Iphigenie“, welche von Corona wunderbar hinreißend dargestellt wurde. Frau von Stein gab die geistigen Züge zu dem Charakter; Corona’s edle Gestalt und ernste Grazie schwebte dem Dichter für das äußere Bild der jugendschönen Priesterin vor. Und so entstand aus der Doppelliebe des Poeten die herrliche Dichtung „Iphigenie“. Später, als im Tiefurter Parktheater das Schattenspiel „Minerva’s Geburt, Leben und Thaten“ zur Aufführung kam, stieg Corona Schröter, nur von leichtem Gazeflor umhüllt, als Minerva aus dem Götterhaupte in wunderbarer Schönheit – und umkränzte dann den Namen Goethe, der in den Wolken strahlte. Auch war Corona die erste Sängerin, von welcher der Erlkönig gesungen wurde, als das Wasserdrama „Die Fischerin“ unter freiem Himmel an der Ilm zur Aufführung kam.

Eine der beiden Herzensköniginnen des Dichters mußte zuletzt den Sieg davontragen. Als der Triumph der Iphigenie ein geistiges Band um Dichter und Künstlerin schlang, welches für Frau von Stein auf’s Höchste bedrohlich erschien, da ließ die anmuthige und geistreiche Frau, wie Robert Keil in seiner Schrift behauptet und zu beweisen sucht, jede Zurückhaltung fallen, um den Dichter ganz zu sich zurückzuführen. Im Jahre 1781 wurde das Verhältniß ein glühendes und leidenschaftliches.

Die Liebe Goethe’s hatte Glanz in Corona’s Leben gebracht; von jetzt ab trat sie immer mehr in den Schatten. Das Liebhabertheater hörte 1783 auf zu existiren; Corona betrat nie mehr die Bühne. Sie blieb als Kammersängerin in Weimar, lebte den Künsten der Musik und Malerei und bildete junge Talente für die Bühne heran. Schiller, der sie 1787 kennen lernte, meinte, sie müsse in der That sehr schön gewesen sein; übrigens dünke sie ihm ein höchst gewöhnliches Geistesproduct und sie scheine von der Kunst sehr genügsame nüchterne Begriffe zu haben. Später urtheilte er günstiger; er rühmte ihre Natürlichkeit, ihren sehr guten Vortrag und bekannte, daß er mit ihr auf einem ganz charmanten Fuße stehe. Corona lebte längere Zeit in einem allen Nachrichten zufolge platonischen Liebesverhältnisse mit dem Kammerherrn von Einsiedel, einem Dichter von Operetten, in denen die Sängerin geglänzt hatte. Einsiedel war von erstaunlicher Gutmüthigkeit, hatte ein gefälliges ansehnliches Aeußere, eine ziemlich hohe Gestalt, eine bedeutende Stirn, lebhafte Augen, eine geistvolle Freundlichkeit und war der verbindlichste Freund seiner Freunde. Corona hat ihn einmal portraitirt. Von ihren Schülerinnen war Christiane Amalie Käthe Neumann, die Frühverstorbene, die Goethe in seiner „Euphrosyne“ gefeiert hat, die bedeutendste.

Schwer an einem Brustleiden erkrankt, zog sich Corona nach dem einsamen Waldstädtchen Ilmenau zurück, von wo sie dann und wann nach der Residenzstadt an der Ilm kam und durch ihre Vorträge die Salons erfreute. Am 23. August 1802 starb sie, und wurde einsam begraben; nur der wackere Knebel begleitete den Sarg.

Goethe widmete ihr einen kühlen Nachruf in seinen Annalen. Hatte er ihr doch früher in dem schönen Gedichte auf Mieding’s Tod einen, wie der Herzog Karl August selbst sagt, unverwelklichen Kranz gewunden:

Ihr Frauen, Platz! Weicht einen kleinen Schritt!
Seht, wer da kommt und festlich näher tritt!
Sie ist es selbst, die Gute fehlt uns nie;
Wir sind erhört – die Musen senden sie.
Ihr kennt sie wohl: sie ist’s, die stets gefällt:
Als eine Blume zeigt sie sich der Welt.
Zum Muster wuchs das schöne Bild empor,
Vollendet nun; sie ist’s und stellt es vor.
Es gönnten ihr die Musen jede Gunst,
Und die Natur erschuf in ihr die Kunst.
So häuft sie willig jeden Reiz auf sich.
Und selbst Dein Name ziert, Corona, Dich.
Sie tritt herbei. Seht sie gefällig stehn!
Nur absichtslos, doch wie mit Absicht schön,
Und hocherstaunt seht ihr an ihr vereint
Ein Ideal, das Künstlern nur erscheint.“




Ein deutsches Nationalfest.
Rückerinnerungen an das fünfte deutsche Bundesschießen in Stuttgart.

Wir saßen an einem herrlichen Junitage in dem Gärtchen eines bescheidenen Wirthshauses in einem Dorfe des Heilbronner Oberamts beisammen. Der Ort erfreut sich durch seinen vortrefflichen Wein einer gewissen Berühmtheit im Lande Württemberg nicht nur, sondern auch im benachbarten Baden, und wenn man im Herbst zum „Weinkauf“ in’s „Unterland“ wandert, so hält es mitunter schwer, in unserem Dörfchen ein Unterkommen zu finden, denn Alles strömt hierher, um sich einige Eimer von dem dortigen Rothen „einzuthun“. Es ist ein prächtiges Getränk, dieser Rothe, und wir ließen uns denselben mit um so freudigerem Gefühl munden, als wir vom Wirth erfuhren, von diesem Wein sei eine ganz bedeutende Quantität für das „Schützenfest“ eingekauft worden. Wir tranken also den Schützenwein schon vor dem Fest und leerten unsere Gläser auf das Wohl des Vorstandes des Wirthschaftscomités, der in treuer Sorgfalt und mit bewährter Fachkunde bei Zeiten für einen guten Trunk Sorge getragen hatte.

Der Schützenwein brachte uns auf das bevorstehende Fest selbst. Noch hatte der Berliner Magistrat sich nicht mit der Frage einer Ehrengabe beschäftigt, und die „Norddeutsche Allgemeine

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 690. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_690.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)